Denkmaldatenbank
Rathaus Charlottenburg
09096383 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Charlottenburg |
Adressen | Otto-Suhr-Allee 96, 98, 100, 102 Alt-Lietzow 16, 18 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Rathaus |
Entwurf | 1897 |
Datierung | 1899-1905 |
Umbau | 1911-1913, 1947-1952 |
Entwurf | Seeling, Heinrich (Architekt & Maurermeister) |
Ausführung | Vogdt, Paul |
Entwurf | Reinhardt und Süßenguth (Architekt) |
Ausführung | AG für Bauausführungen |
Bauherr | Magistrat Charlottenburg |
Mit seinem fast 90 Meter hohen Turm beherrscht das Rathaus Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 96/102, Alt-Lietzow 16/18, schon von weitem die Straßenansicht, obwohl es in die Bebauung eingebunden ist. (1) Mit seinem monumentalen Baukörper, dem überreichen Bildprogramm des Fassadenschmucks und der kunstvollen Innengestaltung gilt der 1899-1905 von Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth errichtete und 1911-14 von Heinrich Seeling erweiterte Baukomplex als einer der bedeutendsten Kommunalbauten der Jahrhundertwende im heutigen Berliner Stadtgebiet. Nach schweren Kriegszerstörungen wurden Turm und Fassade 1947-52 von Hans Günther originalgetreu wieder hergestellt, im Inneren jedoch sind sowohl beschädigte wie auch erhaltene Räume und Säle im damaligen Zeitgeschmack modernisiert worden. (2) Der Rathausturm, dessen ungewöhnliche Höhe wohl in beabsichtigter Konkurrenz zur Kuppel des Charlottenburger Schlosses stand, und die Fassaden mit ihrem opulenten Dekor dokumentieren das Selbstbewusstsein der zur Erbauungszeit noch selbstständigen, prosperierenden Großstadt Charlottenburg. Die auch von großen sozialen Gegensätzen geprägte Gesellschaft, deren ungleiche Machtverhältnisse durch das Dreiklassenwahlrecht gestützt wurden, setzte für ihr Rathaus "nach guter alter Bürgertradition" eine konservative Architektur durch, die "die materielle Leistungsfähigkeit aufs allerstärkste betont". (3) Während die kunstvolle Gestaltung bis heute beeindruckt, macht der Kontrast zwischen der Monumentalität des Gebäudes und der nur wenige Jahre nach seiner Fertigstellung veränderten Nutzung als Rathaus eines Berliner Stadtbezirks die Charlottenburger Geschichte besonders anschaulich.
Aus dem 1897 ausgeschriebenen Wettbewerb war das Büro Reinhardt & Süßenguth als Sieger hervorgegangen. Ihren ursprünglichen Entwurf in gotisierender Formensprache arbeiteten sie zugunsten einer Ornamentik in Jugendstilformen um, ohne den Gesamtplan zu verändern. (4) Im Mai 1899 war Baubeginn, bis 1905 wurde die Fünfflügelanlage um zwei Innenhöfe auf trapezförmigem Grundriss, die sich bis zur Straße Alt-Lietzow erstreckt, in zwei Abschnitten fertig gestellt. 1911-14 erweiterte man das Rathaus nach einem Entwurf von Stadtbaurat Heinrich Seeling um weitere fünf Flügel auf fast die doppelte Grundfläche nach Osten. Die symmetrisch gegliederte Straßenfassade des Ursprungsbaues mit großen ebenerdigen Rundbogenfenstern im Sockelgeschoss und Rechteckfenstern in den oberen Geschossen ist durch kräftig bossierte Quader aus Schlesischem Sandstein sowie durch reichen, figürlichen und ornamentalen, bildhauerischen Schmuck geprägt. Gestalterischer Höhepunkt ist der übergiebelte Mittelrisalit; er nimmt das Hauptportal, die Loggia des Bürgermeisterzimmers und das gewaltige Rundbogenfenster des Festsaales auf und leitet mit seitlichen Ecktürmchen zum quadratischen Uhrturm über, der mit Figuren, Kupferhelm und Laterne geschmückt ist. Im Inneren des Gebäudes ist ein umfangreiches Raumprogramm aus Sälen, Treppenhäusern und Diensträumen zu den Straßen und Innenhöfen angeordnet. (5) Bei der Erweiterung durch Seeling wurde der ältere Bauteil an der Otto-Suhr-Allee um zwei Achsen in identischer Form nach Osten verlängert und mit einem deutlich abgesetzten Risalit sowie einem niedrigeren Anbau, der zu den Nachbarhäusern überleitet, abgeschlossen. Auch hier reichen die rückwärtigen Flügel bis zur Straße Alt-Lietzow und umschließen drei unterschiedlich große Innenhöfe. (6)
