Denkmaldatenbank

Kath. Kirche Maria Frieden

Obj.-Dok.-Nr. 09097757
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Mariendorf
Adressen Kaiserstraße 29
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche kath.
Datierung 1967-1969
Entwurf Maiwald, Günter

Mit dem Anwachsen der Einwohnerzahlen in der Gemeinde Mariendorf nach der Jahrhundertwende stieg auch die Anzahl der katholischen Christen an. 1919 wurde in der Kaiserstraße eine Baracke als Notkapelle errichtet, die, um an das Kriegsende zu erinnern, den Namen "Maria Frieden" erhielt. 1934 entstand anstelle der Kirchenbaracke eine Notkirche. Die Kuratie wurde 1940 zur Pfarrei erhoben. 1963 beschloss die Gemeinde hier einen Neubau zu errichten. Der Grundstein für die neue Kirche Maria Frieden in der Kaiserstraße 29 wurde im April 1967 gelegt, und im April 1969, nach zwei Jahren Bauzeit, konnte die Gemeinde die Kirchenweihe feiern. Das Gemeindezentrum hinter der Kirche wurde 1973 fertiggestellt. Maria Frieden war der zweite Kirchenbau des gefragten Kirchenarchitekten Günter Maiwald (geb. 1929). In den 1970er und 1980er Jahren errichtete er in Berlin sechs weitere katholische Kirchen und Gemeindehäuser. 1988 wurde in Maria Frieden das von Otto Dix gemalte Altartriptychon "Madonna vor Stacheldraht und Trümmern" aufgestellt. Kardinal Georg Sterzinsky verlieh diesem Bild den Namen "Unsere liebe Frau von Berlin". Die Kirche Maria Frieden hat seitdem den Rang einer Wallfahrtskirche. Zum Marienbild werden monatlich Wallfahrten durchgeführt.

Die Kirche Maria Frieden wirkt mit ihrem beherrschenden Glockenturm in die Kaiserstraße hinein, ist aber vom Straßenraum etwas zurückgesetzt. Der Sichtbetonbau erhebt sich über einem ungleichseitigen rautenförmigen Grundriss. Dem Gottesdienstraum sind an allen vier Seiten ebenerdige Anbauten angefügt, so dass sich im Grundriss ein gestauchtes Sechseck ergibt, das sich um die zentrale Raute legt. Die vorderen Anräume sind als Eingangsvorhallen gestaltet, während in den hinteren Räumen die Sakristei und die Marienkapelle untergebracht sind. Die Kirche erhält ihr markantes Aussehen durch das über dem Gottesdienstraum ausgeführte Betondach in Form eines hyperbolischen Paraboloids mit spitz herausgezogenen Hochpunkten über dem Altar- und Eingangsbereich. Die Bewegung der vorderen, kielförmig vorstehenden Spitze wird durch den freistehenden Kirchturm aufgefangen, der sich auf einem dreieckigen Grundriss erhebt. In den dreieckigen Schacht ist eine kubische Glockenstube eingestellt, die an zwei Seiten als Schallerker aus den glatten Seitenflächen hervortritt. Die beiden hinteren Betonscheiben bilden spitz zulaufend eine Art Krone, wobei die höchste Spitze ein weithin sichtbares vorgesetztes Kreuz trägt.

Der Altar ist gegenüber dem Eingangsbereich auf einem erhöhten, dreiseitig hervorgezogenen Altarpodest aufgestellt. Auf ihn sind die drei Bankblöcke ausgerichtet. Unter dem stützenlosen Dach aus Sichtbeton, das wie ein Zelt geschwungen ist, verläuft ein schmales Fensterband. Aus diesem Fensterband ist im Altarbereich eine rechteckige Fensterbahn herausgezogen, die mit ihrem Glasgemälde den Altar hinterfängt. Dieses Fenster wird indirekt über einen Lichtschacht belichtet, denn in der dahinter liegenden Spitze befindet sich der rückwärtige Kircheneingang, der die Gemeinderäume im Kellergeschoss erschließt. Gegenüber dem Altarbezirk ist die Orgelempore angeordnet, zu der eine Wendeltreppe führt. Die charakteristischen schalungsrauhen Betonflächen im Gottesdienstraum sind weiß gestrichen. Der Fußboden ist mit schwarzem Naturstein aus Udine in Italien belegt.

Das umlaufende Fensterband und das Chorfenster sind von dem Glaskünstler Paul Ohnesorge entworfen worden. Während die der schmale Fensterstreifen eine abstrakte farbige Gestaltung zeigt, enthält das Chorfenster eine monumentale bildliche Darstellung. Man erkennt den gekreuzigten Christus, der von den Marterwerkzeugen umgeben ist. Die Fenster wurden in der Werkstatt von Wolfgang Perbandt aus geschmolzenem Altglas und Industrieglas zusammengesetzt. Die liturgische Ausstattung des Altarraums gestaltete der Berliner Bildhauer Paul Brandenburg, der seit den 1960er Jahren in vielen katholischen Kirchen tätig war. Als Altar dient ein kristalliner ungeschliffener Marmorblock, der zur Mitte und an den Seiten aufgebrochen ist. Der Ambo ist aus grauem Sichtbeton hergestellt, während der Tabernakel mit verzierten Aluminiumplatten umkleidet ist.

