Denkmaldatenbank

S-Bahnhof Westend

Obj.-Dok.-Nr. 09096441
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Spandauer Damm 89
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Bahnhof (S)
Datierung 1883-1884
Entwurf Kayser und von Großheim (Architekt)
Bauherr Kgl. Eisenbahn-Betriebsamt Stadt- und Ringbahn

Der an der Überführung über die Ringbahn gelegene S-Bahnhof Westend, Spandauer Damm 89, besteht heute aus den Gleisanlagen im Einschnitt und zwei im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des Berliner S-Bahnrings 1993 neu errichteten Zugangsbauten von der Spandauer-Damm-Brücke zum Bahnsteig. Dagegen dient das ehemalige, 1883-84 nach Entwurf des renommierten Architekturbüros Kayser & von Großheim in Formen der deutschen Renaissance ausgeführte Empfangsgebäude des Bahnhofs Westend (1) südöstlich der Brücke, das nach der Stilllegung der S-Bahnstrecke 1980 zeitweilig als Atelier- und Ausstellungsgebäude (2) genutzt wurde, seit 2002 nach umfassenden Umbaumaßnahmen als Bürogebäude. Das älteste erhaltene Bahnhofsgebäude Charlottenburgs und zwei Bahnsteige, deren historische Überdachung, Eisenstützen und Bahnsteighäuschen teilweise noch vorhanden sind, repräsentieren einen wichtigen Teil der Eisenbahngeschichte in der Stadt Charlottenburg, die mit dem Anschluss an das Berliner Verkehrsnetz in den 1880er und 1890er Jahren einen enormen Aufschwung erlebte. Bis November 1877, als die Haltestelle "Charlottenburg-Westend" als erste Bahnstation Charlottenburgs an der gerade vollendeten Ringbahn eröffnet wurde, führten nur die Hamburger (1846) und die Lehrter Bahnlinie (1871) weit im Norden an der Stadt vorbei. (3) Die Ringbahn war zunächst vor allem für Güter- und Militärtransporte gedacht. Doch bald, vor allem nach der Eröffnung der Stadtbahn im Jahr 1882, hatte der Personenverkehr auf den Vorortstrecken so stark zugenommen, dass man den Neubau eines Personenbahnhofs südlich des Spandauer Damms beschloss. Mit dem repräsentativen Empfangsgebäude und drei Bahnsteigen für die Gleise der Ring-, Stadt- und Fernbahn wurde der nun "Westend" benannte Bahnhof 1883-84 ausgeführt und entwickelte sich zu einem wichtigen Knotenpunkt des Personenverkehrs, dessen Gleisanlagen 1892-96 noch einmal umgebaut wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Reichsbahnerstreik und der Schließung der Strecke im Herbst 1980 blieben nur die Ringbahngleise weiter in Betrieb. Seit der Wiedereröffnung der Ringbahn im Dezember 1993 wird der erneuerte S-Bahnsteig über die zwei Zugangsgebäude in Stahl-Glaskonstruktion vom Spandauer Damm erschlossen. Der östlich gelegen ehemalige Bahnsteig B, der wegen der Verbreiterung des S-Bahnsteigs und der Verlegung der Gleise nicht mehr nutzbar ist, besitzt noch die ursprüngliche Ausstattung mit Zugangstreppe, Überdachung und Bahnsteig-Häuschen. Das ehemalige Empfangsgebäude entwarfen Heinrich Kayser und Karl von Großheim als zweigeschossigen Mauerwerksbau auf kreuzförmigem Grundriss mit einer repräsentativen Gestaltung in Formen der deutschen Renaissance: Das hohe schiefergedeckte Walmdach, dessen zahlreiche Dachfenster von einem nachträglichen Dachgeschossausbau zeugen, besitzt Staffelgiebel unterschiedlicher Größe an allen vier Seiten. An den Fassaden kontrastieren rote Laubaner Verblendziegel wirkungsvoll mit gliedernden und schmückenden Elementen aus gelb gestrichenen Sandstein (Eckquader und Gesimse, Schlusssteine an Rundbogen- und Stichbogenfenstern sowie die Einfassung der Rundfenster in den Giebeln). Im Erdgeschoss auf Bahnsteigniveau waren ursprünglich Fahrkartenschalter, Gepäckaufbewahrung und Warteräume sowie eine Bahnhofsgaststätte und die Wohnung für den Wirt angeordnet. Das Obergeschoss enthielt Diensträume und Dienstwohnung sowie die zentrale Halle mit Holz getäfelten Decken und einer Treppe, die hinunter zum Bahnsteig A führte. Über die westlich anschließende verglaste Brücke gelangte man zu den Bahnsteigen B und C. (4)


