Denkmaldatenbank

Reservoirturm des ehem. Gaswerks Charlottenburg II

Obj.-Dok.-Nr. 09096027
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Gaußstraße 11

Lise-Meitner-Straße 22
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Gaswerk & Wasserturm
Datierung 1889-1891
Entwurf Bratring, Paul (Architekt)
Bauherr Magistrat Charlottenburg

Das Areal des 1995 stillgelegten Gaswerks Charlottenburg II, Gaußstraße 11, Lise-Meitner-Straße 22, wurde 2002-05 als Gewerbegebiet neu bebaut. Auf dem etwa acht Hektar großen Gelände stellt der ehemalige Reservoirturm heute das letzte bauliche Zeugnis des 1889-91 nach Entwurf von Stadtbaurat Paul Bratring errichteten Gaswerks dar. (1) Der Neubau war 1889 beschlossen worden, nachdem die 1861 eröffnete erste Gasanstalt Charlottenburgs am Landwehrkanal trotz mehrfacher Erweiterungen für die Versorgung der Stadt nicht mehr ausreichte. (2) Auf dem weitläufigen, verkehrsgünstig an Ringbahn und Verbindungskanal gelegenen Gelände an der Gaußstraße entstand daher eine Anlage mit zahlreichen Gebäuden für die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Stadtgas, die bis in die 1930er Jahre stetig ausgebaut und nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Mit ihren Neubauten der 1950er bis 1970er Jahre war sie bis zur Umstellung auf Erdgas Mitte der 1990er Jahre eine von vier Gas-Produktionsstätten in West-Berlin und damit maßgeblich für die Energieversorgung der geteilten Stadt. (3)

Die mehr als einhundertjährige Geschichte der Gasversorgung Charlottenburgs wird am historischen Ort an der Gaußstraße heute inmitten der zahlreichen Gewerbeneubauten nur noch von dem markanten Backsteinturm repräsentiert. Der weithin sichtbare ehemalige Behälterturm, der noch zum ursprünglichen Bestand der 1891 in Betrieb genommenen Gasanstalt gehört, ist ein fünfgeschossiger Mauerwerksbau aus roten Sichtziegeln mit leicht geböschtem Souterrain und schmalen Rundbogenfenstern. Die Bögen über den Fenstern, kräftige Gurtgesimse sowie ein rundbogiges Konsolgesims unter dem obersten Geschoss und ein breites Traufgesims sind aus gelben Ziegeln gemauert und kontrastieren lebhaft mit den ansonsten glatten roten Wandflächen des Turms. An der Westseite ist das Gurtgesims über dem Erdgeschoss mit dem Charlottenburger Stadtwappen, ein glasiertes Tonrelief in einem ovalen Rahmen, geschmückt. Abgeschlossen ist das Bauwerk mit einer Flachkuppel, die aus Eisen-Zement im so genannten Monier-System ausgeführt ist; auch die flach gewölbten Decken und die Behälter in den oberen Geschossen sind aus demselben, damals neuartigen Material hergestellt. (4) Das Erdgeschoss, in dem die hydraulischen Akkumulatoren für die Gasspeicherung untergebracht waren, ist mit knapp zehn Metern wesentlich höher als die übrigen Geschosse; durch das Gurtgesims über den Fenstern fällt der größere Abstand jedoch kaum auf und die beiden unteren Geschosse wirken wie ein kräftiger Sockel. In den vier Obergeschossen befand sich je ein Behälter für Löschwasser, Teer, Ammoniak und Frischwasser. An den Turm mit einem Durchmesser von etwa zehn Metern und einer Höhe von knapp 30 Metern sind seitlich zwei schmalere Nebentürme angebaut: einer für die Treppe und einer für das Rohrsystem, das nach außen verlegt wurde, um die Eisen-Zement-Decken nicht zu durchbrechen. Ursprünglich schloss unmittelbar an den Turm eine Maschinenhalle an, die 1978 abgebrochen wurde. Mauerreste, eine doppelläufige Treppenanlage und der Abdruck des Giebels auf Höhe des zweiten Obergeschosses verweisen noch auf die Halle. In den frühen 1980er Jahren wurde der Reservoirturm instand gesetzt.


