Unmittelbar südlich an den Dorfkern und die Grundstücke der Bauerngehöfte anschließend, wurde 1900-07 die zweite und größte der Bucher Krankenhausanlagen nach Entwurf von Ludwig Hoffmann errichtet. (1) Auf dem über 50 Hektar großen Areal Karower Straße 11, zwischen Lindenberger Weg und Schwanebecker Chaussee, entstand die III. Städtische Irrenanstalt mit mehr als 40 Gebäuden für ursprünglich etwa 1.800 Patienten. Die markanten roten Ziegelbauten mit ihren holländisch anmutenden Giebeln und Erkern, eingebettet in eine weitläufige Parkanlage, sind bis heute weitgehend in ihrer historischen Gestalt erhalten. (2) Die zur Erbauungszeit nach neuesten medizinischen Gesichtspunkten errichtete Heilanstalt war sowohl in ihrer städtebaulichen Anlage als auch in der architektonischen Gestaltung vorbildlich. Seit 2007 ist das Gelände an der Südseite durch einen großen Klinikneubau ergänzt, die historischen Bauten werden von Privatkliniken und medizinischen Einrichtungen genutzt. (3)
Das weitläufige Grundstück der Klinik ist nach dem Vorbild früherer Krankenhausanlagen, vor allem der von Hermann Blankenstein errichteten städtischen Nervenkliniken in Dalldorf und Herzberge, durch ein rechtwinkliges System von Alleen und Wegen entlang einer von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Mittelachse gegliedert. Diese für eine günstige Durchlüftung und Belichtung der Gebäude sinnvolle Ausrichtung wandte Hoffmann in Buch auch beim "Alte-Leute-Heim" und bei der "IV. Städtischen Irrenanstalt (Genesungsheim)" an. (4) Beiderseits der Hauptachse, an der die Gemeinschaftsbauten (Torhaus, Verwaltungsgebäude, Werkstattbau, Badehaus, Wirtschafts- und Küchenbauten) von Nordwesten nach Südosten aufgereiht sind, stehen je fünf großePatientenhäuser. Eine Querachse, an der die Kapelle sowie vier weitere Bettenhäuser ihren Platz haben, kreuzt die Längsachse; den Schnittpunkt markierte einst ein Brunnen. (5) Im Nordwesten, außerhalb des ehemals von Mauern umgrenzten Areals, stehen acht Wohnhäuser - gebaut für das leitende Klinikpersonal - an einer Zufahrtsstraße, die das Straßenraster des Dorfes mit dem Torhaus und der zentralen Achse der Klinik verbindet. Südwestlich des ummauerten Bereichs schlossen sich ursprünglich weitere Wohnhäuser, ein Leichenhaus und das "Verwahrungshaus" an, das heute mit Erweiterungsbauten als Krankenhaus des Maßregelvollzugs noch in seiner Funktion erhalten ist. (6) Diese klar strukturierte Aufteilung, die Ludwig Hoffmann für die enorme Größe der Anstalt gewählt hatte und die bis heute erkennbar und wirksam ist, orientierte sich an den damaligen organisatorischen und therapeutischen Abläufen. Weite Abstände zwischenden einzelnen Bauten verhinderten gegenseitige Störungen, ihre versetzte Anordnung schuf immer wieder neue, geschlossen wirkende und überschaubare Außenräume. Das geometrische Erschließungsraster der Anlage erleichterte die Orientierung für die Patienten, die Grünflächen zwischen den Häusern erlaubten ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Viele der Bettenhäuser waren zudem mit Loggien und Liegehallen ausgestattet, die auch bettlägerigen Kranken den Aufenthalt an der frischen Luft ermöglichten und zugleich die großen Bauten ansprechend gliedern. Darüber hinaus sind sämtliche Gebäude trotz unterschiedlicher Größe und Nutzung in einer einheitlichen Architektursprache entworfen, um ein harmonisches Gesamtbild der Anlage zu schaffen. Mauerwerksbauten mit roter Ziegelverblendung und weißen Fugen wirken durch schmückende und gliedernde Bauteile in hellem Sandstein (Erker, Giebel, Türmchen, Rahmungen) sowie durch dezenten Bauschmuck lebhaft und freundlich. (7) Die Bauformen erinnern an niederländische oder skandinavische Renaissancebauten, sind in der Zusammenstellung jedoch vollkommen frei und ohne konkrete Vorbilder. Mit dem Variationsreichtum weniger Elemente wollte Hoffmann eine beruhigende, aber keine langweilige Umgebung für die Patienten schaffen. (8) Die Architektur hat bis heute nichts von ihrer reizvollen Wirkungverloren.
