Denkmaldatenbank

Philips-Apparatefabrik

Obj.-Dok.-Nr. 09097758
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Mariendorf
Adressen Ullsteinstraße 73
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Fabrik
Datierung 1955-1956
Umbau 1960-1961
Entwurf Noth, Herbert
Ausführung Dycherhoff & Widmann (Bauunternehmen)
Bauherr Deutsche Philips GmbH

Die "Deutsche Philips GmbH" wurde 1926 in Berlin gegründet. 1945 zog die Hauptverwaltung nach Hamburg. 1948 produzierte Philips in der Apparatefabrik Berlin-Charlottenburg wieder Radios (Auto-Super und Berlin-Super), ab 1953 auch Plattenspieler, Tonbandgeräte und Rasierer. 1955-1956 wurde eine neue Philips-Apparatefabrik in der Ullsteinstraße 73 gebaut und die Charlottenburger Fabrik aufgegeben. In Tempelhof produzierte Philips zunächst Plattenspieler, Tonbandgeräte und Ventilatoren. 1959-61 musste die neue Apparatefabrik bereits erweitert werden. 1993 stellte Philips die Produktion in Berlin ein.

In West-Berlin konnte sich die Industrieproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg nur unter Schwierigkeiten wieder etablieren. Große Teile der Industrieanlagen aus der Vorkriegszeit waren zerstört, beschädigt oder demontiert. Die Teilung der Stadt, die Insellage Berlins und Ost-West-Spannungen (z.B. die Blockade) verhinderten zunächst den Aufbau von Industriekapazitäten, die auch nur annähernd an den Vorkriegsstand heranreichten. Viele Industriekonzerne verlegten ihre Hauptverwaltungen in die sichere Bundesrepublik. Trotzdem wurden erste Produktionsstätten an alten Standorten in wiederaufgebauten beziehungsweise. reparierten Fabriken eingerichtet. Eine enge Verflechtung der Berliner Wirtschaft mit der Bundesrepublik und dem westlichen Ausland erhöhte die Wirtschaftskraft der Stadt (Arbeitsplätze, gute Lebensbedingungen) und garantierte die Lebensfähigkeit West-Berlins. Insbesondere die Elektroindustrie, die vor dem Krieg der Motor der Berliner Wirtschaftsentwicklung gewesen war, wurde wiederbelebt. Ab 1955 entstanden in größerem Umfang neue Fabriken. In der Regel legte man sie in die Außenbezirke, die Innenstadt sollte dem Geschäftsleben und dem Wohnen vorbehalten bleiben.

Die Philips-Apparatefabrik ist ein hervorragendes Beispiel für diese Entwicklung in der Berliner Industriegeschichte. "Berlin und seine Bauten" publizierte 1971 Industriebauten aus der Nachkriegszeit. Die Philips-Fabrik ist nach einem Bautyp errichtet, der in Berlin mehrfach verwendet wurde: Ein Hochbau mit der Betriebsverwaltung wird mit großen quadratisch/rechteckigen Hallen mit Zeiss-Dywidag-Schalensheds kombiniert. Die Philips-Fabrik ist die älteste Anlage dieser Art in Berlin und hat vor den anderen den Vorteil, dass sie fast vollständig - mit einigen Erweiterungen von 1960-61 - im Zustand der Erbauungszeit erhalten ist. Kern der Philips-Apparatefabrik ist die beliebig unterteilbare große Werkshalle (Shedhalle) mit einem zweistöckigen Kopfbau für Betriebsbüros und Nebenräume (Waschräume, Garderoben usw.). Die Hallenkonstruktion ist vierschiffig angelegt. Die geschwungenen Pfeiler tragen am Fuß der Sheds Rinnenträger, die die Stahlbetonschalen von 6,5 cm Dicke aussteifen. Kopfbauten und Verwaltungsbau sind aus Stahlbetonskeletts konstruiert. Der fünfgeschossige Verwaltungstrakt schließt rechtwinklig zum Kopfbau an und endet mit seiner über das Erdgeschoss vorkragenden Schmalseite an der Ullsteinstraße. Der Verwaltungsbau ist dadurch mit dem Produktionsbereich verbunden, aber gegen eventuelle Belästigungen abgeschirmt. Die Zufahrt auf der östlichen Seite führt auf den Fabrikhof an ein gläsernes Pförtnerhaus und weiter zu den Verladerampen im hinteren Bereich. Östlich der Halle befindet sich ein Kesselhaus mit Transformatorenstation. Abgeschirmt von Produktion und Verkehrswegen öffnet sich westlich vom Verwaltungstrakt ein einstöckiges Kantinengebäude in eine Gartenanlage. Die dazugehörige Küche nimmt einen Teil des Erdgeschosses des Verwaltungsbaus ein.

