Denkmaldatenbank

Charlottenburger Tor

Obj.-Dok.-Nr. 09096448
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Straße des 17. Juni
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Tor
Entwurf 1900
Datierung 1907-1908
Entwurf Schaede, Bernhard (Architekt)
Entwurf Baucke, Heinrich (Bildhauer)
Bauherr Magistrat Charlottenburg

Im Zusammenhang mit dem ab 1906 durchgeführten Neubau der Charlottenburger Brücke entstand 1907-08 als aufwendige Schmuckarchitektur nach Entwurf von Bernhard Schaede das so genannte Charlottenburger Tor, Straße des 17. Juni. (1) Am Kreuzungspunkt des Landwehrkanals mit der ehemaligen Chaussee durch den Tiergarten bildete es zu diesem Zeitpunkt das monumentale Eingangstor nach Charlottenburg und war als Gegenstück zum Brandenburger Tor gedacht. Nachdem der baufällige Vorgängerbau der Brücke im Jahr 1900 in den Besitz der rasant gewachsenen Großstadt Charlottenburg übergegangen war, ließ der Magistrat nach einem langwierigen Planungsverfahren (2) an seiner Stelle eine breite steinerne Straßenbrücke ausführen, die von zwei seitlichen repräsentativen Torbauten in neobarocker Formensprache gerahmt wurde. Die quer zur Straße angeordneten, leicht geschwungenen Kolonnaden aus Tuffstein wurden durch zwei frei stehende, säulenartige Lichtmasten ergänzt. Der heutige Bestand des Charlottenburger Tores geht sowohl auf die Veränderungen der NS-Zeit zurück, als 1937-39 im Zuge der Straßenverbreiterung für die Ost-West-Achse auch die Brücke verbreitert neu gebaut sowie Torflügel und Kandelaber versetzt und teilweise entdekoriert wurden (3), wie auch auf die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, als das Bauwerk stark beschädigt und die Kandelaber ebenso wie Teile der steinernen Brückengeländer zerstört wurden. (4) Nach Instandsetzungsarbeiten 1968-70 und 1987 ließ die Stiftung Denkmalschutz 2004-07 die Torflügel mit ihrem bildhauerischen Schmuck restaurieren. 2007-10 wurden die fehlenden Steinkandelaber und die dekorativen Endstücke der Brückenbrüstung originalgetreu rekonstruiert. (5) Zwar hat das Charlottenburger Tor Teile der originalen Bausubstanz verloren und durch die Straßenverbreiterung seine ursprüngliche Torwirkung eingebüßt, trotzdem markiert es noch immer die ehemalige östliche Grenze der einst selbstständigen Stadt Charlottenburg. Als aufwendig gestaltetes Bauwerk repräsentiert es zudem Bedeutung und Selbstbewusstsein der Stadt, einer der damals reichsten Kommunen des Deutschen Reichs. (6) Eine enge Verbundenheit der Charlottenburger mit dem Kaiser zeigt sich zudem bei der Auswahl der Künstler wie auch beim langjährigen Planungsprozess, den Wilhelm II., obwohl es sich um ein kommunales Bauprojekt handelte, maßgeblich beeinflusste.

Die Bauarbeiten für die neue Brücke, die von den Ingenieuren August Bredtschneider und Wilhelm Zangemeister geleitet wurden, begannen 1906, die der Toranlage unter Leitung von Bernhard Schaede im Mai 1907. Bereits im April 1908 konnte die Brücke dem Verkehr übergeben werden; der Gesamtbau war im März 1909 fertig gestellt. Die beiden mächtigen Torpfeiler, an die sich auf schwingenförmig leicht nach innen gebogenem Grundriss die Kolonnaden mit je vier Doppelsäulen und einem schmaleren Außenpfeiler anschließen, sind durch Granitsockel, Gesimse, hohe Brüstungen und Aufbauten gegliedert. Die Berlin zugewandte, so genannte "Herrscherseite" zeigt die Gründer Charlottenburgs im höfischen Prachtkostüm des 18. Jahrhunderts als monumentale neobarocke Bronzestandbilder, die der Friedenauer Bildhauer Heinrich Baucke schuf: König Friedrich I. ist mit Zepter, seine Gemahlin Sophie Charlotte mit dem Modell ihres Schlosses dargestellt. An der dem Kanal zugewandten "Wasserseite" sind die Hauptpfeiler mit flachen Obelisken und Schiffsbug dekoriert; die Aufbauten mit Trophäen (Brustpanzer, Helme, Schilde und Schwerter) an den vier Ecken haben den Krieg überstanden, während zwei allegorische Figurengruppen, die ehemals die Pfeiler bekrönten, seit 1945 verschollen sind. (7) Die rekonstruierten, 22 Meter hohen Kandelaber mit mächtigem Sockel und begehbarem Säulenschaft ergänzen in ihrer Gestaltung mit Masken, Schiffsschnäbeln sowie einem Kranz aus bronzenen Bogenlampen am oberen Ende des Säulenschafts sowohl das Bildprogramm als auch - in Verbindung mit den ebenfalls wiederhergestellten Brückengeländern - die ursprüngliche Gesamtwirkung der Toranlage.


