Denkmaldatenbank
Haus des Rundfunks
09096346 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Masurenallee 10, 14 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Sendeanstalt |
Datierung | 1929-1931 |
Entwurf | Poelzig, Hans (Architekt) |
Ausführung | Deutsche Land- und Baugesellschaft mbH Berlin & PhilippHolzmann AG |
Bauherr | Reichsrundfunk-GmbH |
Von herausragender Bedeutung für die Rundfunkgeschichte ist das Haus des Rundfunks, Masurenallee 8-14, dessen über 150 Meter lange Klinkerfront einen markanten Gegenpol zu den Messehallen auf der anderen Straßenseite bildet. (1) Der 1929-31 errichtete Baukomplex ist eines der ersten großen Funkhäuser der Welt, die für die neue Bauaufgabe entstanden, und der bis heute als Sendeanstalt seiner Aufgabe gerecht wird. (2) Zudem ist der moderne Zweckbau ein Meisterwerk des Architekten Hans Poelzig, der das Gebäude für die Reichsrundfunk GmbH und Funk-Stunde-AG realisierte. (3) Beide Rundfunkgesellschaften nutzten bislang das Vox-Haus am Potsdamer Platz, das aufgrund der raschen Entwicklung des Rundfunks nicht mehr ausreichte. (4) Für den neuen Bauplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Funkturm mit dem in Planung befindlichen Messegelände, wurde ein beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem Poelzig als Sieger hervorging. (5) Seine programmatische Idee war die Gliederung der Gebäudeteile nach ihren Funktionen. Er legte die Sendesäle umgeben von Büroräumen in die Gebäudemitte, wodurch sie vor dem Straßenlärm geschützt und über kurze Wege zu erreichen sind. Von den Enden der 150 Meter langen Schaufront an der Masurenallee schwingen zwei Flügel konvex nach hinten, die ein stumpfes Dreieck bilden und so drei eigenständige Säle umfassen. Die radial angeordneten trapezförmigen Säle werden von einem verglasten Lichthof hinter dem Haupteingang erschlossen, der über alle Geschosse auch die Bürotrakte anbindet. Es entstand eine markante, einem Ornament gleiche Grundrissfigur mit vier Binnenhöfen - ein neuer Bautyp für Rundfunkhäuser, der Vorbildwirkung hatte. Darüber hinaus nahm Hans Poelzig mit der halbkreisförmigen Gebäudeform Bezug auf seine mit Stadtbaurat Martin Wagner groß angelegte städtebauliche Konzeption für das Messegelände, die nur in Teilen realisiert werden konnte. Sie korrespondiert mit der eiförmigen zentralen Planungsfigur, wobei das Haus des Rundfunks der nördliche Ausgangspunkt sein sollte.
Städtebaulich und architektonisch verkörpert der monumentale Bau geradezu mustergültig eines jener "dynamischen Großstadtarchitekturen jenseits gestrenger Bauhausarchitektur" (6), die für Poelzigs Werk so kennzeichnend sind. Charakteristisch ist die moderne Sachlichkeit der planen, blauschwarz changierenden Eisenklinkerfronten, die expressionistisch auf der fünf- bis sechsgeschossigen Hauptfront an der Masurenallee durch Rahmung der gelben Fenster mit rotbraunen glasierten Keramikplatten vertikal aufgebrochen wird. (7) Die farblich kontrastierenden Materialien rufen bei Sonnenlicht "ein(en) Widerschein hervor, der sich besonders zur Mittagszeit bis zu aufregender Lebendigkeit steigert". (8) Expressive Materialität und Farbigkeit finden sich auch im Inneren - vor allem im Großen Lichthof, der auch als repräsentatives Foyer fungiert. Allerdings ist seine beeindruckende Ausgestaltung eine originalgetreue Rekonstruktion. 1956 hatte man die Halle im Zeitgeschmack neu gefasst und unter anderem die Lochziegel-Brüstungen der umlaufenden Galerien abgebrochen. Seit 1987 erstrahlt der Raum wieder in seinem ursprünglichen Farbklang. Zu den gelb glasierten Lochziegeln der Brüstungen, der schwarz glasierten Keramik-Riemchen der Pfeiler und Träger, dem Rot der beiden großen Hängeleuchten treten die gelb-grünen Wände und Decken der Galerie, die das Farbbild wirkungsvoll verdichten. Im Lichthof stehen zwei große Plastiken: 1983 wurde gegenüber der Bronze "Große Nacht" von Georg Kolbe eine abstrakte Arbeit aus Edelstahl und Holz von Volkmar Haase als Hommage à Kolbe platziert. Kolbes Plastik aus dem Jahr 1930, die 1964 als Neuguss wieder aufgestellt wurde, spiegelt die bewegte Geschichte des Hauses wider: Die Figur eines Schwebenden, der die Radiowellen verkörpern soll, war 1933 vom NS-Regime entfernt worden.