Der mit Portalvorbau, Balkon und zweigeschossigem Saalfenster symmetrisch gegliederte Risalit, der in bossiertem Kalkstein ausgeführt und mit einem Relieffries mit der allegorischen Darstellung der städtischen Fürsorge unter dem Hauptgesims abgeschlossen ist, hat zwar einen eigenständigen Ausdruck, stört aber nicht die Harmonie der Gesamtwirkung des Gebäudes. Im Inneren schuf Seeling für die städtische Sparkasse eine lang gestreckte tonnengewölbte Halle mit Oberlicht, die das Erdgeschoss des ersten Hofes einnimmt und heute von der Stadtbibliothek genutzt wird. Die Bildhauerarbeiten an der Fassade und im Inneren stammen unter anderen von den Künstlern August Vogel, Josef Drischler, Wilhelm Haverkamp, Ernst Westphal, Johannes Götz, Heinrich Giesecke und Otto Stichling. (7)
(1) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 139-146; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil III, Bauwerke für Regierung und Verwaltung, Berlin-München 1966, S. 7-9, 49 f.; Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, Bd. 1, hrsg. v. Helmut Engel, Stefi Jersch-Wenzel, Wilhelm Treue, Charlottenburg, Teil 1, Die historische Stadt, Berlin 1985, S. 289-318; Beseler, Hartwig/Gutschow, Niels: Kriegsschicksale Deutscher Architektur, Verluste, Schäden, Wiederaufbau, Eine Dokumentation für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Nord, Neumünster 1988, S. 146; Grzywatz, Berthold: Das Rathaus Charlottenburg, Zur Geschichte und Ikonographie eines bürgerlichen Monumentalbauwerks, Berlin 1989 (mit umfassendem Literaturverzeichnis).
(2) Nur der Magistratssitzungssaal (heute Minna-Cauer-Saal) ist weitgehend erhalten. Der Bürgersaal wurde 1957 von Werner Düttmann stark verändert instand gesetzt. 1964-66 wurden Ratskeller und Weinstube restauriert, die ehemaligen Räume der Stadtsparkasse im Erweiterungsbau zur Stadtbücherei umgebaut. Die ursprüngliche Ausmalung ist im gesamten Bau verloren. Vgl. BusB III, S. 9, 50; Grzywatz 1989, S. 336 ff.
(3) BAW 8 (1906), S. 239.
(4) Grzywatz 1989, S. 42-80 (zum Wettbewerb), 108-128 (zur Überarbeitung des Entwurfs).
(5) Zu den Grundrissen und den einzelnen Räumen siehe: Grzywatz 1989, S. 141 ff. Die Fassaden zur Straße Alt-Lietzow sind ebenfalls mit Werkstein verblendet, die der Innenhöfe zum Teil mit weißen Verblendziegeln bedeckt, zum Teil verputzt. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 142.
(6) Seeling hatte einen Entwurf für einen Erweiterungsbau abgegeben, der den Ursprungsbau an beiden Seiten verlängern und mit Risaliten abschließen sowie um mehrere Flügelbauten mit großen Innenhöfen an der Rückseite ergänzen sollte; der gigantische Baukomplex zwischen heutiger Wintersteinstraße und Warburgzeile sowie Straße Alt-Lietzow und Otto-Suhr-Allee hätte die ursprüngliche Grundfläche des Rathauses mehr als verdreifacht. Der Gesamtplan konnte nicht realisiert werden, sowohl weil die Grundstücke nicht erworben werden konnten als auch weil viele Stadtverordnete die Pläne für überdimensioniert hielten. Vgl. Grzywatz 1989, S. 290 ff.
(7) Das Eingangsportal an der Otto-Suhr-Allee wird von Allegorien der Gerechtigkeit und Weisheit des Bildhauers August Vogel flankiert, auf den Pfeilern des Obergeschosses befinden sich Darstellungen der Stände, von Kunst und Wissenschaft, Handwerk und Handel, Religion, Verwaltung, Ackerbau, Industrie, die die Bildhauer Johannes Götz, Josef Drischler und Wilhelm Haverkamp ausführten. Das Giebelfeld des Eingangs schmücken das Stadtwappen sowie Pallas Athene und Symbole des preußischen Königshauses von Ernst Westpfahl. Die Turmfiguren schuf Otto Stichling. Vgl. BAW 8 (1906), S. 240; Grzywatz 1989, S. 258 ff.
Literatur:
- Weber-ListeBerliner Architekturwelt 4 (1902) / Seite 447 (Treppengeländer)
- Deutsche Bauzeitung 56 (1922) / Seite 1-5, 9-11, 21-25, 29, 31, 33, 35, 45-48, 65 f., 449 f., 458 f., 461-463
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 139-146
- BusB III 1966 / Seite 50
- Grzywatz, Berthold: Rathaus Charlottenburg, in: Geschichtslandschaft, Charlottenburg 1, 1986 / Seite 289-317
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.