(1) Gundlach, Wilhelm: Geschichte der Stadt Charlottenburg, Bd. 1, Berlin 1905, S. 150, 400-404, 575 f.; db 43 (1909), H. 37, S. 245-249; H. 38, S. 253-255; H. 41, S. 273-275; Wochenschrift des Architektenvereins zu Berlin 4 (1909), H. 42, S. 210; ZdB 20 (1900), H. 53, S. 322-324; H. 55, S. 336-338; 29 (1909), H. 43, S. 290-293; BAW 12 (1910), S. 348-351; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 527-529; Ingwersen, Erhard: Standbilder in Berlin, Berlin 1967, S. 95; Larsson, Lars Olof: Die Neugestaltung der Reichshauptstadt, Albert Speers Generalbebauungsplan für Berlin, Stuttgart 1978, S. 56; Weinland, Martina, Wasserbrücken in Berlin, Berlin 1994, S. 79 f., 119; Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, Übersehenes Baudenkmal am Straßenrand?, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), H. 6, 2004; Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, Tor zu einer der schönsten Straßen der Welt, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Meisterwerke der Berliner Baukunst, Bd. 5, Berlin 2005; Iselin, Gudrun/Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, 30. April 1945, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Themenhefte der Stiftung 3, 2005; Engel, Helmut: Brücke, Tor und Kandelaber, Der Wiederaufbau der Kandelaber am Charlottenburger Tor, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), H. 10, 2007; Thiemann, Eckhard: Berliner Brücken, Berlin 2012, S. 58.

(2) Bei einem Wettbewerb 1900 fanden die Preisträger (Friedrich Pützer/Darmstadt, Josef Welz/Berlin, Kurt Winter/Ravensburg) nicht die Zustimmung des Magistrats. Auch spätere Entwürfe von Bruno Jautschus und Bruno Schmitz wurden nicht ausgeführt. Erst 1903 erhielt Bernhard Schaede, Professor am Königlichen Kunstgewerbemuseum, direkt den Auftrag zu einem Entwurf. Nach mehreren Bearbeitungen wurde sein vierter Entwurf 1904 von der Akademie für Bauwesen zur Ausführung empfohlen, 1905 erteilte Wilhelm II. seine Genehmigung. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 528.

(3) Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, Tor zu einer der schönsten Straßen der Welt, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Meisterwerke der Berliner Baukunst, Bd. 5, Berlin 2005, S. 72-78.

(4) Iselin, Gudrun/Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, 30. April 1945, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Themenhefte der Stiftung 3, 2005, S. 12 ff.

(5) Die Lichtmasten gehören demnach nicht zur denkmalgeschützten originalen Bausubstanz. Vgl. Brücke, Tor und Kandelaber, Der Wiederaufbau der Kandelaber am Charlottenburger Tor, hrsg. v. Stiftung Denkmalschutz, H. 10, Berlin 2007.

(6) "1905 hatte Charlottenburg nach Berlin und Frankfurt/Main das höchste Aufkommen der Staatseinkommensteuer in Preußen." Zit. n. Ribbe, Wolfgang (Hrsg.): Von der Residenz zur City, 250 Jahre Charlottenburg, Berlin 1980, S. 265.

(7) Die linke zeigte Krieger mit Pferd und Panther, die rechte Frauengestalten mit einem Hirsch; die Bronzebilder waren Arbeiten des Dresdener Bildhauers Georg Wrba. Vgl. ZdB 29 (1909), H. 43, S. 293; Iselin, Gudrun/Engel, Helmut: Das Charlottenburger Tor, 30. April 1945, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Themenhefte der Stiftung 3, 2005, S. 17, 20.

Literatur:

  • With, Irmgard: Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 527-529
  • Ingwersen 1967 / Seite 95
  • Waetzoldt, Bibliographie zur Architektur im 19. Jhdt., 1977 / Seite Nr. 11315-11319, 11322-11330, 11335-11340
  • Bürde/ Der Neubau der Charlottenburger Brücke in Berlin in
    Wochenschrift des Architektenvereins zu Berlin 4 (1909) / Seite 210
  • N.N./ Die Charlottenburger Brücke in
    Der Profanbau 5 (1909) 19 / Seite 346-347
  • N.N./ Der Neubau der Charlottenburger Brücke in
    Deutsche Bauzeitung 43 (1909) 37 / Seite 244-245
  • Brüstlein/ Der Neubau der Charlottenburger Brücke in
    Zentralblatt der Bauverwaltung 29 (1909) / Seite 290-293
  • N.N./ Die neue Charlottenburger Brücke über den Landwehrkanal in
    Baugewerks-Zeitung 41 (1909) / Seite 350
  • N.N./ (Charlottenburger Brücke, Berlin) in
    Berliner Architekturwelt 12 (1910) / Seite 348-351

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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