Denkmaldatenbank

Reichsluftfahrtministerium

Obj.-Dok.-Nr. 09095987
Bezirk Mitte
Ortsteil Mitte
Adressen Platz des Volksaufstandes von 1953 1

Wilhelmstraße 97

Niederkirchnerstraße 1
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Ministerium
Entwurf 1934
Datierung 1935-1936
Umbau 1946
Umbau 1992
Entwurf Sagebiel, Ernst (Architekt)
Ausführung Wayss und Freytag AG (Baugeschäft)
Ausführung Beton- und Monierbau AG (Ministerium)
Ausführung Massivbau GmbH
Ausführung H. Streubel
Bauherr Reichsluftfahrtministerium

Die Straßenkreuzung von Leipziger und Wilhelmstraße wird dominiert von der Baumasse des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums, Leipziger Straße 5-6 Es war der zweite Großbau neben der Reichsbankerweiterung, den die Nationalsozialisten direkt nach der Machtergreifung ausführen ließen, und er war bereits 1936 fertig gestellt. Die Entwürfe stammen von Ernst Sagebiel, dem späteren Architekten des Flughafens Tempelhof. Der Bau des Luftfahrtministeriums steht im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Ausbau und der Reorganisation der Luftwaffe und damit für den Beginn der Kriegsvorbereitung direkt nach der "Machtergreifung" unter dem Chef des Luftfahrtministeriums und Flieger des Ersten Weltkrieges Hermann Göring. Darüber hinaus war das Großprojekt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und durch die enorm kurze Bauzeit ein Propagandaobjekt, mit dem die Nationalsozialisten ihre Tatkraft unter Beweis stellen wollten.

Die sehr moderne Konstruktion des Stahlbeton- beziehungsweise Stahlskelettbaus wurde hinter den glatten, mit Muschelkalkplatten verkleideten Wandflächen mit Reihen kleiner, hochrechteckiger Fenster versteckt. Eine nationalsozialistische Ästhetik mit schweren, einen handwerklichen Bauprozess vortäuschenden Materialien und reduzierten klassizistischen Details überdeckt die eigentlich sehr funktionale Grundrissstruktur des Bürogebäudes. (2) Der an das ehemalige Preußische Herrenhaus anschließende, abgewinkelte Bauteil an der Leipziger Straße bildet einen geräumigen Vorplatz, an dem sich der Eingang für den öffentlichen Geschäftsverkehr befindet. Im Innern wechseln Repräsentationsbereiche mit nüchternen, langen Bürogängen. Durch eine Pfeilervorhalle betritt der Besucher eine mit Muschelkalk verkleidete Eingangshalle, bevor er die große Vorhalle und den Treppenaufgang erreicht. Dem Haupteingang an der Wilhelmstraße ist ein mit einem hohen Eisengitter geschlossener Ehrenhof vorgelagert. Hier gelangt man durch Vestibül, Steinsaal, Haupttreppe und Wandelgang zu dem über drei Geschosse reichenden großen Festsaal. An den rückwärtigen, längs der Wilhelmstraße verlaufenden Quertrakt gliedern sich rechtwinklig Büroflügel um vier Höfe an, die eine ausreichende Belichtung der zweihüftigen Anlage gewährleisten. Die langen Flure werden durch die Verwendung von Werkstein in unterschiedlichen Färbungen und Strukturen optisch gegliedert.

Im Zweiten Weltkrieg ist das Gebäude nur wenig in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass es in seiner äußeren Erscheinung und Innenausstattung nahezu komplett erhalten ist. Lediglich die plastischen Bildwerke wie Feldherrenköpfe, Bronzeadler sowie Eiserne Kreuze und Hakenkreuze sind entfernt worden. 1946-48 diente das Gebäude der sowjetischen Militäradministration. Der große Festsaal wurde 1946-47 neu gestaltet. Hier verabschiedeten am 7. Oktober 1949 die Mitglieder des Deutschen Volksrates die Verfassung der DDR. Wenige Jahre später wurde die Umgestaltung der Vorhalle zur Leipziger Straße mit dem Wandbild Max Lingners abgeschlossen. Anstelle eines Reliefs von Arno Waldschmidt, das die Deutsche Wehrmacht glorifizierte, wurden nun eine idealistische Vision einer glücklichen sozialistischen Gesellschaft dargestellt. Bis zur Wiedervereinigung war das Gebäude als Haus der Ministerien der DDR genutzt worden, bevor 1990 die Treuhandanstalt einzog. Nach einer umfassenden Instandsetzung des Gebäudes 1996 - 2000 (Architekten HPP, Gerhard Feldmeyer, Hermann Henkel), bei der die vollständig erhaltenen ursprünglichen Raumstrukturen von zwischenzeitlichen Einbauten befreit und die überkommenen Repräsentationsbereiche restauriert wurden, dient es als Dienstsitz des Bundesministeriums der Finanzen.


