Denkmaldatenbank

Olympia-Sportärztehaus

Obj.-Dok.-Nr. 09096481
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Waldschulallee 75
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Ärztehaus
Fertigstellung 1936
Entwurf Schellenberg, Otto (Architekt)
Bauherr Deutscher Sportärztebund

Zeitgleich mit dem Bau des Mommsenstadions entstanden weitere Sportplätze auf der Westseite der Waldschulallee, die das Gebiet bis heute prägen. Während der Olympiade 1936 wurden im Mommsenstadion Spiele des olympischen Fußballturniers ausgetragen. An die olympische Zeit erinnert auch das in der Nähe liegende Olympia-Sportärztehaus, Waldschulallee 75, das heute als Kindertagesstätte genutzt wird. (1) Den eingeschossigen Flachbau mit Walmdach auf annähernd quadratischem Grundriss zeichnen nicht nur eine besondere Konstruktionsweise, sondern auch eine bewegte Geschichte aus. Er entstand 1936 als Sportärztehaus für die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen, wo er als Haus am Gudiberg in weniger als drei Wochen als fabrikmäßig vorgefertigter Fertigteilbau aufgestellt wurde. (2) Nach den Spielen wurde das Gebäude auf Initiative des Sportärzteführers Ketterer nach Berlin transloziert und fand in Eichkamp an der Waldschulallee seine Aufstellung. Auf dem damals weitaus größeren Grundstück, das 1995 für die Errichtung der Jüdischen Grundschule geteilt wurde, hatte bereits 1927 der Deutsche Sportärzte-Bund ein Institut unterhalten. (3) Das hierher versetzte Haus, dessen Aufstellung der Berliner Architekt Otto Schellenberg leitete (4), diente während der Olympischen Sommerspiele der sportärztlichen Versorgung für das Wettkampf- und Übungszentrum der Deutschlandhalle und des Mommsenstadions. Die Ausführung übernahm die Metallheimbau-Gesellschaft mbH nach einem Fertigteilbausystem der Fürstenberg-Häuser GmbH, das im Wesentlichen identisch ist mit der Kupferhaus-Wandbauweise der Deutschen Kupferhaus-Gesellschaft. (5) Es bestand aus portablen Wand- und Deckenelementen, die außen mit rostfreien Kupfer- und innen mit Stahlblechen auf einer Holzrahmenkonstruktion beplankt waren. (6) Allerdings mussten hier die Außenbleche in Stahl ausgeführt werden. Seit 1934 hatte das NS-Regime für die militärische Aufrüstung die Verwendung von Kupfer stark reglementiert - ein Kupferhausbau war nicht mehr möglich. Heute liegen die Stahlbleche allerdings verborgen hinter einer Stulpschalung, während sich das symmetrische Fassadenbild mit Seitenrisaliten, Fensterreihung, Klappläden und Hauseingängen bewahrt hat. Auch im Innern ist der Grundriss des Sportärzte-Ambulatoriums mit U-förmig und zweibündig um einen großen mittigen Behandlungsraum, der für die jetzige Nutzung des Gebäudes als Kindertagesstätte durch leichte Trennwände unterteilt ist, angeordneten Räumen erkennbar geblieben. (7) Das Berliner Sportärztehaus verkörpert nicht nur eine moderne Fertigteilbauweise, die es ermöglichte, die transportfähigen Platten an jedem Ort der Welt zu montieren und wieder abzubauen, es belegt auch die Bedeutung, die das NS-Regime der Sportmedizin zusprach. So war die "Struktur des nationalsozialistischen Sportarztwesens nahezu gänzlich auf die flächendeckende Erfassung und Kategorisierung der Bevölkerung nach einheitlichen körperlichen und leistungsspezifischen Merkmalen ausgerichtet". Dies entsprach dem "militärisch geprägten Grundtenor der Zeit und rekrutierte (...) speziell den Sportmediziner, zum Soldaten im Kampf für nationalsozialistische Ideale." (8)


(1) IV. Olympische Winterspiele 1936, Garmisch-Patenkirchen 6. bis 16. Februar, Amtlicher Bericht, S. 222 f., 228; Olympia-Sportärztehaus, Hrsg. Siemens, Garmisch-Partenkirchen 1936; II. Internationaler Sportärzte-Kongress Berlin 1936, Verhandlungsbericht, hrsg. v. Arthur Mallwitz, Leipzig 1937, S. 365; Ristau, Jörn-Arne: Sport und Sportmedizin im Nationalsozialistischen Deutschland, Dissertation am Institut für Geschichte der Medizin der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin 2013, S. 108, 133, 149 f.

