Denkmaldatenbank

Studentenwohnheim, Gemeindehaus Gelfertstraße 45 Kehler Weg 4

Obj.-Dok.-Nr. 09085198
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Gelfertstraße 45

Kehler Weg 4
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Studentenwohnheim & Gemeindehaus
Datierung 1961-1964
Entwurf Müller, Hans-Christian & Heinrichs, Georg (Architekt)
Bauherr Studentenwerk Berlin

Auf dem Grundstück Gelfertstraße 45 und Kehler Weg 4, das sich bis zur Saargemünder Straße erstreckt, repräsentiert das Studentenwohnheim mit Gemeindehaus der Ev. Kirchengemeinde der Freien Universität die bauliche Entwicklung Dahlems in den 1960er Jahren: Die 1949 gegründete Freie Universität breitete sich zunehmend in den beschaulichen Villengebieten Dahlems aus und benötigte auch Wohnraum für Studenten. (1) 1961-64 entstand das aus vier Einzelbauten errichtete Wohnheim mit Gemeindehaus nach Entwurf der Architekten Hans Christian Müller und Georg Heinrichs, ein gelungenes Beispiel für die Eingliederung moderner Architektur der Nachkriegszeit in die vorhandenen Strukturen Dahlems. Die Architekten Müller und Heinrichs zählten in dieser Zeit zu den Protagonisten der Nachkriegsmoderne in Berlin. Der Auflage, die Neubauten an die Bebauung der Umgebung anzupassen, folgten die Architekten mit einer wohl proportionierten Anlage aus kubischen, in der Höhe gestaffelten und in einer reizvollen Gartenanlage lagernden Baukörpern.

Auf zwei ehemaligen Villengrundstücken (2), von denen noch eine Baumallee zeugt, reihen sich die vier durch überdachte Gänge miteinander verbundenen Bauten etwa in der Mittelachse des lang gestreckten Areals aneinander. Mit dieser Anordnung schufen die Architekten für die zwei- bis dreigeschossigen Wohnhäuser einen separaten, durch Randbepflanzungen zu den Straßen abgeschirmten Bereich, der nach Norden vom flacheren Baukörper des ehemaligen Gemeindezentrums eingefasst wird. (3) Dieser nimmt die Höhe der benachbarten Villen auf und wendet sich mit seiner Hauptfassade zur Gelfertstraße. Hier tritt der große Gemeindesaal als dreifach abgestufter Bauteil mit einer Verkleidung aus Zinkplatten, die das Pultdach sowie die Wandflächen oberhalb der Fenster bedecken, nach außen in Erscheinung. Der reizvolle Kontrast der grauen Platten zum hellgelben Klinker der Mauern wird durch einen weiteren Materialwechsel verstärkt: Das mächtige, weit auskragende, nur auf zwei schlanken Stützen ruhende Vordach über dem Haupteingang ist in Sichtbeton ausgeführt. Es bietet Schutz für die Vorfahrt und stellt zugleich einen markanten, weithin sichtbaren Blickfang für die gesamte Fassade dar. Die Straßenansicht präsentiert sich insgesamt als ein vielfältig abgestuftes skulpturales Gebilde aus streng geometrischen und einander durchdringenden Kuben.

Die drei Wohnhäuser sind ebenfalls in Volumen und Höhen gestaffelt sowie mit Vor- und Rücksprüngen gegeneinander leicht versetzt angeordnet. Die Aufteilung im Inneren schafft Wohneinheiten von überschaubarer Größe, die den Bewohnern im Rahmen der damaligen Möglichkeiten größtmöglichen Wohnkomfort bieten. Je sechs Bewohner bilden eine Gruppe, deren Wohnbereich durch versetzte Halbgeschosse von den anderen abgeschirmt ist. Gemeinschaftsräume und der weitläufige Garten bieten zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeiten. Die Zimmer sind mit einer Grundfläche von 14-27 Quadratmetern und durchdacht angeordneten Einbaumöbeln vergleichsweise großzügig dimensioniert und von hoher Funktionalität. (4) Die hellgelben Klinkerbauten mit horizontalen Fensterbändern, deren Rahmen in kräftigen Farben gestrichen sind, vermitteln trotz der reduziert-abstrakten, streng geometrischen Formensprache eine freundliche Atmosphäre.

