Denkmaldatenbank

Etagenfabrik mit Geschäftshaus

Obj.-Dok.-Nr. 09097780
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Kohlfurter Straße 41, 42, 43

Kottbusser Straße 10
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Etagenfabrik & Geschäftshaus
Datierung 1912
Entwurf Streubel, Hermann (Architekt)
Bauherr Firma Gebrüder Israel

Das Quartier zwischen der Kottbusser Straße und dem ehemaligen Verlauf des Luisenstädtischen Kanals wurde in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts dicht mit Mietshäusern bebaut. Zwischen ihnen befinden sich einige Industriebauten und diverse Versorgungsbauten.

Ein Beispiel für Industrieproduktion inmitten eines Wohnviertels ist die sehr gut erhaltene fünfgeschossige Etagenfabrik auf dem Grundstück Kohlfurter Straße 41-43 und Kottbusser Str. 10. Meist lagen die Berliner Etagenfabriken in den Innenhöfen, hinter der Wohnbebauung. In diesem Fall musste aber, wegen der Größe der Produktionsstätte, ein Fabrikflügel entlang der ansonsten dem Wohnen vorbehaltenen Kohlfurter Straße gebaut werde. Das Fabrikgebäude besitzt zwei Seitenflügel und ein Quergebäude. Zur Kottbusser Straße hin zeigt sich der Komplex ausschließlich mit einem dreiachsigen klassischen Geschäftshaus. Die Fabrik wurde 1912 nach Plänen des Architekten Hermann Streubel für Felix Israel errichtet, den Direktor der Firma Gebr. Israel, ein im In- und Ausland als Großexporteur von Lampen bekanntes Unternehmen.

Die 1908 gegründete Firma stellte neben Beleuchtungskörper auch Gas- und Wasserarmaturen her. Während des Ersten Weltkriegs produzierte Israel zudem Pickelhauben.

Die Gewerbeanlage wurde zunächst alleine von der Lampenfabrik genutzt und erst ab dem Jahr 1926 an weitere Firmen vermietet. Im Zuge der Wirtschaftkrise 1931 gab der Fabrikbesitzer Felix Israel seinen Direktorenposten auf. 1933 musste er als Jude nach Spanien emigrieren und wanderte 1941 über Havanna nach New York aus. 1933 fusionierte die Firma Gebr. Israel AG mit der in Schwierigkeiten geratenen Lampenfabrik Frister aus Oberschöneweide zur Israel-Frister AG. Im Zuge der "Arisierung" musste 1936 der Nachfolger Felix Israels, der jüdische Geschäftsmann Walter Goldberg, von seinem Amt zurücktreten. Die in Frister AG umbenannte Fabrik für Beleuchtungskörper bestand bis zu ihrer Zwangsversteigerung 1964.

Der Gewerbehof wurde in Stahlskelettbauweise errichtet. Seine überwiegend zweihüftigen, nur durch eine Pfeilerreihe geteilten und durch große Fenster sehr gut belichteten Etagen werden durch vier Treppenhäuser erschlossen. Die Fabriketagen lassen sich durch flexibel einsetzbare Zwischenwände frei einteilen. Daher konnte man dort gleichermaßen Produktionsräume wie Verwaltungs- oder auch Lager- und Verkaufsflächen unterbringen. Umnutzungen waren leicht möglich. Drei elektrisch betriebene Lastenaufzüge ermöglichten den vertikalen Gütertransport. Das an das Quergebäude anschließende Geschäftshaus Kottbusser Straße 10 enthielt im Erdgeschoss ein Ladengeschäft. In den darüberliegenden Stockwerken waren weitere Arbeitsräume der Lampenfabrik untergebracht. (1)

Die Etagenfabrik besitzt zur Kohlfurter Straße eine Pfeilerfassade, die in ihrer Struktur den dahinterliegenden Stahlskelettbau abbildet und ihn gleichzeitig veredelt. Sie besteht aus einem Erdgeschoss mit Ziegelsockel und Putzrustika, drei Hauptgeschossen mit sehr großen gleichartigen Sprossenfenstern, getrennt durch pilasterartige Wandvorlagen, und einem Mezzaningeschoss, das durch eine durchgehende schmale Verdachung von den Hauptgeschossen abgetrennt ist. Die mittleren fünf Achsen sind besonders hervorgehoben durch Kanelluren in den Pilastern, zusätzlicher Rustika im ersten Obergeschoss und einer aufwendigeren Fenstergliederung. Man könnte diesen mittleren Abschnitt als die Projektion einer Geschäftshausfassade auf den in ganzer Länge einheitlich strukturierten Fabrikbau bezeichnen. Dieser Aufwand wurde betrieben, um die Wohnstraße nicht durch eine minderwertige Fabrikarchitektur zu verunstalten.

Die dreiachsige Straßenfassade des Geschäftshauses Kottbusser Straße 10 ähnelt in Aufbau und Gliederung der Straßenfassade der Etagenfabrik. Die Mittelachse mit Eingang wird durch eine lisenenartige Binnengliederung der Fensterachsen und zwei reliefbesetzte Brüstungsfelder in den Hauptgeschossen hervorgehoben. Die beiden Reliefs zeigen antikisierende Allegorien des Töpfer- und des Schmiedehandwerks. Sie sollen vermutlich die Anfänge der Lampenherstellung veranschaulichen. Korbbogenfenster zeichnen das dritte Obergeschoss des Gebäudes aus. Das durch ein Gesims abgetrennte mezzaninartige Geschoss zeigt mit seinen dreigeteilten Fenstern eine schlichtere Gliederung als das Mezzanin der Etagenfabrik.

Die Fassaden der Innenhöfe bestehen aus einem Raster aus fünfgeschossigen Pfeilern und Fensterbändern aus breiten dreiteiligen Holzfenstern. Die Pfeiler der Innenhöfe sind mit weiß glasierten Spaltklinkern gerahmt. Einzige Dekoration der Hoffassaden sind abstrakte Kapitellandeutungen aus braun glasierten Ziegeln und ein Zahnschnittfries aus weißen Verblendern unterhalb der Traufe.


(1) Das benachbarte ältere Wohn- und Geschäftshaus Kottbusser Straße 9 wurde im Zuge der Errichtung des Gewerbekomplexes in die Anlage mit einbezogen. Das Gebäude erhielt eine Durchfahrt zum dritten Hof und später auch noch eine Verbindung zum Geschäftshaus Kottbusser Straße 10. In der Kottbusser Straße 9 befand sich das Kontor der Gebr. Israel und zeitweise auch die Wohnung des Eigentümers Felix Israel, bis dieser 1923 in seine von Paul Zucker neu erbaute Villa in der Winkler Straße 2, Berlin-Grunewald einzog.

Literatur:

  • F. H. Fiebig; D. Hoffmann-Axthelm; E. Knödler-Bonte: Kreuzberger Mischung, Berlin 1985. / Seite 72-74
  • D. Ziegeler; M. Janetzko; I. Köhler; J. Iserloh: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, Bd. 2, München 2006. / Seite 261-268
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 297 ff.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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