(2) "Das Hauptamt für Volksgesundheit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und das Amt für Volksgesundheit der Deutschen Arbeitsfront" hatten den Bau ermöglicht, heißt es im Amtlichen Bericht der IV. Olympischen Winterspiele. Vgl. IV. Olympische Winterspiele 1936, Garmisch-Patenkirchen 6. bis 16. Februar, Amtlicher Bericht, S. 228.

(3) Der barackenähnliche Bau des Instituts ist vermutlich für die Errichtung der jüdischen Grundschule 1994 abgebrochen worden.

(4) Ob der Berliner Architekt Otto Schellenberg auch für den Entwurf des Hauses verantwortlich zeichnete, ist nicht bekannt.

(5) Diese geht zurück auf ein von dem Architekten Robert Krafft und dem Ingenieur Friedrich Förster 1924 für die Hirsch Kupferwerke Eberswalde-Finow entwickeltes transportables Hausbausystem. Die Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG, Finow/Eberswalde produzierten von 1929 bis zu ihrer Insolvenz 1932 Kupferhäuser. Danach gründete René Schwartz, Schwiegersohn von Aron Hirsch, die Deutsche Kupferhaus-Gesellschaft in Berlin und nahm die Produktion bis 1934 wieder auf, als mit der Verordnung über unedle Metalle der NS-Staat die zivile Verwendung von Kupfer verboten wurde. Die 1934 gegründete Metallheimbau-Gesellschaft mbH setzte - wohl nur vereinzelt - mit der Fürstenberg-Häuser GmbH, die die Zulassung für die Kupferhaus-Wandbauweise erhielt, die Errichtung von Fertigteilhäusern fort, allerdings nun in einer Stahlplatten-Ausführung. Ende der 1930er Jahr bot die umbenannte Fürstenberg-Häuserbau GmbH Aluminium-Zellstoff-Häuser in Fertigteilbauweise an. Während des Zweiten Weltkriegs war sie an der Errichtung von Fremdarbeiter-Baracken beteiligt. Vgl. ZBV 57 (1937), S. 285; Metallwirtschaft, Metallwissenschaft, Metalltechnik 20 (1934), S. 365; Bauweltkatalog 8 (1939), S. 358, 11 (1942), S. 199; Thieme, Karsten: Kupferhäuser in Berlin und Brandenburg und der Einfluss von Walter Gropius und ihre Entwicklung, Diss. Berlin 2012.

(6) Für die Verkleidung der Wände und Decken standen verschiedene geprägte Bleche zur Auswahl, wie sie sich auch am Sportärztehaus finden, das frei geplant jedoch keinem Kupferhaustyp entspricht. Ein weiteres erhaltenes, ebenfalls frei geplantes Haus mit Stahlblechen befindet sich auf dem Gelände der General-Steinhoff-Kaserne in Berlin-Gatow, Kladower Damm 182.

(7) Nach der Olympiade dienten Haus und Gelände der Chirurgischen Universitätsklinik Berlin und dem Deutschen Ärztebund als Übungsplatz zur Förderung der Leibesübungen. 2013-14 Sanierung des Daches, u.a. Dachwerk, Dachflächenfenster (Oberlichter) durch SDARC, Seipelt Dluzniewski Architekten.

(8) Ristau, Jörn-Arne: Sport und Sportmedizin im Nationalsozialistischen Deutschland, Diss. Berlin 2013, S. 108, 110.

Literatur:

  • Herbert / Gilbert: The dream of the factory-made house. Walter Gropius and Konrad Wachsmann, MIT Press,Cambridge/Mass., London 1984 / Seite 105-151
  • Siemens (Hrsg.): Olympia Sportärztehaus Garmisch-Partenkirchen 1936, 1936

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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