Denkmaldatenbank

Kindertagesstätte und Netzstation

Obj.-Dok.-Nr. 09097842
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Vorbergstraße 15
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kindertagesstätte & Netzstation
Datierung 1980-1982
Entwurf Heise, Stephan
Bauherr Land Berlin & Bezirksamt Schöneberg (Abteilung Jugend und Sport)

Nach Befestigung der Vorbergstraße und Verlängerung der Gleditschstraße wurden ab 1902 südlich der Grunewaldstraße neue Baugrundstücke auf dem Gebiet des ehemaligen Dorfes Neu-Schöneberg erschlossen. Auch die Parzelle Vorbergstraße 15, an der Einmündung der damals erst geplanten Belziger Straße, wurde 1902-04 mit einem repräsentativen Wohn- und Geschäftshaus bebaut, das - vermutlich im Zweiten Weltkrieg zerstört - nicht mehr vorhanden war, als 1959-60 auf dem abgeräumten Grundstück eine Kraftstation der Bewag errichtet wurde. Auf dem Nachbargrundstück Belziger Straße 2/6 hatte das Bezirksamt Schöneberg Jugendeinrichtungen in Barackenbauten untergebracht, die 1974 zum Teil abbrannten. (1) Nach Bürgerprotesten und langwierigen Verhandlungen ließ das Bezirksamt 1978-82 auf dem Grundstück Vorbergstraße 15 eine Kindertagesstätte und an der Belziger Straße einen Neubau für die Bewag-Station nach Entwürfen des Architekten Stephan Heise errichten. (2)

Die Kindertagesstätte ist ein auffälliger dreigeschossiger Terrassenbau, der sich von der Brandwand des Nachbarhauses Vorbergstraße 14/14A nach Südosten entwickelt - sowohl in der Höhe abgestuft als auch im Grundriss sich schiffsbugartig zur Straßeneinmündung verjüngend. Die äußere Form des nach Südosten komplett durch Fenster geöffneten und mit großen Terrassen eingefassten Baukörpers war vom Architekten bewusst in Analogie zu organischen Formen gewählt; er selbst benutzte dafür Begriffe wie "Hügelschiff" oder "Hügel-Baum-Schiffs-Plastik". Alle Gruppenräume sind über Treppenhaus und Flure erschlossen, haben aber auch einen direkten Zugang nach draußen: in den beiden oberen Geschossen auf die Terrassen, im Erdgeschoss in den Garten. Darüber hinaus sind die Räume durch interne Fenster und verglaste Türen miteinander und mit den Fluren optisch verbunden, obwohl jede Gruppe durch die verwinkelten Grundrisse mit ihren Garderoben- und Sanitärräumen auch immer eine deutlich abgegrenzte Einheit bildet. Die Verbindung aus Abgrenzung und Offenheit, die sowohl intime Rückzugs- und Spielecken für die Kinder schafft als auch den Blickkontakt zwischen Kindern und Erziehern ermöglicht, wird durch fest eingebaute Klettertürme, Spielpodeste, Sitzecken sowie halbhohe Wandstücke und Schränke unterstützt. Das Farbkonzept der Bauteile und Materialien (gelber Ziegel, grüne Brüstungen und Geländer, orangefarbene Fensterrahmen, Kiefernholz, Sichtbeton) sowie individuell entworfene Lampen und Einbaumöbel, Blumenfenster, ein Kamin mit Sitzecke, aber auch die Wandgestaltung mit Malereien und aufgeklebten Bildern von der Künstlerin Susanne Riée gehören zur bauzeitlichen Gesamtgestaltung, die nahezu vollständig erhalten ist. (3) Die Bewag-Station mit kleinem Parkplatz an der Belziger Straße ist gleichartig gestaltet und in die parkartigen Außenanlagen einbezogen.


(1) Artikel aus der Tagespresse in der Bauakte (Bauarchiv Tempelhof-Schöneberg).

(2) Stephan Heise war zwischen 1953 und 1963 Schüler und Mitarbeiter von Hans Scharoun und arbeitete auch in seiner Zeit als selbstständiger Architekt weiter in der für die so genannte Scharoun-Schule typischen organischen Formensprache. Bereits in seiner 1973 eröffneten Kindertagesstätte im Märkischen Viertel wählte er eine blattähnliche Grundrissform, durch die vielwinklige Raumzonen von verästelten Fluren erschlossen werden. Die nach Süden und Osten abgestufte Außenform, die sich mit großen Fensterfronten zur Sonne öffnet, war Vorbild für den Bau in der Vorbergstraße. Auch die Idee, Flure ihrer Nutzungsfrequenz entsprechend aufzuweiten oder zu verengen, findet sich in beiden Bauten. Vgl. Martina Schneider: Ein Standort für eine Kindertagesstätte, in: Bauwelt 64 (1973), H. 19, S. 842 f.

(3) Die Wandgestaltung als Aktion der Künstlerin mit den Kindern ist typisch für die Pädagogik jener Zeit.

Literatur:

  • Berlin und seine Bauten, Bd. VII (B) Sozialbauten, Petersberg 2004 / Seite 106f., 311
  • Kunstführer Berlin, Hg. Börsch-Supan, Eva und Helmut, Kühne, Günther, Reelfs, Hella, Stuttgart 1991 / Seite 247
  • Kindertagesstätte Belziger Straße. In: Berliner Bauwirtschaft 29 (1978), 2. Sonderheft (Kita-Bauten in West-Berlin, Vorwort: Wolfgang Spreen) / Seite 23ff.
  • Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V. (Hg.): gemeinsam wachsen, Kita Vorbergstraße, Broschüre o. J. (2014)Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite 81

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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