Denkmaldatenbank

Tattersall des Westens

Obj.-Dok.-Nr. 09096180
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Grolmanstraße 47
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Mietshaus & Reithalle
Fertigstellung 1900
Entwurf Ziechmann, A. & Mittag, Heinrich (Maurermeister)
Bauherr Knaudt, Carl

Durch seine einfache, sorgfältig gearbeitete Blendziegelfassade fällt das viergeschossige Mietshaus Grolmanstraße 47 in der sonst von Putzbauten dominierten Umgebung auf. Das im Jahr 1900 nach Plänen der Maurermeister August Ziechmann und Heinrich Mittag erbaute Haus mit Giebelaufsatz und einer großen Tordurchfahrt verweist schon an der Straßenfront mit einem Stuckrelief, das die Aufschrift "C K Tattersall" trägt, und mit dem aufgemalten Schriftzug Tattersall des Westens an der rückwärtigen Fassade auf den Eigentümer, den Reitbahnbesitzer Carl Knaudt, und auf die bewegte Geschichte des Mietshauses. (1) Das Mietshaus ist der einzige erhaltene Rest eines größeren Baukomplexes auf dem schmalen, an seiner Nordseite unmittelbar an den Stadtbahnviadukt grenzenden Grundstück, zu dem ehemals eine zweigeschossige Reithalle (Uhlandstraße 18-19) sowie Stallungen, Remisen, Sattlerei und Geschirrkammer in den Stadtbahnbögen gehörten. (2) Bis auf das Wohngebäude, das für die wohlhabenden Kunden des Tattersall auch ein Casino und Gesellschaftsräume bot, wurden alle Bauten im Zweiten Weltkrieg zerstört und abgerissen; ein Fußweg entlang der Stadtbahn (Jeanne-Mammen-Bogen) erlaubt den Durchgang zwischen Grolman- und Uhlandstraße über das ehemalige Reitstall-Gelände. Auch die Gaststätte im Erdgeschoss, mit Durchbruch in das Haus Grolmanstraße 46, die als "Diener Tattersall" Mitte der 1950er Jahre eröffnet wurde und mitsamt seiner damaligen Einrichtung erhalten ist, hält die Erinnerung an den Tattersall des Westens aufrecht. (3)


(1) Ein Tattersall, benannt nach dem englischen Trainer Richard Tattersall (1724-1795), der eine solche Halle erstmalig 1777 in London eröffnet hatte, war ein Unternehmen zur Unterbringung, Pflege sowie Verleih und Verkauf von Pferden, das aber auch Reitunterricht anbot und als Treffpunkt diente. In Berlin gab es insbesondere in der Nähe des Tiergartens mehrere solcher Einrichtungen, in Charlottenburg sind im Adressbauch 1913 neben dem Tattersall des Westens drei weitere genannt. Vgl. Ende, Gerd von: Berliner Hufgeklapper, Pferde als Spiegel der Vergangenheit, Berlin 2020, Kap. 2.

(2) In einer Anzeige von 1903 preist sich der Tattersall des Westens/ C. Knaudt als das "vornehmste Reit-Institut des Westens" an, das über "vorzügl. Reitpferde zum Verleihen, zwei elegante Reitbahnen, helle luftige Wagenremisen und tadellose, allen Anforderungen der Neuzeit entspr. Pensions-Stallung für über 200 Pferde" verfügt. Vgl. Ende, Gerd von: Berliner Hufgeklapper, Pferde als Spiegel der Vergangenheit, Berlin 2020, S. 47; https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?threa d/260-berlin-in-alten-fotografien/&pageNo=75

(3) Der Boxer Franz Diener (1901-1969), ehemaliger Deutscher Meister im Schwergewicht, übernahm das Lokal, das sich zu einem Treffpunkt von Boxern und Künstlern entwickelte, deren Porträts noch immer die Wände schmücken. Vgl. Füsers, Clemens: Jahrhundertkneipen in Berlin, Berlin 2018, S. 8-19; www.diener-berlin.de

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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