Denkmaldatenbank

Haus Ottilie von Hansemann

Obj.-Dok.-Nr. 09096380
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Otto-Suhr-Allee 18, 20
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Studentinnenheim
Datierung 1914-1915
Umbau 1919
Entwurf Winkelmann, Emilie (Architekt)
Ausführung C. Kuhn (Baugeschäft)
Bauherr Victoria-Lyceum (Stiftung)

Nordwestlich des Ernst-Reuter-Platzes fällt zwischen den Neubauten der jüngsten Vergangenheit ein Gebäude auf, das den Namen "Haus Ottilie von Hansemann" trägt. Das ehemalige Victoria-Studienhaus, Otto-Suhr-Allee 18/20, war 1914-15 unter dem Protektorat von Kaiserin Auguste Victoria nach Entwurf der Architektin Emilie Winkelmann errichtet worden. (1) Finanziert hatte den Bau einer privaten höheren Lehranstalt für Frauen die Charlottenburgerin Ottilie von Hansemann. (2) 1916 wurde das Gebäude in ein Wohnheim für Studentinnen (3) umgewandelt und 2015-17 zu einem Wohnhaus mit 108 Eigentumswohnungen umgebaut. Dabei wurde eine flacher Seitenflügel abgerissen und im Hof ein achtgeschossiger Neubau errichtet. Als eines der wenigen Gebäude aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in diesem Gebiet und als Zeugnis der frühen Frauenbewegung ist das im Äußeren weitgehend erhaltene Haus Ottilie von Hansemann von größter Bedeutung für Charlottenburg.

Die Dreiflügelanlage, als Putzbau mit Kalksteinelementen ausgeführt, knüpft mit dem fünfachsigen dorischen Altan, der sich über die gesamte Breite zwischen den beiden dreiachsigen Seitenrisaliten spannt, an die Architektursprache "um 1800" an. Die horizontale Gliederung wird im fünften Geschoss von einem ebenso breiten, konsolengestützten Balkon aufgenommen. Die hochrechteckigen Fenster sind weitgehend original erhalten. Auf die Balkone mit schmiedeeisernen Brüstungen gelangt man durch Fenstertüren. Das mächtige Walmdach wurde als Eisenkonstruktion ausgeführt. Im Inneren ist die einstmals anspruchsvolle Ausstattung, vor allem im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss, vollständig verändert worden. Einen großen Bühnensaal nutzte von 1919 bis 2011 die "Tribüne", die in der Weimarer Republik eines der wichtigsten avantgardistischen Theater in Berlin war. (4)


(1) Frau und Gegenwart 25 (1928/29), H. 3, S. 72; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 207; The History of Woman Architects, hrsg. v. der Union Internationale des Femmes Architectes, Berlin 1986, S. 13, 15; Rave/Knöfel 1987, Nr. 255; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. B, Sozialbauten, Berlin 2003, S. 235 f., 337; Bauer, Corinna Isabel: Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne, Diss. Kassel 2003, S. 28; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 196; Dörhöfer, Kerstin: Pionierinnen in der Architektur, Eine Baugeschichte der Moderne, Tübingen/Berlin 2004, S. 29 f., 193.

(2) Ottilie von Hansemann (1840-1919), die sich für das Immatrikulationsrecht von Frauen einsetzte, stiftete 200.000 Mark an die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität. Nachdem die Universität die Restriktionen für weibliche Studenten nicht geändert hatte, wurde das Geld wieder abgezogen und in den Bau des Victoria-Studienhauses investiert. Emilie Winkelmann, die als erste Frau in Deutschland in Hannover Architektur studiert hatte, war 1907 vom Diplom ausgeschlossen worden. Erst ein Jahr später wurden Frauen in Preußen offiziell zum Universitätsstudium zugelassen. Deshalb musste ihr Entwurf noch dem Stadtbaurat Heinrich Seeling vorgelegt werden, der aber nur wenige Änderungen vorschlug. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 207.

(3) Das vermutlich erste in Deutschland. Die Ottilie von Hansemann Stiftung hat das Haus dem Studentenwerk vermacht. Im rückwärtigen Teil des Grundstückes (Fraunhofer Str. 25/26) wurde 1978 ein neues Studentinnenwohnheim gleichen Namens erbaut.

(4) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 327; Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, Bd. 1, hrsg. v. Helmut Engel, Stefi Jersch-Wenzel, Wilhelm Treue, Charlottenburg, Teil 1, Die historische Stadt, Berlin 1986, S. 384-406; Berliner Bezirkslexikon Charlottenburg-Wilmersdorf, hrsg. v. Hans-Jürgen Mende und Kurt Wernicke, Berlin 2005, S. 726 f.

Literatur:

  • Wirth, Irmgard: Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, Berlin 1961 / Seite 207, 327 (für Theater "Tribüne")
  • Zeidler und Wimmel, 1776-1926 / Seite 182
  • Grzywatz, Berthold: Tribüne, in: Geschichtslandschaft, Charlottenburg 1, 1986 / Seite 384-406
  • Terlinden, Ulla; von Oertzen, Susanne: Die Wohnungsfrage ist Frauensache! Frauenbewegung und Wohnreform, 1870-1933, 2006 / Seite 201-204

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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