Denkmaldatenbank

Müllverladestation

Obj.-Dok.-Nr. 09096206
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Helmholtzstraße 42
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Müllverladestation
Entwurf 1935
Datierung 1936-1937
Entwurf Baumgarten, Paul (Architekt)
Bauherr Städtische Müllbeseitigungsanstalt

Der Stichkanal bot ideale Voraussetzungen für die Anlage einer Müllverladestation, die Anfang der 1930er Jahre für die Entsorgung des Berliner Hausmülls dringend benötigt wurde. Der Wasserweg war die zweckmäßigste Beförderung, um die riesigen Mengen in das Berliner Umland zu transportieren. (1) Um das Umladen des Mülls von Pferdefuhrwerken auf Transportschiffe möglichst effizient zu gewährleisten, entwarf der Architekt Paul G. R. Baumgarten 1932 die Müllverladestation, Helmholtzstraße 42. (2) Der innovative Industriebau steht auf einer breiten Rampe über der Wasseroberfläche, die es ermöglichte, dass die Sammelfahrzeuge in eine verschließbare Halle einfahren, über eine Schüttvorrichtung Schiffe in der darunterliegenden Wasserhalle befüllen und am anderen Ende wieder hinausfahren konnten. In seiner funktionalen und ästhetisch markanten Gestalt stellt das 1934-36 ausgeführte Bauwerk eines der hervorragendsten Beispiele für das von der Moderne propagierte Ideal der Verschmelzung von Form und Funktion dar. Als dynamischer, frachtschiffartiger Technikbau verdeutlicht er, dass sich auch in der NS-Zeit Vertreter des Neuen Bauens im Industriebau noch behaupten konnten. Bei der umfassenden Sanierung und dem Umbau zum eigenen Architekturbüro durch Joseph Paul Kleihues 1988-91 wurde das Gebäude in großen Teilen wiederhergestellt. An der Südseite der Wasserhalle wurden 1995-96 zusätzliche Räume geschaffen, indem die vorher offene Konstruktion geschlossen wurde. (3)

Der Bau ist eine im Wasser gegründete und in großen Teilen mit rotbraunen Klinkern ausgefachte Stahlskelettkonstruktion, die in ihrer Form dem funktionalen Ablauf des Verladeprozesses folgt. Das charakteristische, lang gestreckte und vorn abgerundete Deck mit hoher Brüstung über dem Hafenbecken bildete die Zufahrts- und Ausfahrtsrampe sowie die Wendeschleife für die Müllfahrzeuge, die in der Verladehalle über vier trichterförmige Fallschächte auf die Lastschiffe in der darunter liegenden Wasserhalle entladen wurden. Der rechteckigen Verladehalle mit umlaufenden, durch schlanke Profile vertikal gegliederten Oberlichtern und großen Holztoren ist ein Querriegel vorgelagert - ein aufgeständerter Bau, der an eine Kommandobrücke denken lässt. Hier oben war die Schaltwarte, von der aus die Technik der Anlage, die großen automatischen Zu- und Ausfahrtstore der Halle, die Fallschächte, Entstaubungs- und Sprinkleranlage gesteuert und kontrolliert wurden. Ein Raum daneben war als Aufenthaltsraum sowie für die Verpflegung der Müllkutscher eingerichtet, für die im Untergeschoss noch Warmhalteöfen erhalten sind. In der Wasserhalle mit seitlichen Laufgängen, die durch Toren zur Spree verschlossen werden kann, erkennt man noch die Rohre der Sprinkler- und Entstaubungsanlage.


(1) Die Anlage war die erste ihrer Art. Sie diente dazu, einen Teil des Berliner Hausmülls von den mit Pferdegespannen gezogenen Müllfahrzeugen rationell und hygienisch auf Lastkähne umzuladen und über die Spree abzutransportieren, wo die Abfälle auf einem großen Sumpfgelände in Golm bei Potsdam abgelagert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Art der Müllentsorgung obsolet, die Anlage 1953 stillgelegt und das Gebäude bis 1985 von der Berliner Stadtreinigung für andere Zwecke genutzt.

(2) WMH 21 (1937), S. 257-261; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 582 f.; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, Obj. 209; Huse, Norbert (Hrsg.): Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Berlin 1988, S. 210 f.; Paul Baumgarten, Bauten und Projekte 1924-1981, hrsg. v. Akademie der Künste, Berlin (Schriftenreihe der Akademie der Künste, Bd. 19), Berlin 1988, S. 116-119; Wolfgang Schäche, Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945 (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beih. 17), Berlin 1991, S. 460-462; Annette Menting, Paul Baumgarten, Schaffen aus dem Charakter der Zeit (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, hrsg. vom Landesdenkmalamt Berlin, Beiheft 27), Berlin 1998, S. 33-77; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 6. Aufl., Berlin 2001, Nr. 336; Donath, Matthias, Architektur in Berlin 1933-45, Berlin 2004, S. 115 f.

(3) Im Wesentlichen ist die sanierte Müllverladestation in ihrer Bausubstanz und in ihrem Charakter erhalten, auch wenn die heutige Nutzung Veränderungen im Inneren nötig machte, wie die Dämmung von Wänden und Fußboden und die Verglasung der Toröffnungen, deren hölzerne Klappläden jedoch noch vorhanden sind.

Literatur:

  • N.N./ Werkbauten von Paul Baumgarten, Berlin, 1. Ein Müllverladebahnhof =Monatshefte für Baukunst und Städtebau 21 (1937) / Seite 257-261
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 582-583
  • Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1985 / Seite Nr. 209
  • Verloren - gefährdet - geschützt, Berlin 1988 / Seite 210f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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