2019 erfolgte der Umbau des Gemeindehauses (Haus 1) in ein Wohnatelier für Studierende der kreativen Studiengänge mit der Möglichkeit der Nutzung eines Gemeinsschaftsateliers (im ehemaligen Gemeindesaal). Im Zuge des Umbaus wurde die ursprüngliche starke Farbigkeit der Fensterelemente und Innenraumgestaltung, welche nicht mehr ablesbar war wiederhergestellt und daran anknüpfend die Gesamtgestaltung des neuen Wohnateliers auf Grundlage der restauratorischen Befunde entwickelt.

----------------------------------------------

(1) Ein weiteres Studentenwohnheim in Dahlem ist das Studentenwohnheim Salvador Allende, Bitscher Straße 2/10, Clayallee 180/182, Garystraße 96 (8 Einzelbauten mit insgesamt 150 Appartments), 1966-68 von Friedrich Wilhelm Kraemer, Günther Pfennig und Ernst Sieverts.

(2) Georg Heinrichs (geb. 1926) und Hans Christian Müller (1921-2010) bildeten 1958-67 eine Bürogemeinschaft. Gemeinsame Projekte: Studentenwohnheim Eichkamp (1958, 1967), Jugendgästehaus an der Kluckstraße (1961-62, 1964-67), Märkisches Viertel (mit Werner Düttmann, 1960-72). Georg Heinrichs späteres Werk: u.a. Forum Steglitz (1967-70), Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße (1970-82), zahlreiche Einfamilienhäuser. Hans Chr. Müller war 1967-82 als Senatsbaudirektor von Berlin tätig.

(3) Auf dem Grundstück Gelfertstraße 45 war 1922-23 eine repräsentative Villa für den Fabrikbesitzer Hans Bernstein (Damenkonfektion) nach Entwurf des Schöneberger Architekten Ernst Selge errichtet worden. Die Überreste der vermutlich kriegszerstörten Villa wurden 1956 abgeräumt, das Grundstück enttrümmert. Das Grundstück Saargemünder Straße, Ecke Kehler Weg erwarb das Ev. Konsistorium Berlin-Brandenburg 1962 vom Land Berlin. Laut einem Baumplan von 1962 stand auch hier ein Wohnhaus zum Abriss, genauere Unterlagen dazu gibt es jedoch nicht. Die Baumallee am Zugang vom Kehler Weg markiert in etwa die ehemalige Grundstücksgrenze und diente möglicherweise als südliche Begrenzung eines 1926 angelegten Tennisplatzes für die Villa Gelfertstraße 45. Vgl. Bauakte Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bau- und Wohnungsaufsicht.

(4) Die Wohnhäuser sind 2002-04 umfassend saniert worden. Das Gemeindezentrum war ursprünglich mit Gemeindesaal, Andachtsraum, Club- und Verwaltungsräumen sowie einer Hausmeisterwohnung ausgestattet. Der Bauteil wird heute von der FU als Institutsgebäude genutzt, ist aber in vielen baulichen Details (Grundriss, Fenster, Türen, Bodenbeläge, Falttür) erhalten.

Literatur:

  • Teut, Anna/ Architekten heute (Bd. 1) Portrait Georg Heinrichs, Berlin 1984 / Seite 50f.
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 221
  • The Architectural Review Juli 1965 (Vol. 138, Nr. 821) / Seite 2f.
  • Bofinger, Helge & Margarete/ Klotz, Heinrich/ Paul, Jürgen (Hg.)/ Architektur in Deutschland, Stuttgart 1981 / Seite S. 91-94 (Georg Heinrichs)
  • Rave, Rolf/ Knöfel, Hans-Joachim/ Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968 (Architektenverzeichnis o.S.)

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen