Denkmaldatenbank

Hofkonditorei Schilling (ehem.)

Obj.-Dok.-Nr. 09096302
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Kurfürstendamm 234
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Mietshaus & Café
Datierung 1900-1901
Bauherr Giese, Elise
Entwurf Zaar und Vahl (Architekt)

In die Reihe der großen Kaffeehäuser am Kurfürstendamm gehörte die Hofkonditorei A. Schilling (1), die in dem 1900-01 nach Entwurf des Architektenbüros Carl Zaar und Rudolf Vahl ausgeführten Wohn- und Geschäftshaus Kurfürstendamm 234 1902 eine Filiale eröffnete. (2) Schräg gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gelegen, wurde das Café bald ein beliebter Treffpunkt, insbesondere ab 1911, als man den Vorgarten in eine Terrasse umbaute. Bis das Café Schilling (ab 1977 Café Möhring) 1993 auszog, war es eines der letzten Caféhäuser am Kurfürstendamm aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das prachtvolle Gebäude, das als Ersatz für ein älteres Wohnhaus bereits als herrschaftliches Mietshaus mit Geschäftsräumen im Erdgeschoss geplant worden war, dokumentiert den Wandel des Kurfürstendamms von der vornehmen Wohnstraße zum großstädtischen Boulevard. In dem heute als Ladenlokal genutzten Erdgeschoss ist die wandfeste neobarocke Innenausstattung der ehemaligen Hofkonditorei, inklusive neobarocker Wandgemälde, noch vorhanden.

Die Fassade aus Schlesischen Sandstein ist durch einen dreigeschossigen Standerker mit offener Laube und ein hohes Mansarddach mit Rundgiebel in der Mittelachse symmetrisch gegliedert. Obwohl das Gebäude gegen baupolizeiliche Richtlinien verstieß, wurde der Entwurf mit dem Argument genehmigt, dass die "projektierte Ausbildung der Facade indessen wesentlich zur Verschönerung des Straßenbildes beiträgt und eine monumentale Gestaltung der am Kurfürstendamm zu errichtenden Bauwerke wünschenswert erscheint". (3) Die Architekten schufen dabei nicht eine der am Kurfürstendamm typischen neobarocken Fassaden, sondern gestalteten sie in einer ungewöhnlichen Flächigkeit, die dem Jugendstil verwandt ist. Im Detail wurden für den Stuckdekor, ausgeführt vom Bildhauer Albert Kretzschmar, neben floralen und figürlichen jedoch auch gotische und barocke Motive adaptiert. Schmale Austritte vor den französischen Fenstern in der Mittelachse der seitlichen Fassadenhälften ersetzten die sonst üblichen Balkone. In den vier Obergeschossen verfügte das Haus über je eine großzügige Wohnung von etwa 700 Quadratmetern, deren Repräsentationsräume um eine große Diele und zwei Lichthöfe angeordnet waren. Das Treppenhaus mit dreiläufiger Treppe und Fahrstuhl ist entsprechend luxuriös ausgestattet.

Neben dem benachbarten Berolina-Haus, das als Lückenschließung 1983-86 nach Entwurf von Graaf, Schweger und Partner (4) erbaut wurde und den Fassadenaufbau der Hofkonditorei Schilling in postmoderner Architektursprache paraphrasiert, gehörten ursprünglich zwei weitere Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Ensemble Wiederaufbaugebiet "Rund um den Zoo": Das Schimmelpfeng-Haus, Kurfürstendamm 11, ein 1957-60 nach dem Entwurf von Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller erbautes Büro- und Geschäftshaus an der Westseite des Breitscheidplatzes, wurde 2009 und 2013 abgerissen, um einem Hochhausneubau Platz zu machen. (5) Das Geschäftshaus Kurfürstendamm 12 mit dem Kino Gloria-Palast im Obergeschoss, das 1952-53 nach Plänen von Siegfried Fehr und Gerhard Jäckel erbaut wurde, hatte bewusst Namen und Lage des berühmten Premierenkinos der Vorkriegszeit übernommen, das 1930 in das hier seit 1895 bestehende Erste Romanische Haus eingebaut und im Krieg zerstört worden war. (6) 2017 wurde auch dieser bemerkenswerte Nachkriegsbau, der zu den ersten Neubauten in dem stark zerstörten Gebiet gehörte, abgerissen und 2018-21 durch den Neubaukomplex "Gloria Berlin", Kurfürstendamm 12-14, ersetzt. (7)

Östlich des Breitscheidplatzes erstreckt sich bis zur Bezirksgrenze zu Schöneberg (entlang der Nürnberger und Eislebener Straße) ein Gebiet, in dem nicht nur die alte Blockstruktur des ehemaligen Wohnviertels, sondern auch vergleichsweise viele Mietshäuser der Vorkriegszeit vom Bombenkrieg verschont blieben. Nur an Tauentzien- und Augsburger Straße waren größere Schäden zu verzeichnen, aber auch hier bewahrten die Neubauten der unmittelbaren Nachkriegszeit die alte Parzellenstruktur.


(1) Die 1843 von August Schilling gegründete Konditorei wurde nach seinem Tod 1866 von seinem Neffen Hermann Giese übernommen. Dieser machte aus der Konditorei an der Friedrichstraße, Ecke Kochstraße, eine "Hofkonditorei". Ab 1895 leitete seine Frau Elise das Geschäft und trat auch als Bauherrin des Mietshauses am Kurfürstendamm auf, in das sie 1902 mit einer Filiale der Konditorei einzog. Später war hier das Hauptgeschäft, das den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstand. Vgl. www.berlingeschichte.de

(2) Wohn- und Geschäftshaus Kurfürstendamm 234 in Berlin. In: Architektonische Rundschau 20 (1904) H. 7, S. 56, T. 54, 55; Gundlach, Wilhelm: Geschichte der Stadt Charlottenburg, Bd. 1, Berlin 1905., S. 552; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 426; Metzger, Karl-Heinz/Dunker, Ulrich: Der Kurfürstendamm, Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte, Berlin 1986, S. 82, 278; von Lessen, Christian: Muß das Café Möhring einem Bekleidungsgeschäft weichen? In: Der Tagesspiegel vom 22.05.1993; N.N.: Ende eines Kaffeehauses. In: Berliner Zeitung vom 02.06.1993, S. 1; Matthies, Corinna: Café Möhring an der Gedächtniskirche schließt. Kudamm-Image schuld? In: Berliner Morgenpost vom 02.06.1993, S. 9; Kuschel, Stefan: Am 30. Juni ist das Café Möhring Geschichte. In: Der Tagesspiegel vom 02.06.1993, S. 9.; Von Haus zu Haus am Kurfürstendamm, Geschichte und Geschichten über Berlins ersten Boulevard, hrsg. v. Museum Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Berlin 2011, S. 232.

(3) Bauakte Kurfürstendamm 234 (BA Charlottenburg-Wilmersdorf, Bauaktenarchiv).

(4) BW 74 (1983), H. 16, S. 618 f.; Bauten der 80er Jahre in Berlin, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1987, Nr. 21.

(5) Das 2013-17 nach Entwurf von Christoph Langhof errichtete 119 Meter und 33 Geschosse hohe Gebäude "Upper West" entstand neben dem bereits 2008-12 ausgeführten "Zoofenster", Hardenbergstraße 27-28, das von Christoph Mäckler mit 118 Metern und 32 Geschossen entworfen worden war.

(6) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 337-338; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IX, Industriebauten - Bürohäuser, Berlin-München-Düsseldorf 1971, S. 214; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bd. A, Bauten für die Kunst, Berlin-München 1983, S. 203; Huse 1989, S. 313 f.; Von Haus zu Haus am Kurfürstendamm 2011, S. 12; Baukunst der Nachkriegsmoderne, Architekturführer Berlin 1949-1979, hrsg. v. Adrian von Buttlar, Kerstin Wittmann-Englert, Gabi Dolff-Bonekämper, Berlin 2013, S. 77. Der erste, Anfang der 1930er Jahre eingerichtete Gloria-Palast befand sich im ersten und zweiten Obergeschoss des für diese Zwecke umgebauten Innenhofes des Romanischen Hauses, das 1895 von Franz Schwechten als Teil des "Romanischen Forums" mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erbaut worden war. Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Gebäude, dessen Außenmauern allerdings noch standen, wurde für den Neubau des Büro- und Verwaltungsgebäudes mit Kino abgeräumt. Der neue Gloria-Palast fand seinen Platz erneut im ersten und zweiten Obergeschoss des siebengeschossigen Neubaus.

(7) Dieser bezieht auch das denkmalgeschützte Mietshaus Kurfürstendamm 15 (s. dort) ein, das jedoch nicht Teil des Ensembles Breitscheidplatz u.a. ist.

Literatur:

  • Gundlach I, 1905 / Seite 56
  • N.N./ Wohn- und Geschäftshaus Kurfürstendamm 234 in Berlinin
    Architektonische Rundschau 20 (1904) 7 / Seite 426
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 82, 278
  • Metzger, Dunker/ Der Kurfürstendamm, 1986 / Seite 22.05.1993
  • N.N./ Ende eines Kaffeehauses in
    Berliner Zeitung / Seite 02.06.1993; S. 9
  • Matthies, Corinna, Café Möhring an der Gedächtniskircheschließt. Kudamm-Image schuld? in
    Berliner Morgenpost / Seite 02.06.1993; S. 9
  • Kuschel, Stefan, Am 30. Juni ist das Café Möhring Geschichtein
    Tagesspiegel

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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