(1) Vgl. Ll., Vom Bau des Reichsluftfahrtministeriums, in: Bauwelt 27 (1936) 9, Beilage S. 1-11; Sagebiel, Ernst, Das Reichsluftfahrtministerium, in: Bauwelt 28 (1937) 8, Beilage S. 1-14; Hoffmann, Herbert, Das Reichsluftfahrtministerium, in: Moderne Bauformen 35 (1936), S. 425-441. Schäche 1991, S. 218-226; BusB III, S. 24f, 27, 41f.

(2) Vgl. Petsch 1976, S. 99ff.

Literatur:

  • BusB III 1966 / Seite 24 f, 27, 41 f
  • Bau- und Kunstdenkmale Berlin I, Berlin 1983 / Seite 228
  • N.N. N.N.:o.T., in: Bauwelt 26 (1935) 15 / Seite 352
  • N.N.: o.T., in: Die Bauzeitung 32 (45) (1935) / Seite 176
  • N.N.: Der neue Staatsbau Berlins, in: Ostdeutsche Bauzeitung 33 (1935) / Seite 125
  • N.N.: Reichsministerium für die Luftfahrt in Berlin, in: Bauamt und Gemeindebau 17 (1935) / Seite 103
  • N.N.: Richtfest des Luftfahrt-Ministeriums, in: Bauamt und Gemeindebau 17 (1935) / Seite 266
  • Cohrs, M.: Bauten des Dritten Reichs, in: Bauen, Siedeln, Wohnen 15 (1935) / Seite 508-509
  • N.N.: o.T., in: Die Bauzeitung 33 (46) (1936) / Seite 330
  • Hoffmann, Herbert: Das Reichsluftfahrtministerium, in: Moderne Bauformen 35 (1936) / Seite 425-441
  • Jegher, Carl: Eindrücke vom Berliner Kongress der Internationalen Vereinigung für Brücken- und Hochbau, in: Schweizer Baumeister-Zeitung 108 (1936) / Seite 232
  • Ll.: Vom Bau des Reichsluftfahrtministeriums, in: Bauwelt 27 (1936) 9 / Seite 1-11, 199-209 (Beilage)
  • Ll.: Vom Bau des Reichsluftfahrtministeriums, in: Monatshefte für Baukunst und Städtebau 20 (1936) / Seite 81-91
  • Sagebiel, Ernst: Das Reichsluftfahrtministerium, in: Bauwelt 28 (1937) / Seite 1-14, 173ff. (Beilage)
  • Paulsen: Das Luftfahrtministerium als Werk der Baukunst, in: Bauwelt 28 (1937) / Seite 15-20 (Beilage)
  • Sagebiel, Ernst: Das Reichsluftfahrtministerium & Paulsen: Das Luftfahrtministerium als Werk der Baukunst, in: Monatshefte für Baukunst und Städtebau 21 (1937) / Seite 73-92
  • Paulsen, Friedrich: Baukunst - Bildnerei - Malerei, in: Bauwelt 28 (1937) / Seite 5, (Beilage), 639
  • Paulsen, Friedrich: Baukunst - Bildnerei - Malerei, in: Monatshefte für Baukunst und Städtebau 21 (1937) / Seite 285
  • Eckert: Praktische Anwendung des Aluminiums und seiner Legierungen, in: Die Baugilde 19 (1937) / Seite 773
  • H.H.: Bildteppiche von Sofie Mörike, Berlin, in: Moderne Bauformen 36 (1937) / Seite 61
  • Kunst im Dritten Reich 1 (1937) 11 / Seite 14ff.
  • Kiener, Hans: Die erste Deutsche Architekturausstellung im Haus der Deutschen KUnst in München 1938, in: Kunst im Dritten Reich 2 (1938) / Seite 41-42
  • N.N.: Festliche Räume der Luftfahrt, in: Kunst im Dritten Reich 2 (1938) 6 / Seite 169, 172-174
  • Hoffmann, Herbert: Deutschland baut, in: Moderne Bauformen 37 (1938) / Seite 217
  • N.N.: Das Soldatenrelief von Arnold Waldschmidt, in: Die Kunst im Deutschen Reich 5 (1941) / Seite 28-29
  • Berliner Stahl-Hochbauten, 1936 / Seite 30f.
  • Schäche, Wolfgang: Architektur, 1991 / Seite 203 ff, 218 ff
  • Topographie Mitte/Mitte, 2003 / Seite 361-364
  • Haberlandt 45 (1935) / Seite .
  • Haberlandt 46 (1936) / Seite .
  • Lorenz, Werner; May, Roland; Staroste, Hubert: Ingenieurbauführer Berlin, Petersberg 2020 / Seite 268f.

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Landesdenkmalamt Berlin
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