Unter den verschiedenartigen Bauten der ehemaligen Irrenanstalt fällt besonders das dreigeschossige Verwaltungsgebäude auf, das sich in der Hauptachse hinter dem Torhaus erhebt. Der lang gestreckte Baukörper mit Mittelrisalit und kurzen Seitenflügeln ist als repräsentativer Höhepunkt gestaltet. Durch das von Sandsteinpilastern und gesprengtem Giebel gerahmte Hauptportal betritt man eine Halle mit Kreuzgewölbe und vier Säulenpaaren. Ursprünglich waren Büros, Bibliotheks- sowie Arbeits- und Wohnräume für Ärzte entlang der Vorderfront und in den Seitenflügeln angeordnet, ein zweigeschossiger Festsaal mit Bühne befindet sich über der Halle im Mitteltrakt. Die Fläche zwischen Torhaus und Verwaltungsgebäude, die rechts und links von den Schmalseiten zweier großer Bettenhäuser eingefasst wird, hatte Ludwig Hoffmann als Schmuckplatz angelegt. So entstand eine Art Ehrenhof, der die imposante Wirkung des Hauptgebäudes noch steigerte. Auch an seiner Rückseite öffnet sich eine große Freifläche, die wiederum seitlich von den Schmalseiten zweier Bettenhäuser gerahmt ist. In der Mittelachse führt ein baumbestandener Weg an zwei Werkstattgebäuden entlang auf das Badehaus zu, dessen geschwungener Giebel genau im Zentrum der Blickachse liegt. Auf diese Weise wurde ein überschaubarer Bereich geschaffen, der den Blick auf unterschiedlich große Gebäude und in weite, aber nichtunbegrenzte Grünflächen gestattet. (9) Jenseits der Querachse mit der Kapelle (10) arrangierte Hoffmann einen zweigeschossigen Küchenbau (11) mit Schuppen und Eiskeller als Fortsetzung der Mittelachse, deren südöstlichen Abschluss ursprünglich ein lang gestrecktes Gebäude markierte. Westlich davon stand das Leichenhaus. Beide Gebäude wurden nach dem Krieg ersetzt bzw. verändert. An dieser Stelle befindet sich heute der Neubau des Helios-Klinikums. Die beidseitig der Mittelachse angeordneten elf großen und fünf kleinen Patientenhäuser waren je zur Hälfte der Frauen- und der Männerabteilung zugeordnet. (12) Die großen Bettenhäuser, die mehr als 100 Meter breit sind und bis zu 175 Patienten aufnehmen konnten, folgen dem Schema eines zweigeschossigen Korridorbaus mit Mitteltrakt und Seitenflügeln. Die lang gestreckten Baukörper, die durch einheitliche Dachformen und Gliederungselemente zusammengefasst sind, haben unterschiedlich lange Mittel- und Seitenflügel, sodass sich jeweils E- oder H-förmige Grundrisse und damit verschiedenartig eingefasste Hofräume zwischen den Bauten ergeben.
(1) Mitarbeiter: Magistratsbaurat Georg Matzdorff (Technik), Stadtbauinspektor Reinhard Herold, Architekten Hennings und Frobeen (Entwurf), Stadtbauinspektor Maximilian Knopff (Magistratsbaurat beim Stadtbauamt Buch, Bauausführung), Gartenbauinspektor a.D. Seemann (Gartenanlagen), Städt. Heizingenieur Caspar (Heizungsanlage), Stadtelektriker Prof. Dr. Kallmann (elektrotechnische Anlagen). Berater: Prof. Dr. Moeli. Leiter der Irrenanstalt Herzberge, Dr. Richter, Direktor der Anstalt in Buch, Mitglieder der Deputation für das Städtische Irrenwesen. Beteiligte Künstler: Ignatius Taschner (Reliefs am Pförtnerhaus), August Vogel (Reliefs), Georg Wrba (Brunnen), Glasmaler Lohr (Fenster der Kapelle).
(2) Seit Amtsantritt 1896 von Hoffmann geplant, Vorentwurf Dezember 1899. Bauausführung 1900-07. Eröffnung September 1906. 1907-10 um ein Verwahrungshausund ein Pflegerwohnhaus ergänzt. Ab 1941 "Städtisches Hufeland-Krankenhaus", 1963 Medizinischer Bereich II des Klinikums Buch. Ab 1975 Neubauten an der Süd- und Ostseite. Seit Mitte der 1990er Jahre umfassende denkmalgerechte Sanierungsmaßnahmen. Literatur: Hoffmann V, S. 1-9, Tafel 1-50; H.: Die Irrenheilstätte der Stadt Berlin in Buch. In: Deutsche Bauzeitung 42 (1908), S. 221-24, 227, 229-30, 232-33, 235, 237, 241, 265-68, 273-74, 276-77, Taf. 34-35, 40-41; Berliner Heilstätten 1908, S. 41-48, Taf. 45-48; Baumgarten, Wilfried: Großstadt-Baufragen. In: Deutsche Bauhütte 12 (1908), S. 245-47; Schmitz 1927, S. 41-54; Hoffmann Lebenserinnerungen 1983, S. 145 ff.; Viergutz 1989, S. 56; BusB VII A, S. 218-219; Döhl 2004, S. 78 ff., 266 ff.
(3) Helios-Klinikum Buch, Krankenhaus der Maximalversorgung, Neubau 2004-07, Entwurf und Ausführung: TMK Architekten.Ingenieure/Gerhard Thiede, Düsseldorf. Vgl. "Unser neues Klinikum", Informationen zum Neubau, Stand April 2007. Hg. v. Helios-Klinikum Buch. Berlin 2007.
(4) Nur die beiden Lungenheilstätten sind streng nach Süden orientiert, um die Krankenzimmer und Liegehallen optimal der Sonne zuzuwenden.
(5) Die nur noch teilweise erhaltene Brunnenanlage wurde von Georg Wrba geschaffen. Die zentrale Skulptur des "Gänsejungen" gilt seit Mitte der 1990er Jahre als verschollen. Abb. in: Hoffmann, Ludwig: Die Irrenheilstätte der Stadt Berlin in Buch. In: Deutsche Bauzeitung 42 (1908), S. 265, 268.
(6) Jenseits der Bahngleise, ganz im Süden außerhalb der eigentlichen Anstalt stand das "Verwahrungshaus" für "gemeingefährliche Kranke". Es war von einer Mauer umgeben und enthielt hauptsächlich Einzelzellen, aber auch Personalräume, Teeküchen und Tagesräumen sowie eine eigene Lazarettabteilung. Für die Pfleger gab es direkt nebenan ein Wohnhaus. 1907-10 Erweiterung durch ein zweites größeres Verwahrungshaus mit Pflegerwohnhaus.
(7) "In einer Anstalt, in welcher wegen der Unruhe der Kranken die Zahl der Möbel auf das äußerste beschränkt werden muss und auch an die Wände nichts gehängt werden darf, sind die erkerartigen Ausbauten ein willkommenes Motiv, das den Räumen an sich einen etwas freundlicheren Eindruck sichert." Hoffmann Lebenserinnerungen 1983, S. 146.
(8) "(.) Der Leidende ist meist doppelt empfänglich für eine freundliche und trauliche Umgebung, die seine Phantasie beschäftigt und ihm ein Gefühl wohliger Ruhe und sicherer Geborgenheit verleiht." Berliner Heilstätten 1908, S. 42.
(9) Werkstätten und Badehaus sind einfache eingeschossige Bauten, über den Türen kennzeichnen kleine Reliefs von August Vogel mit Badeszenen und Werkzeugen den jeweiligen Zweck der Bauten.
(10) Die Kapelle ist als überwölbter Saalbau mit Empore gestaltet. Das Krüppelwalmdach mit Fledermausgauben, der Uhrenturm mit kupfergedeckte Haube, eine durch säulengegliederte Vorhalle sowie angedeutete Strebepfeiler in Sandstein und zwei flache Risalite mit Dreiecksgiebeln an den Längsseiten verleihen dem kleinen Bau eine lebhafte, aber ländlichschlichte Wirkung.
(11) Täglich wurden von hier fast 3.000 Personen mit Mahlzeiten versorgt. Die Essensausgaben an den Längsseiten sind als Säulenvorhallen gebildet, die Portale an den Schmalseiten durch Sandsteinrahmungen und plastischen Schmuck von August Vogel gestaltet. Der Eiskeller ist als Rundbau mit Kegeldach an die Südseite der Küche gestellt, ein flaches Gebäude an der Nordseite diente als Lagerschuppen.
(12) Jede Abteilung hatte ein Aufnahmehaus, ein offenes Haus, zwei Pflegehäuser und ein Überwachungshaus, zur Frauenabteilung gehörte zusätzlich ein zweites offenes Haus. Die kleineren Landhäuser waren für Patienten bestimmt, deren Entlassung bevorstand.