Denkmaldatenbank
Mietshaus Schlüterstraße 45
09096420 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Charlottenburg |
Adressen | Schlüterstraße 45 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Mietshaus |
Datierung | 1911 |
Umbau | 1964 |
Bauherr | Leibbrand, Robert (Kaufmann) |
Ausführung | Boswau und Knauer |
Bereits an der Straßenfront des 1911 durch das Bauunternehmen Boswau & Knauer erbauten Gebäudes Schlüterstraße 45 ist abzulesen, dass es sich auch hier um ein ehemals besonders luxuriöses Mietshaus handelt. Wegen seiner bewegten Nutzungsgeschichte ist es jedoch zugleich ein bedeutendes Zeugnis der Berliner Stadtgeschichte. Das breit gelagerte, mit Erkern und Loggien gegliederte und in zurückhaltenden neoklassizistischen Formen gestaltete Vorderhaus mit Seiten- und Mittelflügel enthielt ursprünglich auf jeder der fünf Etagen eine Zehn- und eine Siebenzimmerwohnung von 410 und 300 Quadratmetern. Im vierten Obergeschoss erstreckten sich die Wohnungen mit einer internen Treppenhalle bis in das Dachgeschoss. Eine dieser Maisonettewohnungen nutzte 1934-38 die damals erfolgreiche Fotografin Else Neuländer-Simon (Künstlername Yva) als Wohnung und Atelier; hier begann der junge Helmut Newton 1936 seine Ausbildung zum Fotografen. (1) Vom Wohnhaus für Wohlhabende wurde das Gebäude nach Enteignung des jüdischen Besitzers 1942 zum Sitz der NS-Institution "Reichskulturkammer" umgebaut. (2) 1945 richtete die britische Militärregierung hier eine Entnazifizierungsstelle für den Kulturbereich ein. (3) Nach Rückübertragung und mehrmaligem Besitzerwechsel zogen 1964 vier Etagenpensionen ein, die 1976 zusammengefasst wurden und als Hotel Bogota das Gebäude zu einem beliebten Treffpunkt der Westberliner Kulturszene machten. (4) Seit der Schließung des Hotels und dem Umbau zum Büro- und Geschäftshaus 2014-16 zeigt das Gebäude außen weitgehend wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild. Nur im Erdgeschoss wurde die Fassade mit dem Einbau großflächiger Schaufenster verändert; im Inneren gingen dadurch der Eingangsbereich des Hotels sowie der holzvertäfelte Saal verloren, den der Geschäftsführer der Reichskulturkammer Hans Hinkel für Filmvorführungen und später das Hotel als Speisesaal genutzt hatten. Erhalten blieben jedoch die Treppenhalle im ehemaligen Fotoatelier, aber auch viele Details der wandfesten Ausstattung wie Holzvertäfelungen und Stuck in den größeren Räumen, im Haupttreppenhaus und am Fahrstuhl. (5)
(1) Else Ernestine Neuländer (1900-1944) gründete nach einer Fotolehre schon mit 25 Jahren ihr erstes Fotoatelier in Berlin und wurde unter dem Künstlernamen Yva bekannt. Bald erschienen ihre Fotografien in zahlreichen Zeitschriften und Illustrierten; darüber hinaus porträtierte sie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Im Haus Schlüterstraße 45 entstanden viele ihrer berühmten Modefotos auf der Treppe zwischen den Etagen und auf dem Dachgarten. Zeitweise beschäftigte Yva in ihrem Studio bis zu zehn Angestellte; ab 1936 arbeitete Helmut Newton bei ihr, zuerst als Lehrling, dann als Assistent. 1934 heiratete Else Neuländer den Kaufmann Alfred Hermann Simon, das Ehepaar wurde 1942 von der Gestapo verhaftet und vermutlich im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Vgl. www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezir k/geschichte/stolpersteine/artikel.179294.php; www.kommunalegalerie-berlin.de/ausstellungen/archiv/2014/ho tel-bogota/.
(2) Zu den Bewohnern des Hauses gehörten vor dem Zweiten Weltkrieg der Architekt Leo Nachtlicht und der Unternehmer und Kunstsammler Oskar Skaller. Ab Mitte der 1960er Jahre hatte der Architekt Eckart Muthesius über zwei Jahrzehnte im Souterrain sein Architekturbüro. Eine ausführliche Zusammenfassung der Bau- und Nutzungsgeschichte bietet ein Artikel auf der Internetseite des Vereins Denk mal an Berlin e.V.: www.denk-mal-an-berlin.de/das-besondere-denkmal/hotel-bogot a.html.
(3) Die "Spruchkammer zur Entnazifizierung der Berliner Kunstschaffenden" wurde im Haus Schlüterstraße 45 eingerichtet, weil hier die Akten der Reichskulturkammer erhalten geblieben waren. Nach der Rückübertragung an die Erben des enteigneten Besitzers wurde das Haus 1951 an den Deutschen Gewerkschaftsbund verkauft, der hier eine Bildungsstätte betrieb.
(4) Namengebend für das Hotel war die Pension Bogota im obersten Geschoss, die der Besitzer Heinz Rewald nach der kolumbianischen Hauptstadt benannt hatte, in die er in den 1930er Jahren emigriert war. Seit 1976 wurde das Hotel Bogota von der Familie Rissmann geleitet. Große mediale Aufmerksamkeit erlangte 2013 die Schließung des Hotels, die mehrere Prominente verhindern wollten. Vgl. Reitz, Michael: Hotel Bogota, 18.11.2013. In: www.deutschlandfunkkultur.de/hotel-bogota-die-bewegende-ges chichte-einer-herberge.1001.de.html?dram:article
(5) www.patzschke-architektur.de/portfolio/schlueterstrasse-45/ .
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
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