Denkmaldatenbank

S-Bahnhof Olympiastadion

Obj.-Dok.-Nr. 09096399
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Flatowallee
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Bahnhof (S)
Datierung 1908-1909
Entwurf Schwartz, Ernst (Architekt)
Entwurf Dörgé
Entwurf Hane, Fritz
Bauherr Deutsche Reichsbahngesellschaft

Ringförmig umfassen und erschließen im Osten die Rominter Allee und im Süden die Trakehner Allee das Olympiagelände. Hier liegen die Bahnhofsanlagen der S- und U-Bahn, die nahe den Hauptzugängen die Sportstätten an das Berliner Nahverkehrsnetz anbinden. Die komplexen Verkehrsbauten sind vorbildlich auf die Bewältigung enormer Besucherströme des ehemaligen Reichssportfeldes konzipiert. Den größten Verkehr muss der S-Bahnhof Olympiastadion aufnehmen, der gegenüber den Stadionterrassen zur Flatowallee orientiert liegt. (1) Die aus zwei Bahnhöfen bestehende Station, deren Eingangsbauten sich längs der Flatowallee bis zur Trakehner Allee reihen und den Stadtraum am Coubertinplatz entscheidend prägen, hat eine vielschichtige, bis heute ablesbare Baugeschichte. Bei der Flatowbrücke liegt das eigentliche Empfangsgebäude, das 1908-09 als Bahnhof Rennbahn (2) der Vorortbahn nach Spandau (3) errichtet wurde. Für den Entwurf zeichneten die bei der Königlichen Eisenbahndirektion angestellten Architekten Ernst Schwartz und Dörgé verantwortlich, Alfred Lücking übernahm die Bauleitung. Mit seinen sparsamen neobarocken Formen, der malerisch bewegten Massengliederung und den beschaulichen Mansarddächern passte sich der Bau einfühlsam in die damals vorstädtisch-ländlich geprägte Umgebung ein. Über einen angegliederten Treppenturm gelangt der Fahrgast zum im Einschnitt liegenden Mittelbahnsteig, dessen damals moderne Überdachung auf Stahlvollwandstützen erhalten ist. Mit dem Vorortbahnhof entstand schon damals unmittelbar nördlich ein separater Kopfbahnhof für die Besucher der Galopprennbahn des Berliner Unionclubs und ab 1913 des Deutschen Stadions. Der nur an Renntagen geöffnete Sonderbahnhof verfügte über zwölf Gleise und fünf Bahnsteige, um den zeitweisen Massenbetrieb zu bewältigen; allein die Rennbahntribünen fassten 50.000 Besucher. Dies reichte allerdings nicht aus, als zu den Olympischen Spielen 1936 das Reichssportfeld mit zahlreichen neuen Sportstätten ausgebaut wurde. Bereits das Olympiastadion bot Platz für 100.000 Zuschauer. Für die An- und Abfahrt der erwarteten Besuchermassen wurde das gesamte Bahnhofsareal durch den Reichsbahnarchitekten Fritz Hane umgestaltet und erweitert. Die Neugestaltung prägt bis heute das Erscheinungsbild und die Funktionalität des Schnellbahnhofs. So blieb die Haltestelle der Vorortbahn bestehen, wobei allerdings das Empfangsgebäude versachlicht wurde. Es verlor seinen Uhrenturm, die Fassaden wurden entdekoriert und passten sich so der kühlen Formensprache der Olympiabauten an. Mit Pfeilerreihung und Muschelkalkverkleidung zeigt sich dies besonders beim neuen, von Hane entworfenen Zugangsbau des Kopfbahnhofs für den Besucherverkehr des Reichssportfeldes. Vor den fünf Bahnsteigen, die erneuert wurden, legte er eine offene pergolaartige Pfeilertorhalle, die breit gelagert nördlich an das Empfangsgebäude anschließt und an der Trakehner Allee in einen niedrigen Flachbau mit Laden übergeht. Dem sachlichen Zweckbau haftet nicht die übliche Strenge und monumentale Wirkung nationalsozialistischer Architektur an. Der neue Nordzugang an der Trakehner Allee, der mit einer ähnlichen repräsentativen Pfeilerhalle ausgestattet ist, die gestalterisch mit dem nahegelegenen Eingang des Olympiatores korrespondiert, veranschaulicht dies gleichermaßen. Von hier gelangt man zu einer Fußgängerbrücke, die, quer am Ende der Bahnhofs liegend, alle sechs Bahnsteige anbindet. Vor der Brücke liegt ein halbrunder, mit Kalksteinmauern eingefasster Vorplatz, für den der Bildhauer Herzog eine Gruppe spielender Knaben auf einer Kugel schuf. Während der Vorortbahnhof sich größtenteils erhalten hat und auch die Eingangsbauten der 1930er Jahre ein authentisches Bild weiterhin widergeben, ist von der speziell für den Massenverkehr konzipierten Ausstattung der Sonderbahnsteige nach ihren völligen Neubau 1997-98 nichts mehr vorhanden.


(1) Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen 49 (1909), S. 739-742; ZBV 30 (1910), S. 537-542, 553-555, 557; ZBV 32 (1912), S. 220, 222 f.; ZBV 57 (1937), S. 812-818; DBZ 70 (1936), S. 481; DBZ 71 (1937), S. 354 f.; Verkehrstechnische Woche 30 (1936), S. 703-709; Reichsbahn 12 (1936), S. 645, 650, 737 f., 744 f.; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 592 f.; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. B (2), Fernverkehr, Berlin-München-Düsseldorf 1984, S. 67 f., 168 f., 181 f.

(2) Der Vorortbahnsteig A wurde am 5. September 1911 seiner Bestimmung übergeben, Bis 1930 Bahnhof Rennbahn, bis 1935 Stadion-Rennbahn Grunewald, bis 1960 Reichssportfeld, dann bis heute Olympiastadion.

(3) Spandauer Vorortbahn, auch bekannt als Spandauer Vorortstrecke, Westbahn, Grunewaldbahn oder Olympiabahn.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 592 f.
  • Architekturführer Berlin / Seite 71
  • BusB X B 2 1984 / Seite 67 f., 168f., 181 f.
  • Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen (1909) / Seite 740 f.
  • Deutsche Bauzeitung 71 (1937) / Seite 354 f.
  • Deutsche Bauzeitung 70 (1936) / Seite 481
  • Reichsbahn (1936) / Seite 654, 650, 737 f., 744 f.
  • Verkehrstechnische Woche (1936) / Seite 703-709
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 30 (1910) / Seite 538, 553-555, 557
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 32 (1912) / Seite 220, 222 f.
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 57 (1937) / Seite 812-816, 818

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen