Denkmaldatenbank

Haus Lindemann mit Wirtschafts- und Nebengebäude

Obj.-Dok.-Nr. 09096078,T
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Am Rupenhorn 5
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Wirtschaftsgebäude & Nebengebäude

Zur Straße durch eine hohe Mauer aus Rüdersdorfer Kalkstein begrenzt, ist das steil zum Stößensee abfallende Grundstück das Hauses Lindemann, Am Rupenhorn 5 nur schwer einsehbar. (1) Das Bauensemble umfasst neben dem weit zurückgelegenen Landhaus die beiden nahe der Straße erbauten Nebengebäude, welche die repräsentative Zufahrt rahmen: das Wirtschaftsgebäude im Süden und das Pförtnerhaus im Norden. Bereits im Januar 1929 hatte sich der Kaufmann Paul Lindemann einen Entwurf der Hamburger Architekten Hans und Oskar Gerson vorlegen lassen, der ihn jedoch nicht überzeugte. (2) Das kurz darauf ausgearbeitete Projekt des für seine gemäßigt modernen Entwürfe bekannten Bruno Paul sah ein zweigeschossiges Landhaus mit durchgehender Terrasse an der Hangkante vor und ergänzte zur Straße ein flaches Wirtschaftsgebäude. Die Ausführung des Ensembles lag bei der Philipp Holzmann AG. (3) Es entstand ein kubischer, unterkellerter Baukörper mit sehr flach geneigtem Walmdach, der durch die beiden eingeschossig angesetzten kurzen Flügel im Südosten und Nordwesten ergänzt wird. Mit dem östlichen Flügel, der auch den Hauseingang aufnimmt, begrenzt das Wohnhaus am Ende der Auffahrt eine Hofsituation. Der Flügel auf der Terrassenseite im Westen ist hingegen das Ergebnis eines Umbaus von 1937 durch Ernst Sagebiel, (4) wobei ein zuvor überdeckter Sitzbereich der Terrasse geschlossen wurde. (5) Die langgestreckten Fassaden zu Hof und Havel umfassen jeweils zehn Fensterachsen, die streng gerastert sind. Zum Hof zeigt das Erdgeschoss Tuffsteinverkleidungen mit bruchrauer Oberfläche und darüber am Obergeschoss eine rote Ziegelverblendung. Zur Terrasse ist hingegen auch das Erdgeschoss ziegelsichtig. Die hellen Travertingewände der Fassadenöffnungen bilden dabei einen scharfkantigen Kontrast zu den dunkleren Bachsteinfassaden. Bemerkenswert ist die Eingangsgestaltung am kurzen Flügel zum Hof: das zweiflügelige Portal liegt eingezogen an der Gebäudeecke und seine Wandgestaltung ist als Bandrustika mit groben Bossenquadern aufgefasst. Im Kontrast dazu steht das zugehörige Regendach mit effektvoller Schattenfuge. Neben den flachen, weit vorstehenden Dachabschlüssen des Landhauses darf die Eingangsgestaltung als deutlichstes Zitat des Neuen Bauens in diesem Spätwerk Bruno Pauls gelten. Dabei kombinierte er auch hier geschickt moderne Elemente (Flachdach mit Schattenfuge) mit traditionellen Erscheinungen (Bossenquaderung). Das Innere prägen auf Erdgeschossebene repräsentative Gesellschaftsräume, die sich vor allem entlang der Gartenterrasse aufreihen und teilweise über faltbare Türen miteinander verbunden sind. Besonders die "Wohnhalle" (6) schafft über ein breites Panoramafenster eine eindrucksvolle Sichtbeziehung in die umgebende Havellandschaft. Küche und Wirtschaftsräume lagen im Osten zum Hof, während die über zwei Geschosse reichende Diele mit der zweiläufigen Obergeschosstreppe am Übergang zum kurzen Ostflügel liegt. Neben den edlen Travertinoberflächen und den schmiedeeisernen Treppengeländern verdient in der Diele vor allem die wiederverwendete Kamineinfassung der italienischen Renaissance Beachtung. Das heute für Büros genutzte ebenfalls äußerst opulente Obergeschoss mit langgestrecktem Mittelflur barg sieben Schlaf- und Gästezimmer, drei Bäder sowie ein Mädchen- und ein Ankleidezimmer. Das eingeschossige Wirtschaftsgebäude zur Straße ist in angepassten Formen gestaltet und über eine durchgehende Pergola an den Hauptbau angebunden. Auch das 1937 von Friedrich Hetzelt ergänzte Pförtnerhaus passt seine Gestaltung den Bauten Bruno Pauls an, wie auch die Einfriedung später in identischer Form verlängert wurde. (7) Die Gebäudegruppe ist ein anschauliches Zeugnis für Gestaltungen Bruno Pauls, besonders im kontrastreichen Vergleich mit dem benachbarten Wohnhaus Erich Mendelsohns. Zugleich dokumentiert das Ensemble exemplarisch die von Brüchen und Diskontinuitäten geprägte deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Paul Lindemann errichtete das großzügig bemessene Anwesen auf dem Höhepunkt seiner Karriere, im selben Jahr der Fusionierung der Lindemann & Co. AG mit der Rudolph Karstadt AG, in deren Vorstand er aufstieg. (8) Bereits 1934 emigrierte die jüdische Familie und musste das Anwesen deutlich unter Wert an die Stiftung Preußenhaus verkaufen. Der anschließende Umbau erfolgte als Wohn- und Dienstsitz für den Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten Hanns Kerrl, der das Gebäude bis zu seinem Tod 1941 nutzte. Nach dem Krieg wurde eine sozialpädagogische Fortbildungsstätte eingerichtet, wofür die Nebengebäude im Innern mehrmals verändert wurden. (9) Ein letzter Umbau des früheren Wirtschaftsgebäudes erfolgte 2005 für die Nutzung durch eine englischsprachige Privathochschule. (10)


(1) Bauakten BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 1-6; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 441-442; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1963, Nr. 45 (S. 57); Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, Nr. 182 (S. 144); Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. C, Die Wohngebäude, Einfamilienhäuser; Berlin-München-Düsseldorf 1975, S. 190, Nr. 1816; 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1977, S. 44; Ziffer, Alfred (Hrsg.): Bruno Paul - Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne, München 1992, S. 316; Nachama, Andreas/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Am Rupenhorn 5, Wohnsitz der Familie Lindemann, NS-Ministerresidenz, Touro College, Berlin-Brandenburg 2012.

(2) Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 1, fol. 12 ff.

(3) Die Bauleitung übernahm Gerhard Streetz und die Oberleitung Alexander Ehring.

(4) Ernst Sagebiel, 1892-1970, 1912 bis 1920 Architekturstudium an der Technischen Universität Braunschweig mit Unterbrechung durch Fronteinsatz und anschließende Kriegsgefangenschaft, nach verschiedenen Büros 1929-32 im Büro von Erich Mendelsohn, bereits 1933 Mitglied in der NSDAP und der SA, 1934-35 Bau des Reichsluftfahrtministeriums an der Leipziger Straße, 1935-41 Neubau des Flughafens Tempelhof, seit 1938 als einer der bedeutenden Architekten des nationalsozialistischen Regimes Hermann Göring direkt unterstellt, nach 1945 Bauprojekte im Rahmen des Wiederaufbaus von München z.B. Bankhaus Merck Fink & Co, 1957-58.

(5) Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 2, fol. 6 ff.

(6) Raumbezeichnung zitiert nach: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 1, fol. 160.

(7) Pförtnerhaus: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 2, fol. 29. Einfriedung: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 2, fol. 50.

(8) Zum Leben Paul Lindemanns: Nachama, Andreas/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Am Rupenhorn 5, Wohnsitz der Familie Lindemann, NS-Ministerresidenz, Touro College, Berlin-Brandenburg 2012, S. 87-90. (9) Umbau 1963: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 2, fol. 72 ff. Umbau 1972: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 3, fol. 3 ff. Umbau 1992: Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 4, fol. 87 ff.

(10) Bauakte BWA-Charlottenburg, Am Rupenhorn 5, Band 5.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 441f.
  • Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1968 / Seite Obj. 182
  • BusB IV C 1975 / Seite 190
  • Stadt 29 (1982) 10 / Seite 18, 41, 56
  • Ribbe, Wolfgang; Schäche, Wolfgang (Hrsg.): Baumeister, Architekten, Stadtplaner. Biografien zur baulichen Entwicklung Berlins, Berlin 1987 / Seite 644-645
  • Ziffer: Bruno Paul, München 1992 / Seite 316
  • Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 645 (Erwähnung)
  • Bruno Paul, Ausstellungskatalog, Berlin 1982

Teilobjekt Haus Lindemann

Teil-Nr. 09096078,T,001
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1929-1931
Umbau 1935
Entwurf Paul, Bruno (Architekt)
Entwurf Sagebiel, Ernst (Architekt)
Bauherr Lindemann, Paul
Bauherr Kerrl
Ausführung Philipp Holzmann AG (Baugeschäft)

Teilobjekt Wirtschaftsgebäude

Teil-Nr. 09096078,T,002
Sachbegriff Wirtschaftsgebäude
Datierung 1929-1931
Entwurf Paul, Bruno (Architekt)
Bauherr Lindemann, Paul
Ausführung Philipp Holzmann AG (Baugeschäft)

Teilobjekt Nebengebäude

Teil-Nr. 09096078,T,003
Sachbegriff Nebengebäude
Datierung 1937
Umbau 1972
Entwurf Hetzelt, Friedrich
Bauherr Kerrl

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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