Die in Kunststein hergestellten Kreuzwegreliefs wurden aus der 1934 eingeweihten Notkirche übernommen. Werner Gailis, Bildhauer und Professor an der Akademie der Künste, schuf die beiden Bronzefiguren unter der Orgelempore, die in schlichter Gewandung dargestellte Maria und den jugendlichen hl. Antonius mit Lilie und Buch. Der Bereich um den Taufstein, ebenfalls unter der Orgelempore, wurde 1994 neu gestaltet. Die Reliefs und Plastiken in Aluminiumguss schuf Paul Brandenburg.Für die beiden Portale der Eingangsseite entwarf Paul Corazolla 1970 ein umfassendes theologisches Bildprogramm. Die Darstellungen sind - gleichsam wie Radierungen - in Aluminiumblech geätzt. Im rechten Portal erscheint Maria, die Gottesmutter, die den Frieden mit Gott symbolisiert. Das linke Portal verbildlicht Unfrieden und Zerstörung. Man erkennt Adam und Eva und den einstürzenden Turm zu Babel.

Das wertvollste Kunstwerk in der Kirche Maria Frieden ist das dreiteilige Andachtsbild "Madonna vor Stacheldraht und Trümmern", das seit 1988 in der Marienkapelle gezeigt wird. Otto Dix schuf dieses Bild 1945 in einem französischen Gefangenenlager in Colmar. Dix hatte sich in seiner Schaffensphase seit den 1930er Jahren sehr stark der altdeutschen Malerei des 15. Jahrhunderts angenähert. Es überrascht daher nicht, dass das Bild deutliche Anklänge an Grünewalds Isenheimer Altar zeigt. Die Madonna mit dem Christuskind sitzt in einem aus Stacheldraht gebildeten "hortus conclusus" vor der bewegten Berglandschaft der Vogesen. Auf den Seitenflügeln sind die in Ketten gelegten Apostel Petrus und Paulus zu erkennen. Paulus erhebt seine Arme vor einem zerstörten Gebäude, während Petrus zur Lichtgestalt eines Engels aufblickt, die ihm Befreiung verheißt. Die Apostel sind hier als Mitgefangene und Mitleidende aufgefasst. Das Bild galt viele Jahre lang als verschollen, bis es 1987 im Kunsthandel angeboten wurde. Der Berliner Senat kaufte es und überließ es als Dauerleihgabe der katholischen Kirche. Als Andachtsbild hält es die Erinnerung an die Leiden des Kriegs wach. Zugleich drückt die Muttergottes die Hoffnung auf den Frieden Gottes aus.

Günter Maiwald hat der Kirche Maria Frieden eine markante und sehr bildhafte Gestalt gegeben. Mit dem schwingenden Betondach wirkt die Kirche wie ein Zelt. Das entspricht der Aufassung, nach der die Kirche als wanderndes Gottesvolk zu verstehen ist, das keine dauerhafte Bleibe auf Erden hat. Der Zeltdeutung wird verschiedentlich entgegengesetzt, dass die Mariendorfer Kirche auch als Schiff mit hochgezogenem Bug angesehen werden kann, wobei der Glockenturm den Mast darstellt. Schon seit frühchristlicher Zeit ist das Bild des Schiffes oder der Arche als Sinnbild für Kirche gebräuchlich. Unabhängig davon, welche Deutung der Architekt in seinen Kirchenbau gelegt haben könnte, steht fest, dass er einen sehr ausdrucksstarken Kirchenbau geschaffen hat.

Die bildhafte Wirkung wird vor allem durch das geschwungene, als Hyparschale konstruierte Dach vermittelt. Es muss als bautechnische Meisterleistung der 1960er Jahre bewertet werden. Die sehr dünne, reich bewegte Betonschale mutet sehr leicht an. Die geschwungene Form ergibt sich aus den mathematischen Gesetzmäßigkeiten moderner Hängedachkonstruktionen.

Günter Maiwald nutzte die gestalterischen Möglichkeiten, die das 1965 abgeschlossene Zweite Vatikanische Konzil für den Kirchenbau eröffnete. Er entwarf einen rautenförmigen Grundriss, der es möglich machte, den Altar tief in den Gottesdienstraum hineinzuziehen und die Bankblöcke sehr nahe an den Altarbezirk heranzuführen. Durch die dreiseitige Anordnung der Bänke zeigt der Kirchenraum erste Ansätze einer Zentralisierung. Es wird deutlich, dass der Altar der liturgische Mittelpunkt des Raumes ist. Günter Maiwald stellte das heraus, indem er hinter dem Altar ein großes Glasgemälde anordnete, das den heiligen Ort hinterfängt und heraushebt. Tabernakel und Ambo sind - nach den Richtlinien der liturgischen Konstitution - seitlich neben dem Altarbezirk angeordnet. Durch die absichtsvolle Lichtinszenierung liegt der Raum in einem Halbdunkel, das durch den farbigen Fensterstreifen unter dem Dach nur wenig aufgehellt wird.

Literatur:

  • Streicher, Drave/ Berlin - Stadt und Kirche. Berlin 1980 / Seite 104f. & 163f. & 326f.
  • Badstübner-Gröger/ Maria Frieden Berlin-Mariendorf. Regensburg 1994 / Seite 232f. & 426
  • Kirchen Berlin Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam. Berlin 2003 / Seite 288f.
  • Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 168f.
  • BusB VI 1997

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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