Denkmaldatenbank

Haus Arnold Zweig

Obj.-Dok.-Nr. 09096278
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Kühler Weg 9
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1930-1931
Umbau 1938
Entwurf Rosenthal, Harry (Architekt)
Entwurf Kleiner, Heinrich (Architekt)
Bauherr Zweig, Arnold (Schriftsteller)
Bauherr Kaupisch, Leonhard & Kaupisch, Margarethe (Fliegergeneral)
Ausführung Ruhle und Ziese (Bauausführungen)

Zu den prominenten Bewohnern, die in der Siedlung Eichkamp ein Eigenheim erwarben, gehört der Schriftsteller und Kulturphilosoph Arnold Zweig. Neben seinem Wohnhaus am Zikadenweg 59 (1), das er mit seiner Familie 1928 bezog, besaß er in unmittelbarer Nachbarschaft das Atelierhaus, Kühler Weg 9. (2) Das 1930-31 nach Plänen von Harry Rosenthal errichtete Dichterhaus am Waldesrand diente Zweig als Arbeitsplatz sowie für berufliche Zusammenkünfte und Gespräche. (3) In Harry Rosenthal fand Zweig, der wie viele der jüdischen Berliner Oberschicht dem Neuen Bauen zugeneigt war, einen gleichgesinnten Architekten. Dieser schuf für den Dichter, der an einem Augenleiden litt, einen lichtdurchfluteten "weißen Würfel" (4) nach den ästhetischen und funktionalen Prinzipien des modernen Bauens. Der für das Ourve Rosenthals programmatische Bau fand in der damaligen Fachpresse großen Widerhall, verlor allerdings nach einem rigorosen Umbau 1938 sein ursprüngliches Aussehen. Nur zwei Jahre konnte Arnold Zweig in Eichkamp wohnen und arbeiten, 1933 floh er vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Palästina. Sein Besitz wurde enteignet und das Haus im Kühlen Weg zum Kauf angeboten. 1938 ließ es der neue Besitzer Leonhard Kaupisch, seit 1935 General der Flieger, im Sinne der NS-Kunstdoktrin umbauen und erweitern, um "ein[en] Schandfleck in der Gegend verschwinden" zu lassen, wie Kaupisch seine Baueingabe erläuterte. (5)

Der kleine kubische Bau umfasste einst nur ein 45 Quadratmeter großes Studio, eine Koch- und Essnische und auf der ersten Etage ein Schlafzimmer mit Bad und Terrasse. Süd- und Westfront öffneten sich mit teilweise vollständigen Verglasungen zum Garten, der mit Holzpergolen und Spalieren mit dem Haus konzeptionell verspannt war. Im Gegensatz dazu war die Straßenfassade eine geschlossene Fläche, wo, wie noch heute, allein ein vertikal eingeschnittenes Fensterband das Treppenhaus belichtet. Wohl auch aufgrund des schmalen Grundstücks hatte Rosenthal eine Platz sparende, innovative vorgefertigte Holzskelettkonstruktion gewählt, die mit Platten verkleidet war und großflächige Öffnungen ermöglichte. Beim Umbau 1938 wurden die Glasflächen zugemauert, neue Fenster eingebaut und das Flachdach durch ein Giebeldach ersetzt. Trotz der damit verbundenen Zerstörung des künstlerischen Konzepts bezeugt das Haus einen kultur- und architekturgeschichtlich bedeutenden Ort im Leben und Wirken von Arnold Zweig und Harry Rosenthal, der zu den wichtigen Architekten und Designern des sachlichen Bauens in Deutschland zählt, deren Werke nicht zuletzt aufgrund einer jüdischen Abstammung in Vergessenheit gerieten. Auch er war 1933 zur Emigration nach Palästina gezwungen.


(1) Die Doppelhaushälfte lag im Siedlungsabschnitt der Gehag (1925-27), Entwurf Bruno Taut, nach 1945 durch einen Neubau ersetzt. 1987 Anbringung einer Berliner Gedenktafel für Arnold Zweig an der Straßenfassade.

(2) Die Werkstatt Arnold Zweigs, Architekt Harry Rosenthal, Mit einem Geleitwort des Dichters. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau 16 (1932), S. 101-104, 149; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. C, Die Wohngebäude, Einfamilienhäuser; Berlin-München-Düsseldorf 1975, Objekt-Nr. 1817; Voß, Karl: Reiseführer für Literaturfreunde Berlin, Frankfurt/M. 1980, S. 439 f.; Goos/Heyde 1999, S.194-198; Balkow-Gölitzer, Harry/ Reitmeier, Rüdiger/Biedermann, Bettina/Riedel, Jörg: Prominente in Berlin-Westend und ihre Geschichten, hrsg. v. Burkhardt Sonnenstuhl, Berlin-Brandenburg 2007, S. 187-190; Wahrhaftig, Myra: Sie legten den Grundstein, Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Deutschland und Palästina 1918-1948, Tübingen-Berlin 1996, S. 277, 285; Claus, Sylvia: Harry Rosenthal, Architekt und Designer in Deutschland, Palästina, Großbritannien, Zürich 2006, S.17-20, 104-109, 217 (dort weitere Literaturangaben).

(3) Nach seinem literarischen Durchbruch mit dem Weltkriegsroman "Der Streit um den Sergeanten Grischa" suchte Zweig einen ruhigen Ort zum Schreiben, abseits von der räumlichen Enge am Zikadenweg.

(4) Die Werkstatt Arnold Zweigs, Architekt Harry Rosenthal, Mit einem Geleitwort des Dichters. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau 16 (1932), S. 101-104.

(5) Bauaktenarchiv Charlottenburg-Wilmersdorf. Architekt des Umbaues war Heinrich Kleiner. Siehe dazu auch: Der Sturm der Bilder, Zerstörte und zerstörende Kunst von der Antike bis in die Gegenwart, hrsg. v. Uwe Fleckner, Maike Steinkamp, Hendrik Ziegler, Berlin 2011, S. 177-187.

Literatur:

  • Wasmuths Monatshefte für Baukunst 16 (1932) 3 / Seite 101 f.
  • BusB IV C 1975 / Seite Nr. 1817
  • Tendenzen der Zwanziger Jahre, 1977 / Seite Nr. 2/983-984 (Erwähnung)
  • Voß/ Reiseführer für Literaturfreunde - Berlin, 1986 / Seite 445-446
  • Warhaftig, Myra,[?]

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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