Denkmaldatenbank

Haus und Atelier Georg Kolbe (heute Georg-Kolbe-Museum)

Obj.-Dok.-Nr. 09096432
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Sensburger Allee 25, 26
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnhaus & Atelier
Datierung 1928-1929
Umbau 1932-1935
Entwurf Rentsch, Ernst (Architekt)
Entwurf Linder, Paul (Architekt)
Bauherr Kolbe, Georg (Bildhauer)
Ausführung J. Sasse und Sohn

Wirkungsvoll liegen Wohnhaus und Atelier Georg Kolbe an einer Straßenkrümmung und stehen parallel jedoch versetzt zueinander. (1) Die beiden kubischen Gebäude wurden 1928-29 nach Plänen des Schweizer Architekten Ernst Rentsch an der Sensburger Allee 25-26 errichtet, wobei die Schöneberger Baufirma Sasse & Sohn die Ausführung übernahm. (2) Im Westen liegt der größere Atelierbau und im Osten das kleinere Wohnhaus. Gemeinsam rahmen sie eine Freifläche, ein Relikt des zur Bauzeit noch umfangreicher erhaltenen Kiefernwaldes. Die gegenüber der Straße erhöht gelegene Terrasse zwischen den Gebäuden wurde von dem vor allem als Bildhauer bedeutenden Künstler als offene Atelierfläche unter freiem Himmel genutzt. Rentsch entwickelte sie im regen Austausch mit Kolbe und entwarf ein Ensemble, dessen klare Konturen die Orientierung an Grundsätzen der Neuen Sachlichkeit verraten. Überraschend sind die in einem breiten Farbspektrum variierenden gelblichen Ziegelfassaden, die das Schattenspiel der umgebenden Kiefern aufzugreifen scheinen. Mit filigranen, weiß gefassten Rahmen sind hingegen die Fenster als langgestreckte Bänder oder in unterschiedlichen Formaten in ausgewogen asymmetrischer Anordnung in die glatten Fassaden eingeschnitten. Das zweigeschossige Ateliergebäude mit Dachterrasse liegt gegenüber der Straße erhöht und wird von einer Böschungstreppe zwischen Mauerwangen erreicht. In Erdgeschosshöhe ist nach Osten der Hauseingang mit dem anschließenden Windfang hinausgeschoben und lockert somit die kubische Strenge des Baukörpers auf. Kolbe bezog das Ateliergebäude, das ihm zugleich als Wohnhaus diente, bereits 1928. (3) Das Erdgeschoss ist vornehmlich den beiden bis zum Dach durchgehenden Ateliers vorbehalten, die etwa die beiden östlichen Drittel des Grundrisses einnehmen. Im Norden liegt das sog. "Kleine Atelier" (4), das über einen Kamin und ein hochgelegenes Fensterband verfügt und somit weitgehend von der Straße abgeschottet ist. Ein flächig aufgefasstes Oberlicht überdeckt hingegen das südlich anschließende "Grosse Atelier", das zudem über tiefen Fensteröffnungen und Türen in Beziehung zu den angrenzenden Freiräumen steht. Unvermittelt grenzt westlich eine bandartige Raumfolge an die beiden Ateliers an. Sie umfasste das straßenseitige Büro, die halb gewendete Treppe zum Obergeschoss mit angrenzendem Windfang des westlichen Nebeneingangs, Sanitärräume sowie einen Modellraum. Zugleich ist die kleine Wohneinheit Kolbes im Obergeschoss, bestehend aus Küche und zwei Zimmern, lediglich oberhalb der westlichen Räume gelegen und bietet Zugang zu einer Dachterrasse. Hier verlebte Kolbe zurückgezogene, ausschließlich der Kunst geweihte Jahre, was auch in seiner aus dem Straßennamen abgeleiteten Hausbezeichnung "Burg" (5) anklingt. Östlich des Hauses grenzt der 1935 zum Skulpturenhof umgebaute Garten zwischen dem Atelier- und dem Wohnhaus an. (6) Bereits zur Bauzeit des Hauses war er über eine Mauer von der Straße abgeschottet und bot somit einen introvertierten nach innen auf das Grundstück gerichteten Charakter. Abschließend bindet im Osten das 1929 vollendete Wohnhaus für Kolbes Tochter Leonore und ihren Mann, den Kunstmaler Kurt von Keudell, an die hohe Grundstückseinfriedung an. (7) Der gegenüber dem Atelierhaus bescheidener dimensionierte Baukörper fällt durch übereinstimmende Gestaltungsmerkmale auf, wird aber im Süden durch einen 1935 angefügten halbrunden Balkon besonders ausgezeichnet. (8) Der voll ausgebildete Keller umfasste eine Garage, während das Erdgeschoss vornehmlich vom Maleratelier eingenommen wurde. Die Räume waren auch hier ohne Flure locker angeordnet, wobei das Erdgeschoss auch Küche und Speisezimmer aufnahm und in der oberen Etage zentral ein großzügiger Wohnraum bestand, den im Norden und Süden die Schlafzimmer umfassten. Zu Lebzeiten Kolbes wurden neben den bereits erwähnten Umbauten weitere Veränderungen an der Baugruppe vorgenommen. Bereits 1930 hatte der Künstler im Westen einen zusätzlichen Grundstücksbereich erworben, was die Erweiterung der Einfriedung bedingte. (9) 1932 wurde das Ateliergebäude westlich um ein eigenständiges "Wohnatelier" (10) nach Plänen von Paul Linder ergänzt, wobei eine zusätzliche Arbeitsterrasse zwischen den Gebäuden entstand. (11) Eine Glaswand an der südlichen Grundstücksgrenze sollte dann 1933 die benachbarte "durch Anlage einer Dunggrube und einer Teppichklopfstange verunzierte Grundstücksecke der Einsicht entziehen" (12) und im Jahr darauf wurde die Terrasse zwischen Atelierhaus und Wohnatelier wiederum nach Plänen von Paul Linder mit einer verglasten Einhausung versehen. (13) Die Beseitigung von Kriegsschäden am Atelierhaus erfolgte noch vor dem Tod Kolbes, der 1947 einer Krebserkrankung erlag. Am benachbarten Wohnhaus wurden die Reparaturen bis 1951 vorgenommen, wobei das großzügige Wohnzimmer im Obergeschoss zugunsten einer kleinteiligen Raumlösung aufgegeben (14) und das Erdgeschoss wenig später ebenfalls weiter unterteilt wurden. (15) Seit 1949 besteht die Kolbe-Stiftung, die das Grundstück als authentischen Schaffensort des Künstlers 1950 der Öffentlichkeit zugänglich machte. Das Wohnhaus wurde hierfür bereits 1998 nach Plänen Fritz Bögers unter dem Rückbau späterer Veränderungen zum Café umgenutzt, (16) während 2015-16 ein Neubau nach Plänen von Winfried Brenne das Museum an Stelle des zuvor abgebrochenen Wohnateliers von 1934 erweiterte. (17) Entstanden als abgeschiedenes Refugium nach dem Tod von Kolbes Frau Benjamine, ist die Baugruppe ein bemerkenswertes Dokument für das Atelier eines bedeutenden Bildhauers in Berlin, das zudem als einziges Berliner Künstlerwohnhaus der 1920er Jahre der Öffentlichkeit zugänglich ist.


