Denkmaldatenbank

Wohnanlage Hedemannstraße 21, 21A, 22, 22A, 23, 24 Friedrichstraße 225, 226 Puttkamerstraße 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Wilhelmstraße 20, 21, 22, 23, 24

Obj.-Dok.-Nr. 09097811
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Hedemannstraße 21, 21A, 22, 22A, 23, 24

Friedrichstraße 225, 226

Puttkamerstraße 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7

Wilhelmstraße 20, 21, 22, 23, 24
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnanlage
Datierung 1973-1976
Entwurf Düttmann, Werner
Entwurf Kuhn, Elmar & Schlüter, Gülden
Bauherr INIF (Internationale Immobilienfonds GmbH & Co. KG) Köln

Die sieben- bis achtgeschossige Wohnbebauung des Architekten Werner Düttmann nimmt den gesamten Block zwischen Hedemannstraße, Friedrichstraße, Wilhelmstraße und Puttkamerstraße ein. Innerhalb der einstigen barocken Stadterweiterung ist es der einzige Block, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der stark zerstörten südlichen Friedrichstadt einheitlich und in einem Zug von nur einem Architekturbüro beplant wurde. Die 22 Häuser der Anlage wurden zwischen 1973 und 1976 in zwei Bauabschnitten als unterkellerte Massivbetonbauten mit Flachdächern in Schottenbauweise und unter Verwendung von Beton-Fertigteilen ausgeführt. Sie bilden eine Blockrandbebauung und schließen einen großen gärtnerisch angelegten Innenhof ein, unter dem sich eine in zwei Abschnitte unterteilte Tiefgarage befindet. Baukörper und Fassaden sind innerhalb eines formalen Kanons differenziert gestaltet und auf die jeweiligen städtebaulichen Situationen bezogen, so dass sich die Anlage in die Umgebung einfügt, dabei aber als selbstbewusst gestaltete Gesamtheit ablesbar bleibt. Werner Düttmann realisierte hier eine für ihn typische Komposition kantiger Volumina. Formal befand er sich ganz auf Höhe seiner Zeit und in vielen, fast zitatartigen Details seiner Architektursprache bezog er sich explizit auf den modernen Siedlungsbau der 1920er Jahre. Die Fassaden sind durch die hervortretenden Loggien und Treppenhäuser rhythmisch gegliedert. Die Wandflächen sind farbig verputzt.Einen hohen sozialen Anspruch zeigte Düttmann vor allem mit den besonders gut durchdachten Wohnungsgrundrissen, die innerhalb der sehr engen formalen und finanziellen Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus unerwartet großzügige und lebenswerte Raumqualitäten aufweisen. Durch breit gefächerte Wohnungstypen konnte er Angebote für unterschiedliche Nutzergruppen schaffen: Neben Familienwohnungen finden sich Atelier-, Maisonette- und Penthaus-artige Dachwohnungen, letztere mit großen Sonnenterrassen. Bemerkenswert sind auch die Hochparterrewohnungen zur Hedemannstraße, die durch die zurückgesetzte Bauflucht in Verbindung mit großen, fast ein Meter erhöhten Terrassen und Pflanztrögen mit einem ungewöhnlichen privaten Außenraum versehen und nach Süden über die gesamte Breite durch raumhohe Fenster belichtet sind.Ungeachtet der damals peripheren Lage in der Nähe der Berliner Mauer und lückenhaften Umgebungsbebauung ordnete Düttmann entlang der Friedrich- und der Wilhelmstraße Geschäfte an. Wenngleich absehbar war, dass zumindest mittelfristig die einstige Zentrumslage nicht wieder erreicht werden würde, so gab er, indem er unterschiedlich große Ladengeschäfte anordnete, den Glauben an das Wiederaufleben der Friedrichstraße als Geschäftsstandort nicht auf.Kein Neubauprojekt der 1950er und 1960er Jahre in der Berliner Innenstadt war bis zu dieser Zeit dem historischen Stadtgrundriss gefolgt. So orientieren sich zum Beispiel die in den 1960er Jahren östlich der Alten Jakobstraße errichteten Siedlungsbauten (Otto-Suhr-Siedlung, Spring-Projekt) vor allem an der Verkehrsplanung und folgten dem gängigen Leitbild einer aufgelockerten und stark durchgrünten Stadt. An der Wohnbebauung Hedemannstraße/Friedrichstraße lässt sich ein Wandel der städtebaulichen Haltung ablesen: Düttmann schuf mit dieser Anlage wie auch mit den etwas früher entstandenen Rundbauten am Mehringplatz innerhalb der Strukturen der einstigen barocken Stadt eine in den frühen 1970er Jahren gänzlich neuartige Synthese aus Stadtreparatur, identifizierbarer Bauform und modernen, an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Wohnungen, ganz ohne formalen Zwang. Die Wohnanlage macht auf besonders anschauliche Weise einen städtebaulichen Paradigmenwechsel ablesbar, eine Hinwendung zur durchmischten und durch historische Erinnerungen geprägten Stadt. Damit liegt hier ein frühes und bemerkenswertes Bindeglied zwischen einer funktionalistischen Architektur nach Vorbildern der 1920er Jahre und der kritischen Rekonstruktion traditionellen (Berliner) Städtebaus mit Blockrandbebauungen vor, die 1978 in Vorbereitung der Internationalen Bauausstellung 1984/87 mit einem Bekenntnis zu "Verflechtung und Pluralität" in der Stadt als neues Paradigma aufgestellt wurde.

Literatur:

  • Düttmann, Werner: Verliebt ins Bauen, Architekt für Berlin 1921-1983. Bearbeitet von Haila Ochs. Basel/Boston/Berlin 1990 / Seite 202-211, 253, 305
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 130 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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