Denkmaldatenbank

Kath. St.-Clemens-Kirche und Gesellenhospiz (Kolpinghaus)

Obj.-Dok.-Nr. 09097787
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Stresemannstraße 66
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche kath. & Hospiz
Datierung 1910-1911
Bauherr Katholische Kirchengemeinde St. Hedwig in Berlin
Entwurf Bunning & Weber (Architektensozietät)

Die Kath. St.-Clemens-Kirche (1) mit angeschlossenem Gesellenhospiz oder Kolpinghaus (2) in der Stresemannstraße 66 wurde 1910-11 auf Veranlassung von Clemens August Graf von Galen, dem späteren Bischof von Münster, erbaut. Graf von Galen war zu dieser Zeit Präses des Berliner Gesellenvereins und zwischen 1911-19 auch Seelsorger der Gemeinde St. Clemens. Er beteiligte sich finanziell an dem Kirchenbau und setzte dafür seine Erbschaft ein. (3) In dem neuen Kolpinghaus, das im Vergleich zu seinen Vorgängerbauten erheblich vergrößert worden war, konnten wandernde Handwerkergesellen der katholischen Gesellenvereine zeitweise wohnen und die Infrastruktur des Vereins wie religiöse, wirtschaftliche und soziale Fortbildung, eine eigene Sparkasse sowie die Bibliothek nutzen. Versorgt wurden sie von Schwestern der Kongregation der Grauen Schwestern, die einen eigenen Flügel bewohnten. Die Nähe des Anhalter Bahnhofs war mitentscheidend für die Auswahl des Standorts. Aus Kostengründen und wegen der dichten Bebauung im Viertel um den Anhalter Bahnhof konnte nur noch in einem Blockinnenbereich gebaut werden, was in Berlin bei Kirchen, aber auch bei Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden nicht selten ist. Die gesamte Anlage bestand aus einem Wohnhaus mit Seitenflügel an der Stresemannstraße, der Kirche, dem Schwesternflügel, dem Kolpinghaus mit Wohnmöglichkeiten für 200-400 Gesellen und einem Wohnhaus mit Geschäftsräumen an der Wilhelmstraße 122. Den Komplex entwarfen die Architekten Bunning & Weber, die mehrfach für die katholische Kirche gearbeitet haben. Nach Kriegszerstörungen und Abrissen sind von dieser Anlage noch der Seitenflügel zur Stresemannstraße, die Kirche, der Schwesternflügel und Teile des Kolpinghauses erhalten. Den ersten Hof flankiert der erhaltene Seitenflügel, ein als Torgebäude gestaltetes Querhaus bildet den Übergang zum nächsten Hof. Dort befindet sich das Kirchengebäude sowie das Schwesternhaus. Im dritten Hof sind große Teile des Gesellenhauses auf der Nord- und Westseite erhalten. Die Gebäude des vierten Hofs sind nicht überliefert. Die vier- und fünfgeschossigen Gebäude sowie die Kirche sind gekennzeichnet durch einen Wechsel von roten ziegelsichtigen und hellen geputzten Flächen sowie durch die Kombination vor- und zurückspringender Gebäudeteile und verschiedenster Fenster- und Dachformen. Ornamental besonders hervorgehobene Strukturen verweisen auf eine wichtige Funktion.

Die südliche Seitenschiffsfassade der Kirche ist den Jochen entsprechend durch Lisenen gegliedert und mit Rundbogenfriesen geschmückt. Der Architekt hob den repräsentativen Doppeleingang der Kirche durch reiche Ornamentik hervor. Der Obergaden des Langhauses ist dagegen schlicht überliefert. Die Fassade der Sakristei, die südlich an den Chor anschließt, ist gekennzeichnet durch vier rundbogige Nischen, die fast die gesamte Höhe der Wand einnehmen. Das Schwesternhaus bildet den Südflügel und das Quergebäude des zweiten Hofs. Im Erdgeschoss befindet sich ein großer Saal. Über den hohen Halbrundfenstern des Saals bezeichnet eine Arkade aus vier Bündelsäulchen eine Terrasse, die den Übergang vom Schwesternhaus zur Kirche bildet. Der Eingang des Gesellenhauses im ehemaligen dritten Hof tritt erkerartig hervor. Ein Relief mit der Inschrift "Gott segne das ehrbare Handwerk" verweist auf die Funktion des Gebäudes, in dem die Gesellen untergebracht wurden.