(1) Bauakten BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 1-5 und Sensburger Allee 26, Band 1; Rentsch, Ernst: Atelier und Wohnhaus zu Berlin-Charlottenburg, In: Deutsche Kunst und Dekoration 33 (1930), S. 118-122; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 278-279; Rave/Knöfel, 1900, 1963, Nr. 55 (S. 62); Rave/Knöfel, 1900, 1968, Nr. 174 (S. 140); Börsch-Supan, Eva u. Helmut: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 2. Aufl. Stuttgart 1977 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 473; Börsch-Supan, Eva u. Helmut/Kühne, Günther/Reelfs, Hella: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 4. Aufl. Stuttgart 1991 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 298; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 144, Nr. 234; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, S. 133; Dehio 2000, S. 174; Berger, Ursel/Gabler, Josephine (Hrsg.): Georg Kolbe, Wohn- und Atelierhaus - Architektur und Geschichte, Berlin 2000; Worbs, Dietrich: Einblicke in die Berliner Denkmallandschaft, Berlin 2002, S. 43-52; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 105-106; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u. a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 230-231; Sonnenstuhl, Burkhardt (Hrsg.): Prominente in Berlin-Westend und ihre Geschichten, Berlin Brandenburg 2007, S. 123-128.

(2) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 2, fol. 15.

(3) Fertiggestellt war das Atelierhaus im August 1928. Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 2, fol. 15.

(4) Wie die folgenden Raumbezeichnungen nach: Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 1, fol. 51.

(5) Berger, Ursel/Gabler, Josephine (Hrsg.): Georg Kolbe, Wohn- und Atelierhaus - Architektur und Geschichte, Berlin 2000, S. 14.

(6) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 86-95.

(7) Zunächst war das Gebäude als Kolbes Wohnhaus vorgesehen. Erst im Planungsverlauf kam es zu Änderungen, um das Gebäude stattdessen für seine Tochter Leonore und Kurt von Keudell zu gestalten. Vgl. Berger, Ursel/Gabler, Josephine (Hrsg.): Georg Kolbe, Wohn- und Atelierhaus - Architektur und Geschichte, Berlin 2000, S. 14.

(8) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 66-71.

(9) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 2, fol. 103-109.

(10) Raumbezeichnungen nach: Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 16.

(11) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 1-44.

(12) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 48.

(13) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 53-63.

(14) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 109.

(15) Erdgeschossumbauten mit Abteilung eines Flures vom Speisezimmer und eines Vorraumes vom Maleratelier von 1955. Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 3, fol. 116.

(16) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 26, Band 1.

(17) Bauakte BWA-Charlottenburg, Sensburger Allee 25-26, Band 5.

Literatur:

  • Rentsch, Ernst (E. R.): Atelier und Wohnhaus zuBerlin-Charlottenburg, in: Deutsche Kunst und Dekoration 33(1930) / Seite 119-122
  • BusB IV C 1975 / Seite 185
  • Museumsjournal Berlin 10 (1996) 1 / Seite 32-33
  • Architekturführer Berlin, 1989 / Seite 65
  • Museumsjournal (1988) 3 / Seite 32-34
  • Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1968 / Seite Nr. 174
  • Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1963 / Seite Nr. 55
  • Berliner Blätter (1959) 5 / Seite 54
  • Das Werk 20 (1933) 7 / Seite 213-216
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 278 f.

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Landesdenkmalamt Berlin
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