Auch der Große Sendesaal mit über 1.000 Sitzplätzen ist 1959 in seiner inneren Ausgestaltung stark verändert worden, nur die Decke ist von der bauzeitlichen Fassung erhalten geblieben. (9) Dagegen hat der kleine Sendesaal 3 sein ursprüngliches Erscheinungsbild bewahrt. Hier sind die Wände originell mit Klappelementen ausgestattet, wobei eine Seite den Schall reflektiert, die andere ihn absorbiert, sodass die Akustik variiert werden kann. Der Sendesaal 2, der 2005 umfassend modernisiert wurde, nimmt die Hörspielstudios auf.
In der Nachkriegszeit war das Haus 1945-56 durch die sowjetische Besatzungsmacht beschlagnahmt. Die folgende Instandsetzung des Hauses und die Inbetriebnahme durch den Sender Freies Berlin 1957 machen es zu einem Dokument der deutschen Teilung und des Wiederaufbauwillens West-Berlins in der Nachkriegszeit. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sendet seit 2003 von hier der Rundfunk Berlin-Brandenburg.
(1) Baugilde 11 (1929), S. 1754; BW 20 (1929) S. 1029 f.; BW 22 (1931), S. 525-532 (= H.16 Beilage S. 1-8); BW 57 (1966), S. 746 f.; DBZ 63 (1929), S. 287; DBZ 65 (1931), S. 190-193, Beilage II, S. 48-52, 145-50; WMH 13 (1929), S. 300-304; WMH 15 (1931), S. 197; Johannes 1931, S. 30; Berliner Stahl-Hochbauten, hrsg. v. Deutschen Stahlbau-Verband, Berlin 1936, S. 64 f.; Heuss, Theodor: Hans Poelzig, Das Lebensbild eines deutschen Baumeisters, Tübingen 1948, S. 87 f., 131-133; ders. 1955, S. 73 f., 138 f.; Bauverwaltung 5 (1960), S. 186-192; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Textband u. Tafelband, Berlin 1961, S. 345-350; Deutsche Bauzeitschrift 10 (1962), S. 1379; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1963, Nr. 63; Büttner, Fritz Lothar: Das Haus des Rundfunks in Berlin, Berlin 1965; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968., Nr.164; Posener, Julius (Hrsg.): Hans Poelzig, Gesammelte Schriften und Werke, Berlin 1970. S. 210 f., 224 f.; Zehm, Karl-Hermann: Das Haus des Rundfunks in der Masurenallee, Baugeschichte und Schicksal eines Architekturdenkmals der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. In: Ribbe, Wolfgang (Hrsg.): Von der Residenz zur City, 250 Jahre Charlottenburg, Berlin 1980, S. 459-495; Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, Bd. 1, hrsg. v. Helmut Engel, Stefi Jersch-Wenzel, Wilhelm Treue, Charlottenburg, Teil 1, Die historische Stadt, Berlin 1986; Teil 2, Der neue Westen, Berlin 1985, S. 76-97; Weber, Annemarie/Safft, Nikolas von: Westend, Ein Berliner Ortsteil in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1986, S. 93; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. B (4), Anlagen und Bauten für den Verkehr - Post- und Fernmeldewesen, Berlin 1987, S. 125-137, 220 f.; Börsch-Supan, Eva u. Helmut/Kühne, Günther/Reelfs, Hella: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 4. Aufl. Stuttgart 1991 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 295 f.; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 133; Börsch-Supan, Helmut/Haddenhorst, Michael: Westend, Berlin 1997, S. 102 f.; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, Kat.-Bd. S. 143, Aufsatz-Bd. S. 14; Bauernfeind, Wolfgang: Tonspuren: Das Haus des Rundfunks in Berlin, Berlin 2010.
