Denkmaldatenbank
Ev. Friedenskirche mit Glockenturm
09096461 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Tannenbergallee 6 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Kirche ev. |
Datierung | 1916 |
Umbau | 1928 |
Umbau | 1932-1933 |
Entwurf | Schmidt, Georg (Architekt) |
Entwurf | Fangmeyer, Emil (Architekt) |
Bauherr | Wandschneider, Wilhelm (Bildhauer) |
Ausführung | Richard Grosse (Baugeschäft) |
Bauherr | Ev. Kirchengemeinde Berlin-Heerstraße |
Weit von der Straße zurück liegt die Ev. Friedenskirche in der Tannenbergallee 6 mit einem nordwestlich vorgesetzten Glockenturm. (1) Rückwärtig reicht die Grundstücksparzelle bis an die Teufelsseechausse, wodurch die Kirche in Sichtbeziehung zum angrenzenden Grunewald steht. Ihr breitegelagerter langgestreckter Baukörper richtet seine Hauptansicht mit der Giebelfassade zur Tannenbergallee im Norden, wobei die geknickte Dachkante auffällt. Wie die Erscheinung des gesamten Kirchengebäudes beruht auch die Dachform auf der Umgestaltung eines älteren Künstlerateliers. Denn bereits 1916 ließ sich Wilhelm Wandschneider (2) von Georg Schmidt ein Bildhaueratelier in Formen des Heimatstils errichten. (3) Nach Norden mit einer großzügigen Glasfront gestaltet, gaben die West-, Süd- und Ostseite des Gebäudes bereits die Dimensionen der später eingebauten Kirche vor. Deutlich ist das Ateliergebäude noch heute in den Fachwerkaußenwänden, dem Quergiebel auf der Westseite und dem Südgiebel mit Fußwalm erlebbar. Der Zusammenbruch des Kaiserreiches brachte Wandschneider, der mehrheitlich von staatlichen Aufträgen lebte, in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb verkaufte er sein Atelier 1926 an die Evangelische Kirche. (4) Deren 1919 für die Kolonie an der Heerstraße als Sprengel der Epiphaniengemeinde gegründete Filiale hielt ihre Gottesdienste zuvor in der Waldschule Charlottenburg ab. (5) Nachdem zugleich eine eigenständige Pfarrstelle eingerichtet war, konnte das Bildhaueratelier zunächst unverändert als Betsaal genutzt werden. Die umlaufend gruppierten Wohnräume wurden Gemeindezwecken zugeführt. Bereits nach Plänen von Emil Fangmeyer erfolgten 1928 die Ergänzung eines Vorzimmers zum Konfirmandenraum (6) und 1931 die Erweiterung der Wohnung des Gemeindedieners. (7) Der Ausbau zur bestehenden Kirche für die stetig wachsende Gemeinde ebenfalls nach Plänen Fangmeyers datiert 1932. Hierfür wurden der Kirchensaal um etwas mehr als die Hälfte nach Norden zur heutigen Länge erweitert und der 16 m hohe Glockenturm errichtet. (8) Im Ergebnis entstand ein schlichter Kirchenbau mit kreuzförmigem Betsaal, den im Osten, Süden und Westen Gemeindedienerräume, Küsterei und Konfirmandensaal begrenzen. Im Norden sind zu den Seiten des um drei Stufen erhöhten Rechteckchores ein Eingangsraum und die Sakristei eingeschoben. Der wenig gegliederte Glockenturm besitzt hohe, rechteckige Schallöffnungen mit Lamellenfüllungen, ein niedriges Walmdach und drei Eisengussglocken als Ersatz für die im Zweiten Weltkrieg abgegebenen Bronzeglocken. Eine Mauerwange mit rundbogiger Toröffnung bindet den Turmbau an die Nordfassade der Kirche an, wo ein Ritzbild im Putz - ein Sgraffito - mit dem gekreuzigten Christus von Harold Bengen (9) die Giebelansicht bestimmt. Bombentreffer in der Umgebung führten 1944 zu erheblichen Schände, doch wurde der Kirchenbau 1947-49 von Emil Fangmeyer selbst wiederhergestellt. So entspricht der über Gauben belichtete Betsaal mit trapezförmiger Decke in seiner Raumstruktur wieder annähernd dem Vorkriegszustand. Die künstlerische Ausstattung ist jedoch überwiegend verloren und das Fresko im Chor, ebenfalls von Harold Bengen, wurde nach schweren Schäden 1949 übertüncht. Das kupferbeschlagene und vergoldete Holzkreuz auf dem Glockenturm ist hingegen eine Neuanfertigung von 1960 (10) und die vier Holzschnitzfiguren von Otto Flath im Kirchenraum datieren in die Zeit um 1970.
(1) Bauakten BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1-3; Unsere neue Kirche. Weihnachtsgabe an die Gemeinde Berlin-Heerstraße, Berlin, 1932; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 111-113; Kühne, Günther/Stephani, Elisabeth: Evangelische Kirchen in Berlin, Berlin 1978, S. 43; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VI, Sakralbauten, Berlin 1997, S. 162, S. 402; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 85; Kirchen Berlin Potsdam 2003, S. 44.
(2) Wilhelm Wandschneider, 1866-1942, Wandschneiders Plastiken standen in der Tradition der sog. Berliner Bildhauerschule. So zählte u.a. Albert Wolff zu seinen Lehrern an der Königlichen Kunstschule und ab 1895 arbeitete Wandschneider zunächst im Atelier von Reinhold Begas. Er war erfolgreich als Bildhauer großer Staatsaufträge etwa für Herrscher- und Ehrendenkmäler. Ein großer Teil seiner Werke gilt heute als verloren. Zu den bekannten erhaltenen Plastiken zählt das Fritz-Reuter-Denkmal von 1911 in Stavenhagen.
(3) Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 13 ff.
(4) Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 40.
(5) Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 85.
(6) Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 41 ff.
(7) Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 46 ff.
(8) Zunächst war nur ein niedriges Glockengerüst vorgesehen. Der dichte Baumbestand der umgebenden Gärten und des Grunewalds machte jedoch eine höhere Aufhängung der Glocken notwendig, sollte der Schall weit vernommen werden. Vgl. Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 54 ff.
(9) Harold Tronson Bengen, 1879-1962. Der heute wenig bekannte Maler gründete gemeinsam mit Georg Tappert und Max Pechstein die "Neue Sezession". Seit 1920 war er Professor an der Kunstgewerbeschule Berlin-Charlottenburg, wo u.a. Hannah Höch zu seinen SchülerInnen gehörte.
(10) Zuvor wurde der Glockenturm von einem Wetterhahn bekrönt, der sich heute auf dem Dach der Kirche befindet. Bauakte BWA-Charlottenburg, Tannenbergallee 6, Band 1, fol. 102 ff.
Literatur:
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 111-113
- Unsere neue Kirche. Weihnachtsgabe an die Gemeinde Berlin- Heerstraße, 1932
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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