(1) Architekten-Verein zu Berlin u. Vereinigung Berliner Architekten (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Bd. I, Berlin 1896, S. 394-401; o. V.: Die städtischen Gaswerke zu Charlottenburg in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens 1861-1911, Berlin 1911; 100 Jahre Berliner Städtische Gaswerke 1847-1947, hrsg. von den Berliner Gaswerken, Berlin 1947; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 611 f.; Spath, Christian/Stimmann, Hans: Die Bauwerke der Berliner Gasversorgung, Typoskript, Berlin 1986; Bärthel, Hilmar: Geschichte der Gasversorgung, Berlin 1997, S. 1-63; Feuer und Flamme für Berlin, 170 Jahre Gas für Berlin, 150 Jahre Städtische Gaswerke, hrsg. vom Deutschen Technikmuseum Berlin, Berlin 1997, S. 113-15; Berliner Bezirkslexikon Charlottenburg-Wilmersdorf, hrsg. v. Hans-Jürgen Mende und Kurt Wernicke, Berlin 2005, S. 267; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. A (2), Anlagen und Bauten für Versorgung - Stadttechnik, Petersberg 2006, S. 36 f., 327 ff.

(2) Siehe Einsteinufer 43/53 u.a. Früher Charlottenburger Ufer, zwischen March- und Abbestraße. Das Gaswerk wurde 1914 stillgelegt. Von den ehemaligen Bauten wurde ein Keller in den 1959-63 nach Entwurf von Robert Tepez errichteten Neubau für die Staatliche Fachschule für Optik und Fototechnik übernommen. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 610 f.

(3) In den 1960er Jahren wurde die Gaserzeugung aus Kohle auf die Produktion durch Spaltung von Leichtbenzin umgestellt. 1974 wurde der erste, damals weltweit größte Kugel-Hochdruckbehälter in Betrieb genommen, ein zweiter folgte 1977. Die beiden 50 Meter hohen Kugel-Hochdruckbehälter der 1970er Jahre prägten bis zu ihrem Abriss 2006 die Silhouette des Gaswerk-Geländes, das 1995 stillgelegt wurde, als die Gasversorgung in der wiedervereinigten Stadt auf Erdgas umgestellt wurde. Vgl. www.berlin.de

(4) Joseph Monier (1823-1906) war Gärtner und hatte diese Technik, bei der Eisenstäbe in den Zement eingelassen werden, 1867 für Pflanzenkübel entwickelt. Sie erlaubt eine hohe Druck- und Tragfähigkeit bei vergleichsweise geringem Eigengewicht. Die Methode, Zement mit Eisen zu armieren, wurde durch Francois Hennebique vervollkommnet und 1894 zum Patent angemeldet. Daraus entwickelte sich die Bauweise mit Eisenbetonkonstruktionen.

Literatur:

  • BusB I 1896 / Seite 394-401, s. bes. S. 400-401
  • Die städtischen Gaswerke zu Charlottenburg in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens 1861-1911, o. Verf., Berlin 1911 / Seite 30
  • Berliner Gaswerke (Hrsg.): 100 Jahre Berliner Städtische Gaswerke 1847 - 1947, Berlin 1947 / Seite 20-23
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 611-612
  • --- / Seite 295-314, s. bes. S. 297, 303, 304-305
  • Bärthel: Geschichte der Gasversorgung, 1997 / Seite 61-63
  • Deutsches Technikmuseum Berlin (Hrsg.): Feuer und Flamme für Berlin. 170 Jahre Gas für Berlin. 150 Jahre Städtische Gaswerke, Berlin 1997 / Seite 113, 115

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen