Denkmaldatenbank

Haus Dr. Sternefeld

Obj.-Dok.-Nr. 09096202
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Heerstraße 107

Ragniter Allee
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1923
Umbau 1932
Entwurf Mendelsohn, Erich (Architekt)
Bauherr Sternefeld, Walther (Arzt)
Ausführung Rothbart und Co. (Baugeschäft)

In Ecklage zur Ragniter Allee ließ sich das Ärztepaar Walter und Ruth Sternefeld 1923-24 nach Plänen von Erich Mendelsohn mit dem Haus Dr. Sternefeld, Heerstraße 107 ein für seine Bauzeit außerordentlich modernes Einfamilienwohnhaus errichten. (1) Neben dem kurz zuvor 1921-22 ebenfalls nach Plänen Mendelsohns erbauten Doppelwohnhaus Karolingerplatz 5/5a zählt es zu den frühen Berliner Wohnhäusern mit Flachdach. Die Konstruktion mit Stahlbetonskelett und massiv gemauerten Wandscheiben wurde von der Firma Rothbart & Co ausgeführt. (2) Mit seinen geschichteten und miteinander verschränkten Gebäudekuben entwickelt das Wohnhaus vor allem in der Schrägansicht des Kreuzungsbereiches eine wirkungsvolle Dynamik. Zugunsten einer großzügigen Terrasse im Norden ist das Obergeschoss weit nach Süden zurückgesetzt, wodurch die Baukuben der einzelnen Ebenen gegeneinander verschieben. In den Baukörper eingeschnitten modelliert dabei der Hauseingang die Ansichten ebenso skulptural wie das um die Ecke geführte Fensterband der oberen Ebene. Auch der Materialkontrast der hell in sandigem Farbton verputzten Fassaden (3) zu den farblich leicht variierenden Eisenklinkern an Gebäudesockel, Fensterbändern und Eingangsbereich trägt zur Erscheinung des Gebäudes bei. Dabei spiegeln der Verzicht auf historisierende Elemente und die Formgebung in Abhängigkeit der Gebäudenutzung konsequent die Ideen der Klassischen Moderne wider. Eine massiv gemauerte Garteneinfassung schafft gemeinsam mit der dichten Bepflanzung der architektonisch aufgefassten Freiflächen einen intimen Charakter gegenüber dem Straßenraum. Im Norden führt jedoch ein Gartenweg einige Stufen zum Hauseingang hinauf und läuft aufgrund der eingezogenen Gebäudeecke scheinbar in das Wohnhaus hinein. Nördlich zur Heerstraße, wo ein kurzer Westflügel ausgebildet ist, lagen Küche und Mädchenkammer und schlossen südlich über eine Anrichte an die Gesellschafts- und Praxisräume an. Von der im Osten gelegenen Erdgeschossdiele führt eine dreiläufige Treppe in das deutlich kleinere Obergeschoss. Westlich von Bad und Gästezimmer begrenzt, band die obere Diele im Norden an die weitläufige Terrasse an, während im Süden nebeneinander das großzügige Kinder- und das Elternschlafzimmer mit vorgeschalteter Ankleide folgten. Ihnen wurde eine kleine eigenständige Terrasse auf der Südseite des Hauses zugeordnet. Die Verbindung von Garten- und Wohnraum, die im Erdgeschoss über großzügige Sichtbeziehungen in unterschiedlich gestaltete Freiräume geschaffen wird, ist somit im Obergeschoss mit den beiden Terrassen ebenfalls gegeben. Die Dachebene war zunächst lediglich als Trockenboden mit innenliegendem Atrium zum Sonnen angelegt und über eine Stiege erreichbar. Kurz nach Fertigstellung des Hauses verschlechterte sich jedoch die finanzielle Situation der Bauherren. Um Erd- und Obergeschoss vermieten zu können, ließen sie 1932 ebenfalls nach Plänen Mendelsohns das Dachgeschoss als eigenständige Wohnung für sich ausbauen. (4) Hierfür wurden neue quadratische Fensteröffnungen eingebrochen, die der Architekt zunächst in Form von Bullaugen geplant hatte. (5) Die Familie emigrierte 1940 nach Santiago de Chile und verkaufte das Haus unter Zwang. (6) Der vorgesehene Abbruch im Zusammenhang mit Speers Hochschulbauprojekt im Grunewald unterblieb jedoch. 1955 erfolgte dann die Restitution des bereits als Altenheim genutzten Gebäudes, das anschließend veräußert wurde. (7) Die Funktion als Alterspension bedingte beträchtliche Umbauten im Hausinneren und überformten auch die Treppe zum Obergeschoss. (8) Nach längerer Verwahrlosung erfolgte 1963 schließlich eine Grundstücksteilung, woraufhin der Hausgarten im Westen für zwei Neubauten mit Eigentumswohnungen wesentlich verkleinert wurde. Jedoch konnte auch eine denkmalgerechte Instandsetzung des Wohnhauses durch den Architekten Götz-Joachim Gottschalk vorgenommen werden. Trotz Unterteilung in mehrere Wohnungen sind wesentliche Bereiche der ursprünglichen Raumgliederung wiedergewonnen, die in Resten erhaltene Treppe zum Obergeschoss rekonstruiert, aber auch die nachträglich nach Plänen Mendelsohns eingebauten Fenster der Dachebene wieder zugesetzt worden. (9)


(1) Bauakten BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 1-5; WMH 8, 1924, S. 62-63; Müller-Wulckow, Walter: Deutsche Baukunst der Gegenwart, Wohnbauten und Siedlungen, Königstein i. T./Leipzig 1929, S. 53; Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten, 402 Abbildungen, Skizzen, Entwürfe, Bauten, Berlin 1930, S. 102-103; Johannes 1931, S. 33 (Nr. 38); Whittick, Arnold: Eric Mendelsohn, 2. Aufl. New York 1956, S. 205, Nr. 12; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 438-439; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1963, Nr. 49 (S. 59); Akademie der Künste (Hrsg.): Bauen in Berlin 1900-1964, Berlin 1964, S. 78; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968; Nr. 178 (S. 142); Akademie der Künste (Hrsg.): Erich Mendelsohn, Berlin 1968, S. 46-48; Zevi, Bruno: Erich Mendelsohn, Opera Completa, Architetture e imagini architettoniche, Mailand 1970, S. 100-103; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. C, Die Wohngebäude, Einfamilienhäuser; Berlin-München-Düsseldorf 1975, S. 182, Nr. 1811; 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1977, S. 43; Tendenzen 1977, S. 2/31, S. 2/170; Börsch-Supan, Eva u. Helmut: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 2. Aufl. Stuttgart 1977 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 478-479; Hüter 1987, S. 344; Börsch-Supan, Eva u. Helmut/Kühne, Günther/Reelfs, Hella: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 4. Aufl. Stuttgart 1991 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 301; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 138, Nr. 222; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, S. 104; Dehio 2000, S. 186; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 118; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u. a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 245.

(2) Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, fol. 9.

(3) Der Außenputz wurde 1965 erneuert: Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, fol. [47]

(4) Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, fol. 19 ff.

(5) Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, fol. 21 und 22.

(6) Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, fol. 41.

(7) Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 2, ohne fol. [121].

(8) Die Nutzung als Altersheim bestand bis 1969. Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 3, fol. 18 und fol. 44.

(9) Die denkmalgerechte Instandsetzung wurde 1975-77 in Verbindung mit Umbaumaßnahmen durchgeführt. Bauakte BWA-Charlottenburg, Heerstraße 107, Band 5.

Literatur:

  • BusB IV C 1975 / Seite 182 f., Nr. 1811
  • Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hg.)/ Charlottenburg Heerstr. 107. Instandsetzung. Umbau. Restaurierung. 9/81

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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