Denkmaldatenbank
Villa Mendelsohn
09096079 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Am Rupenhorn 6 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Wohnhaus |
Entwurf | 1928 |
Datierung | 1929 |
Umbau | 1987-1988 |
Entwurf & Bauherr | Mendelsohn, Erich (Architekt) |
Entwurf | Stocker, Norbert (Architekt) |
Ausführung | Held und Francke AG (Baugeschäft) |
Das Haus Mendelsohn, Am Rupenhorn 6, welches weit von der Straße zurückliegt, wird durch eine hohe Kalksteinmauer vom Straßenraum abgegrenzt. (1) Der so geschaffene intime Charakter des Gartengrundstückes steht im Kontrast zu der repräsentativen, geradlinig auf das Einfamilienwohnhaus zuführenden Auffahrt. Mendelsohn erwarb bereits 1928 zwei Parzellenstreifen, die zum bestehenden durchgehenden Hanggrundstück zwischen Stößensee und Am Rupenhorn vereint wurden. (2) An der Hügelkante gelegen, entwarf der Architekt das 1929-30 von der Aktiengesellschaft Held & Francke für sich und seine Familie realisierte Wohnhaus. Dabei fallen die geradlinigen, deutlich am Neuen Bauen orientierten Formen der Architektur auf, die eine Abkehr von seinen häufig zusätzlich expressiv geschwungenen Entwürfen belegen. (3) Mendelsohn wusste die Topografie des Geländes zu nutzen und bildete im Osten und Westen jeweils eine Terrasse auf unterschiedlich modellierter Geländehöhe aus. Bietet die seeseitige Terrasse eine weite Aussicht in die Havellandschaft, so war die östliche Freifläche auch für kleinere Theateraufführungen vorgesehen. Die geschlossene Wandfläche der anschließenden Erdgeschossfassade diente daher mitunter als Bühnenprospekt. Entsprechend des Geländegefälles tritt der weißgelb verputzte Mauerwerksbau mit flach geneigtem, hinter der Attika verborgenem Dach an der Seeseite drei- zur Straße jedoch nur zweigeschossig in Erscheinung. Die Fassaden prägen geschlossene Wandflächen, durchzogen von langgestreckten Fensterbändern, die im Osten auf die Obergeschossebene reduziert sind. Zur Gartenterrasse im Westen ist auch das Erdgeschoss über ein Band aus teilweise im Boden versenkbaren Panoramafenstern geöffnet. Der langgestreckte Grundriss nimmt im Erdgeschoss eine durchgehende, nur über eine eingestellte Wandscheibe gegliederte Raumfolge aus Musikzimmer (4) und Halle entlang der Terrasse auf. Das Esszimmer ist im Nordwesten in den Garten hinausgeschoben und Küche und Garderobe liegen in einem nordöstlich angesetzten Trakt, der auch den Eingang aufnimmt. Oberhalb zeigt das im Norden über eine zweiläufige Treppe und einen einhüftigen Flur entlang der Westfassade erschlossene Obergeschoss eine kleinteilige Untergliederung mit Schlaf- und Gästezimmern sowie Bädern. Mendelsohns Publikation seines Hauses von 1932 gibt im Inneren von ihm entworfene Möbel und Kunstwerke von Amédée Ozenfant und Ewald Mataré wieder. (5) Trotz der kurzen Zeit, die Familie Mendelsohn in dem unkonventionellen Haus verbrachte, entwickelte sich das Anwesen zu einem Salon der Berliner Intellektuellen in dem unter anderem der französische Schriftsteller André Gide, Albert Einstein und der spätere erste Staatspräsident von Israel, Chaim Weizmann, (6) verkehrten. Bereits 1933, zweieinhalb Jahre nach Bezug des eigenen Hauses, emigrierte die Familie zunächst in die Niederlande, im Jahr darauf nach London. Der neue Besitzer Hans Brochhaus ließ 1936 im Garten ein Schwimmbecken errichten. (7) Der Anbau einer gedeckten Garagentreppe erfolgte 1987-88. (8) Auch wurden im Souterrain eine Einliegerwohnung eingerichtet und einige Räume im Obergeschoss verändert. Der Charakter des Gebäudes blieb jedoch erhalten. Baukünstlerisch herausragend, repräsentiert das Einfamilienhaus den Wohnsitz eines Intellektuellen der Berliner Oberschicht am Ende der 1920er Jahre und verkörpert die architektonische wie künstlerische Avantgarde auf der Höhe ihrer Zeit.
(1) Bauakten BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 6, Band 1-3; Whittick, Arnold: Eric Mendelsohn, 2. Aufl. New York 1956, S. 86-90, S. 206, Nr. 37; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 442-443; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1963, Nr. 46 (S. 58); Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, Nr. 183 (S. 144); Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. C, Die Wohngebäude, Einfamilienhäuser; Berlin-München-Düsseldorf 1975, S. 188-189, Nr. 1815; Akademie der Künste (Hrsg.): Erich Mendelsohn, Berlin 1968, S. 84-87; Zevi, Bruno: Erich Mendelsohn, Opera Completa, Architetture e imagini architettoniche, Mailand 1970, S. 189-195; Börsch-Supan, Eva u. Helmut: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 2. Aufl. Stuttgart 1977 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 480; Karl-Heinz Hüter, Architektur in Berlin 1900 - 1933, Berlin 1987, S. 343; Börsch-Supan, Eva u. Helmut/Kühne, Günther/Reelfs, Hella: Berlin, Kunstdenkmäler und Museen, 4. Aufl. Stuttgart 1991 (Reclam, Kunstführer Deutschland), S. 302; Posener, Julius: Fast so alt wie das Jahrhundert, Basel/Berlin/Boston 1993, S. 229; Tönnesmann, Andreas/Maurer, Bruno/Heinze-Greenberg, Ita: Häuser, die Geschichte machten, 1920 bis 1940, München 1998, S. 74-93; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 140, Nr. 225; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, S. 140; Dehio 2000, S. 184-185; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 183; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u. a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 242.
(2) Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 6, Band 1, fol. 2.
(3) Der Unterschied wird beispielsweise zu seinen frühen architektonischen Erfolgen, dem Einsteinturm in Potsdam (1920-22) und der Hutfabrik Friedrich Steinberg in Luckenwalde (1921-23) deutlich. Aber auch im Vergleich zu dem in zeitlicher Nähe errichteten ehemaligen Wohn- und Geschäftskomplex (WOGA) am Kurfürstendamm (1927-31) wird eine abweichende Entwurfsintention zwischen geschwungenen Konturen für den Geschäftshauskomplex und geradliniger Strenge für das eigene Wohnhaus verständlich.
(4) Seine Frau Luise Mendelsohn war Musikerin und hatte in London, Leipzig und Berlin Cello studiert. Auch Mendelsohns Mutter Emma Esther Mendelsohn galt als musikalisch und soll dieses Talent ihren Kindern weitergegeben haben.
(5) Mendelsohn, Erich: Neues Haus - Neue Welt, mit Beiträgen von Amédée Ozenfant und Edwin Redslob, Berlin 1932.
(6) Mendelsohn war vermutlich seit 1906 Mitglieder der Zionistischen Vereinigung für Deutschland.
(7) Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 6, Band 1, fol. 53 ff.
(8) Planung von Norbert Stocker: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 6, Band 2, fol. 198 ff.
Literatur:
- Zevi, Bruno/ Erich Mendelsohn. Opera completa, Milano 1970 / Seite 188-195
- Heinze-Greenberg, Ita, Erich Mendelsohn in
Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 503-504 - Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 442f.
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite Nr. 183
- BusB IV C 1975 / Seite Nr. 1815 (dort weitere Literatur) Nr. 2213 (Garten)
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1963 / Seite Nr. 46
- Kunstführer Berlin, 1977 / Seite 480-481
- Erich Mendelsohn, Ausstellungskatalog, Berlin 1987 / Seite 12, 14, 19, 81-83
- Posener/ Fast so alt wie das Jahrhundert, Berlin 1990 / Seite 228ff.
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