(2) In Deutschland ist nur das Funkhaus der Deutschen Stunde in München, 1928/29 von Richard Riemerschmid, älter.
(3) Mitarbeiter Poelzigs waren: Asta und Max Berling, Karl Berlitz, Curt Liebknecht, Carl Otto, Fritz Rechenberg, Ernst Scholz, Rambald v. Steinbüchel-Rheinwall und Poelzigs Ehefrau Marlene.
(4) Die "Funk-Stunde-AG" war die erste deutsche Rundfunkgesellschaft, die 1924 diesen Namen annahm. Zugleich wurde damit erstmals ein regionaler Hörfunksender eingerichtet. Die 1923/24 eingerichtete Sendestation im Vox-Haus, Potsdamer Straße 4, benannt nach der "Vox Schallplatten- und Sprechmaschinen-AG", war die Keimzelle des Hörfunks in Deutschland. Das 1907/08 nach Plänen von Otto Stahn erbaute Haus wurde 1971 abgebrochen.
(5) Am Wettbewerb 1928 nahmen außerdem Richard Riemerschmid und Paul Bonatz mit Friedrich Eugen Scholer teil.
(6) Tietz, Jürgen: Hans Poelzig (Berlin), Ausstellung Tchoban Foundation. In: Deutsche Bauzeitung 2018, H. 12 (online abrufbar unter www.db-bauzeitung.de/db-empfiehlt/ausstellungen/hans-poelzi gberlin/.
(7) 2012-13 denkmalgerechte Instandsetzung der Fassaden.
(8) Bauwelt 22 (1931), H. 16, Beilage nach S. 2.
(9) Der Große Sendesaal ist erst 1933 nach vielen akustischen Proben in Betrieb gegangen. Die Neufassung 1959 entstand nach Plänen von Lothar Cremer, Direktor des Instituts für Technische Akustik an der TU Berlin. Vgl. Baukunst der Nachkriegsmoderne, Architekturführer Berlin 1949-1979, hrsg. v. Adrian von Buttlar, Kerstin Wittmann-Englert, Gabi Dolff-Bonekämper, Berlin 2013, S. 89.
Literatur:
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 345-350
- Die Bauverwaltung 5 (1960) / Seite 186 ff.
- BusB X B 4 1987 / Seite 220
- Die Baugilde 11 (1929) / Seite 1754
- Bauwelt 20 (1929) 43 / Seite 7-8, Beilage
- Bauwelt 22 (1931) 16 / Seite 525-532 (= H. 16, Beilage S. 1-8), 647
- Bauwelt 57 (1966) / Seite 746-747
- Deutsche Bauzeitung 63 (1929) / Seite 287
- Deutsche Bauzeitung 65 (1931) 1 / Seite 190-193
- Deutsche Bauzeitung 65 (1931) / Seite 48-52, 145-150 (Beilage II)
- Deutsche Bauzeitschrift 10 (1962) / Seite 1379
- Wasmuths Monatshefte für Baukunst 13 (1929) / Seite 300-304
- Wasmuths Monatshefte für Baukunst 15 (1931) / Seite 197
- Berliner Stahl-Hochbauten, 1936 / Seite 64-65
- Büttner, Fritz Lothar: Das Haus des Rundfunks in Berlin,Berlin 1965 / Seite 17-48, 67-74, 87-88
- Johannes: Neues Bauen, 1931 / Seite 30
- Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1963 / Seite Nr. 63
- Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1968 / Seite Nr. 164
- Kreuter, Marie-Luise: Das Haus des Rundfunks, in: Geschichtslandschaft, Charlottenburg 2, 1985 / Seite 76-97
- Heuler, Norbert: Berlin-Charlottenburg - Haus des Rundfunks, in: Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz (Hrsg.): Denkmäler in Deutschland. Substanzerhaltung und Restaurierung..., 2003 / Seite 77-80
- Der Lichthof im Haus des Rundfunks, Pressestelle SFB, Berlin, 1987
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