Hinter der Werkshalle ließ die Philips AG 1960 eine zusätzliche Lagerhalle mit zweigeschossigem Bürovorbau errichten. Die Shedhalle wurde 1961 nach Süden erweitert. Der ursprünglich dreistöckige Verwaltungstrakt erhielt 1960 zwei zusätzliche Geschosse. Alle Erweiterungen waren in der Konstruktion der Ursprungsbauten bereits vorbereitet.

Die Gebäude, Hochbauten (Verwaltung), Hallen (Produktion, Lager) oder Flachbauten (Versorgung, Nebenräume) sind vielseitig nutzbar und lassen sich mühelos an neue Produktionen anpassen. Die Anlage ist so kompakt wie möglich und so differenziert wie nötig gestaltet.

Der Architekt Prof. Dipl. Ing. Herbert Noth (1907-1967) führte ein Büro in Berlin-Charlottenburg und war über seine Büroarbeit hinaus seit 1947 Professor an der Hochschule für Bildende Künste Berlin. Bei der Gestaltung der Fabrik betonte er Funktion und Konstruktion. Die Betonkonstruktion aller Bauten (Schalen und Skeletts) ist in Sichtbeton belassen. Bürobauten sind großzügig belichtete Rasterbauten. Ihre Brüstungsfelder und Seitenwände sind mit hellen Klinkern verkleidet. Die Produktionsbereiche sind dagegen nur mit gelbem Ziegelmauerwerk verblendet. Die Erweiterungsbauten bestehen vollständig aus Ziegelmauerwerk. Der Architekt setzte zeitgenössische Formen ein, die rationell und ohne Bezug zur Vergangenheit aus der Konstruktion entwickelt sind - ein endgültiger Abschied von der Trümmerzeit und der Wiederherstellungsphase. Helligkeit im Inneren durch großzügige Verglasung und die Entmonumentalisierung der Baumassen durch zweckmäßige Anordnung und Rastersysteme im Äußeren bestimmen den Gesamteindruck.

Großen Wert legte der Architekt auf gute Arbeitsbedingungen sowohl im Produktions- als auch im Verwaltungsbereich. Belichtung, Belüftung, Lärmschutz, Arbeitsabläufe und Sozialbereiche (Waschräume, Kantine) sind bestens organisiert. Die Belichtung des einstöckigen Kantinenanbaus erforderte einen zusätzlichen Aufwand. Weil eine Längsseite nach Norden liegt und die Südseite von der Halle verschattet wird sind die Fenster sägezahnartig nach Westen geöffnet und die Lichtzufuhr wird durch Luxferprismen im Oberlicht weiter verbessert. Repräsentative Innengestaltungen gibt es in der Eingangshalle des Verwaltungsgebäudes mit der für die 1950er Jahre typischen freistehenden Treppe und einer großflächigen Verglasung und in der Gestaltung der Kantine.Die Ausführung des Fabrikbaus übernahm die Firma Dyckerhoff & Widmann. Insbesondere die Schalenkonstruktion der Shedhalle geht auf diese Firma zurück (System Zeiss-Dywidag).

Gebäudestruktur, Bautechnik, Größe und Organisation der Apparatefabrik stehen für den Neuanfang der West-Berliner Industrie unter den stark veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der Nachkriegszeit. Die Fabrik veranschaulicht den Beginn des Wirtschaftswachstums in der Mitte der 1950er Jahre in einen Schlüsselbereich: die Konsumgüterproduktion der Elektroindustrie.

Literatur:

  • Neubau Apparatefabrik der Deutschen Philips GmbH in Berlin-Mariendorf, in: Zentralblatt für Industriebau, 8/1957 / Seite 267-287
  • BusB IX 1971 / Seite 78-83 & 110
  • Biographie Herbert Noth: Stadt und Bezirk Charlottenburg, Berlin 1961 / Seite 649
  • Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 140ff.
  • Noth, Herbert: Zweckgerechte Arbeitsmöbel für Büro und Wohnraum, München 1957

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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