(1) Heinrich Kayser (1842-1917) und Karl von Großheim (1841-1911) waren zwischen 1871 und 1911 vor allem im großbürgerlichen Villenbau tätig, bauten in Charlottenburg aber auch öffentliche Gebäude wie das Reichsmilitärgericht am Lietzensee und die Hochschule der Künste am Hardenbergplatz. Vgl. Ribbe, Wolfgang/Schäche, Wolfgang (Hrsg.): Baumeister, Architekten, Stadtplaner; Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins, Berlin 1987, S. 620. Beim Bahnhof Westend war für die Bauausführung Regierungsbaumeister Bathmann zuständig; Bauherr war das Königliche Eisenbahn-Betriebsamt der Berliner Stadt- und Ringbahn. Vgl. ZfB 37 (1887), S. 265-272, Atlas, Bl. 32-34; DBZ 29 (1895), S. 516; Berlin und seine Eisenbahnen, 1846-1896, hrsg. im Auftrag des Königlich Preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, 2. Bde., Berlin 1896 (Reprint Berlin 1982), Bd. 1, S. 268 f., 337 f.; Architekten-Verein zu Berlin u. Vereinigung Berliner Architekten (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Bd. 1, Berlin 1896, S. 239; Gundlach, Wilhelm: Geschichte der Stadt Charlottenburg, Bd. 1, Berlin 1905, S. 646; Bark, Willy: Chronik von Alt-Westend, mit Schloß Ruhwald, Spandauer Bock und Fürstenbrunn, Berlin 1937, S. 45; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 589 f., Abb. 775; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. B

(2), Fernverkehr, Berlin 1984, S. 50 f., 150 f.; Weber, Annemarie/Safft, Nikolas von: Westend, Ein Berliner Ortsteil in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1986, S. 70 f.; Börsch-Supan, Helmut/Haddenhorst, Michael: Westend, Berlin 1997, S. 114; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 226; Berliner Bezirkslexikon Charlottenburg-Wilmersdorf, hrsg. v. Hans-Jürgen Mende und Kurt Wernicke, Berlin 2005, S. 621.

(2) 1980 wurde der von der Reichsbahn der DDR betriebene S-Bahnhof nach dem Streik stillgelegt, 1985 saniert und von 1988 bis 2001 von der Karl-Hofer-Gesellschaft (1953 gegründeter Freundeskreis der Universität der Künste) als "Künstlerbahnhof" mit Atelierräumen, Konzertsaal und Galerie genutzt.

(3) Die anderen Charlottenburger Ringbahnhöfe Jungfernheide (1893-94), Messe Nord/ICC (ehem. Witzleben, 1913-16) und Westkreuz (1926-28) wurden alle später gebaut. Die Bahnhöfe der 1882 fertig gestellten Stadtbahn auf Charlottenburger Gebiet waren: Charlottenburg (1880-81), Savignyplatz (1895-96), Zoologischer Garten (1880-81).

(4) Das ehemalige Gleis D war bereits 1892-95 aufgegeben worden. Vgl. BusB X B (2), S. 151."

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 589-590
  • BusB I 1896 / Seite 239
  • Bark, Willy, Chronik von Alt-Westend, Berlin 1937 / Seite 45
  • Gundlach I, 1905 / Seite 646
  • Neues Charlottenburger Intelligenzblatt (1877) 134N.N./ Der Personen-Bahnhof Westend der Berliner Stadt- und Ringbahn =Zeitschrift für Bauwesen 37 (1887) / Seite 266-271
  • Berlin und seine Eisenbahnen, 1896 / Seite 268-269

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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