Denkmaldatenbank

Gleichrichterwerk Charlottenburg

Obj.-Dok.-Nr. 09096507
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Zauritzweg 15
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Gleichrichterwerk
Datierung 1922
Umbau 1979-1980
Entwurf Pitz, Helge (Architekt)
Entwurf Klingenberg und Issel (Architekt)
Bauherr Bewag?

Zwischen Leibniz- und Krumme Straße erstreckt sich nördlich der Bismarckstraße ein Gebiet, das von Wohnbauten und einem Schulgebäude aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt ist. Mittendrin, am Ende der Sackgasse Zauritzweg (1), fällt eine technische Anlage auf, die aus einem älteren Klinkergebäude und einem modernen, mit Zinkblechen und Eisengittern verkleideten Anbau besteht. Es handelt sich um das ehemalige Abspannwerk Knie, Zauritzweg 15, das 1922-24 von der AEG nach Entwurf von Walter Klingenberg und Werner Issel errichtet wurde. Mit einem 1979-80 von Helge Pitz angefügten Neubau dient es als Umspannwerk Zille noch immer der Stromversorgung Charlottenburgs. (2) Als eines der ersten Abspannwerke nach der Bildung der Stadtgemeinde Groß-Berlin im Oktober 1920 und dem Beschluss zur Vereinheitlichung der Stromerzeugung und -verteilung war das Gebäude im Auftrag der Städtischen Elektrizitätswerke (StEW) geplant worden, noch bevor ab 1923 die kommunalen Kraftwerke zur Bewag zusammengeschlossen wurden und ab 1924 Hans Heinrich Müller als Hausarchitekt für alle Bewag-Bauten verantwortlich war. (3)

Das Abspannwerk Knie, das den im Kraftwerk Charlottenburg produzierten Strom abspannte und verteilte, ist ein dreigeschossiges Gebäude mit roter Klinkerfassade, die von einem kräftigen Betongesims nach oben zum flachen Dach abgeschlossen wird. Die ferngesteuerte Warte war an der Nordseite im apsisartig gerundeten Vorbau angeordnet, der von einer Kolossalordnung mit schlanken Wandpfeilern zwischen hohen, rotbraun gerahmten Fenstern und mit Ziegelornamenten in den Brüstungsfeldern gegliedert ist. Die ungewöhnlich reich geschmückte Fassade lässt vermuten, dass in der Umstellungsphase der Energieversorgung für die neue Einheitsgemeinde Groß-Berlin die bis dahin selbstständige Stadt Charlottenburg noch eigene gestalterische Vorstellungen durchsetzen konnte. (4) 1979 war für den Neubau der drei Transformatorenzellen das alte Trafo- und Reglerhaus an der Ostseite des Abspannwerks abgerissen worden. Die drei rechteckigen Stahlbetonkuben nach Entwurf von Helge Pitz sind als frei stehende Baukörper ausgeführt, die sich nach oben zu mit Zinkblechen verkleideten Türmchen verjüngen. Im unteren Teil betonen Eisengitter die Vertikalstruktur der Fassade, die von den Blechen aufgenommen wird. Damit bezieht sich das Gebäude sowohl auf die vertikale Gliederung des Altbaus, vermittelt in seiner modernen Gestaltung aber auch zu den umgebenden Wohnbauten der 1960er Jahre.


(1) Der Zauritzweg, zuvor Teil der Weimarer Straße, war 1933 benannt worden nach dem Charlottenburger Polizisten Josef Zauritz (1897-1933), der am 30. Januar 1933 bei einem Aufmarsch der SA in der damaligen Wallstraße erschossen worden war und von der NS-Propaganda als Opfer von Kommunisten verehrt wurde. Später wurde ermittelt, dass vermutlich ein SA-Mann der Täter war, deshalb blieb der Straßenname unverändert. Vgl. Sauer, Bernhard: Goebbels "Rabauken", Zur Geschichte der SA in Berlin-Brandenburg. In: Dettmar, Klaus/Breunig, Werner (Hrsg.): Berlin in Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2006, Berlin 2007, S. 139.

(2) WMH 8 (1924), S. 9 f.; Bauamt und Gemeindebau 10 (1928), S. 92 f.; Deutsche Bauhütte 32 (1928), S. 70 f.; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 614 f.; BW 71 (1980), S. 1476 f., 1705; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen der 70er Jahre in Berlin, Berlin 1981, Nr. 258; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 159, Nr. 260; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. A (2), Anlagen und Bauten für Versorgung - Stadttechnik, Petersberg 2006, S. 258 f., 387; Elektropolis Berlin, Architektur- und Denkmalführer, hrsg. v. Thorsten Dame, Berlin 2014, S. 254/Nr. 212; Dahme, Thorsten: Walter Klingenberg und Werner Issel. In: Baumeister, Ingenieure, Gartenarchitekten, hrsg. v. J. Hänsel, J. Haspel u.a. (Historische Kommission Berlin u. Landesdenkmalamt, Bd. 11), Berlin 2016, S. 343-352. Die drei Transformatoren wurden 2014 erneuert. Vgl. www.stromnetz.berlin/de/pressemitteilung-16-05-2014.htm

(3) 1921 war ein neues Gesamtkonzept zur Vereinheitlichung der Energieversorgung Berlins entwickelt worden, das eine Stromerzeugung mit 30 kV und eine Verteilung von 6 kV vorsah, wofür ein umfangreiches Bauprogramm von zahlreichen Abspannwerken notwendig war. Am 24. November 1923 übernahm die neu gegründete privatrechtliche Gesellschaft Berliner Städtische Elektrizitätswerke AG (Bewag) den Betrieb der Anlagen der StEW von der Stadt Berlin im Rahmen eines Pachtvertrags, wobei die Stadt Eigentümer der Anlagen und Grundstücke blieb. Vgl. Kahlfeldt, Paul: Hans Heinrich Müller 1879-1951, Berliner Industriebauten, Basel-Boston-Berlin 1992, S. 41 ff.

(4) Walter Klingenberg (1861-1963) war der Bruder des Kraftwerks-Ingenieurs Georg Klingenberg (1870-1925), der das erste Charlottenburger Kraftwerk errichtet hatte, das seit 1910 im Besitz der Stadt war und ab 1924 umfangreich ausgebaut wurde. Vgl. Am Spreebord 5.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 614-15
  • Wasmuths Monatshefte für Baukunst 8 (1924) 9/10 / Seite 279
  • Bauamt und Gemeindebau 10 (1928) / Seite 92-93
  • Deutsche Bauhütte 32 (1928) / Seite 70-71

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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