Bei der Kirche handelt es sich um eine basilikale Emporenanlage mit rechteckigem Chorabschluss im Osten. Der Grundriss gliedert sich in einen fünfschiffigen Westbau sowie ein dreischiffiges Langhaus. Der über vier Stufen erreichbare Chor wird an der Nordseite von einem ebenfalls erhöhten Nebenchor erweitert, während sich auf der Südseite die Sakristei anschließt. Der Aufriss ist dreizonig mit Zwillingsöffnungen in Höhe der Empore, worüber sich jeweils ein großes Fenster befindet. Die Stützen wechseln zwischen einfachen Pfeilern und reich verzierten romanisierenden Säulen. Der Innenraum ist weiß verputzt, die Säulen sind beige gefasst und die hölzernen Ausstattungselemente dunkel gehalten. Die Ostwand des Chors ist mit einem 1927 nach Entwurf von Prof. Paul Plontke angefertigten farbigen Mosaikbild auf hellbrauner Wandfarbe geschmückt. Es stellt Christus als guten Hirten dar. (4)Das katholische Zentrum in Kreuzberg ist auch für den Jesuitenorden in Berlin von Bedeutung. Als 1917 das Jesuitenverbot aufgehoben wurde, das seit dem "Kulturkampf" 1872 bestand, siedelten sich erstmals offiziell Jesuiten in St. Clemens und dem Kolpinghaus an. 1919 übernahmen sie von Graf von Galen die Kuratie der Gemeinde.

1942 wurden die Gebäude von der Gestapo eingezogen. Einsprüche von hochrangigen Geistlichen gegen die Beschlagnahmung der Kirche blieben erfolglos. Der Komplex wurde fortan als SS-Kameradschaftsheim genutzt. 1945 richtete die Waffen-SS kurzfristig einen Verteidigungsstab auf dem Grundstück ein.

Nach dem Krieg wurden die vielen Gästezimmer Kriegsflüchtlingen zur Verfügung gestellt, die vom nahegelegenen Anhalter Bahnhof kamen. Das Durchgangslager im Gesellenhaus konnte 200 bis 300 Personen pro Nacht aufnehmen. In der Folgezeit nutzten sehr viele verschiedene Gruppierungen die Räumlichkeiten auf dem Gelände, unter anderem das Canisius-Kolleg, ein Jugendgästehaus und die kroatische katholische Mission. Heute wird die St.-Clemens-Kirche von Vinzentinerpatres aus Edappally/Kerala als Exerzitienzentrum betrieben. Im Gesellenhaus ist ein privates Hostel untergebracht.


(1) Lorenz, Marina: St. Clemens. Ausbau und Umnutzung der St.-Clemens-Kirche in Berlin-Kreuzberg. Diplomarbeit, Berlin 2004; BusB VI, Sakralbauten, S. 393; St. Clemens Berlin 1911-1961, Festschrift, Berlin 1961; Streicher, Gebhard/Drave, Erika: Berlin. Stadt und Kirche, Berlin 1980, S. 140, 278-279; Das Altarmosaik der St. Clemenskirche zu Berlin, hrsg. v. Oscar Gehrig. Rostock 1928.

(2) Der katholische Priester und Sozialreformer Adolf Kolping gründete ab 1850 eine große Anzahl katholischer Gesellenvereine. Für wandernde Gesellen wurden Gesellenhospize, auch Kolpinghäuser genannt, eingerichtet. Der Namenspatron der Kirche, der hl. Clemens Maria Hofbauer (1751-1820) war Bäckergeselle und von Adolf Kolping zum Leitheiligen der Gesellenvereine ausgewählt worden.

(3) Clemens August Graf von Galen (1878-1946) prangerte 1941 in Predigten das nationalsozialistische Euthanasieprogramm und die Übergriffe der Nationalsozialisten gegen die katholische Kirche an. Das Euthanasieprogramm wurde daraufhin aus Rücksicht auf die aufgebrachte Bevölkerung zumindest offiziell eingestellt. 1946 wurde Graf von Galen von Papst Pius XII. zum Kardinal erhoben. 2005 sprach ihn Papst Benedikt XVI. selig.

(4) Ausgeführt wurde es von den Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff, Berlin.

Literatur:

  • BusB VI 1997 / Seite 393
  • Streicher, Gebhard; Drave, Erika: Berlin, Stadt und Kirche, Berlin 1980. / Seite 140, 278-279
  • Gehrig, Dr. Oscar (Hrsg.): Das Altarmosaik der St. Clemenskirche zu Berlin. Rostock 1928.
    Lorenz, Marina: St. Clemens, Ausbau und Umnutzung der St. Clemens-Kirche in Berlin-Kreuzberg. Diplomarbeit, Berlin 2004.
    St. Clemens Berlin 1911-1961, Fe / Seite .
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 156 ff.

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Landesdenkmalamt Berlin
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