Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie

Obj.-Dok.-Nr. 09085048
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Boltzmannstraße 3
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Institutsgebäude
Datierung 1914-1915, 1953
Entwurf Ihne, Ernst Eberhard von & Guth, Max
Bauherr Kaiser-Wilhlem-Gesellschaft

Im Campus der Freien Universität Berlin liegt, eingegliedert zwischen der Juristischen Fakultät und dem Henry-Ford-Bau, die letzte noch von Ernst von Ihne und Max Guth 1914 geplante Forschungseinrichtung der KWG, das frühere Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie, Boltzmannstraße 3. Es dient heute dem Fachbereich Rechtswissenschaft der FU als Lehrgebäude. (1) Das trotz Kriegsbeginn in nur einem Jahr erbaute Institut nahm mit botanischen Versuchsflächen, Gewächshäusern, Tiergehegen und Nebengebäuden ein riesiges Areal ein, das das gesamte heutige Campus-Gelände der FU zwischen Gary-, Boltzmann- und Van´t-Hoff-Straße bis etwa zur Mensa umfasste. 1915 konnte hier die Forschungstätigkeit aufgenommen werden.

Die umfangreiche Ausstattung des vierten Instituts der KWG in Dahlem spiegelt den hohen Stellenwert wider, den die Biologie, vor allem auf dem Gebiet der Vererbungs- und Entwicklungslehre, in Deutschland zu Anfang des 20. Jahrhunderts einnahm. Die Investition war gut angelegt, führten doch die Forschungen des Instituts zu geschichtlich bedeutenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Genetik. Zwei führende Wissenschaftler wurden an die Spitze des Instituts berufen. Aus Münster kam der Pflanzengenetiker Carl Erich Correns, der als einer der Wiederentdecker der Mendelschen Regeln die moderne Vererbungslehre mitbegründete. Correns, der bis zu seinem Tode 1933 am Institut forschte, befasste sich mit Fragen der Geschlechtsbestimmung und der nicht mendelnden Vererbung der Pflanzen. Den anderen Direktorenposten übernahm der Zoologe Hans Spemann aus Rostock, der Dahlem allerdings schon 1919 wieder verließ. Spemann, der die Entwicklung von Tierembryos untersuchte, gilt als Pionier der Entwicklungsbiologie. Er identifizierte in den 1920er Jahren gemeinsam mit Hilde Mangold eine Zone im Embryo, die das gesamte spätere Entwicklungsprogramm der Zellen steuert. Damit hatte er eine wesentliche Grundlage für die Stammzellenforschung geschaffen. Für diese bahnbrechende Entdeckung erhielt Spemann 1935 den Nobelpreis für Medizin.

Der imposante Institutsbau auf L-förmigen Grundriss zeigt im Gegensatz zu den anderen frühen Forschungsanstalten der KWG vier Geschosse, was im damaligen Dahlem als Vorort Berlins besondere bauordnungsrechtliche Dispense erforderte. Die fünf Abteilungen beanspruchten ein umfängliches Raumprogramm, das nur durch eine vierte Etage zu realisieren war, da auf dem Grundstück große Flächen für Pflanzungen und Tiergehege vorbehalten werden mussten. Geschickt verstand es Ihne, die entstandene kompakte Baumasse mit einem letzten Geschoss im hohen Mansarddach zu kaschieren und die länglichen Fronten mit Lisenen und Rücksprüngen aufzulockern. Die eigentliche Bestimmung des Gebäudes zeichnet sich allerdings nirgendwo an den Fassaden ab, wenn Ihne auch hier trotz der barockisierenden Formen typologisch auf eine Schlossadaption verzichtete. Vielmehr ähnelt der Bau mit seinen Korbbogenloggien, die ehemals als offene Hallen vor den Labors ein Arbeiten im Freien ermöglichen sollten, Balustraden und Volutengiebeln eher an ein vornehmes bürgerliches Mietshaus. Auch bei diesem KWG-Institut war die Einflussnahme der zukünftigen Direktoren auf die räumliche Disposition der experimentellen Arbeitsstätten nicht unerheblich - vor allem Carl Correns war schon vor Baubeginn in die Planung einbezogen. Es entstand ein hochspezialisierter Institutsbau mit entsprechender Raumverteilung für die geschossweise untergebrachten fünf wissenschaftlichen Abteilungen. So war für den Botaniker Correns das Erdgeschoss reserviert, um einen direkten Zugang zu den angegliederten Versuchsgewächshäusern und Aquarien zu gewährleisten. Noch heute ist diese auf den Forschungsbetrieb abgestimmte Anordnung am niedrigen Ladenanbau, dem so genannten "Basar", auf der Südostseite ablesbar, der einst eines der Versuchstreibhäuser von Correns war. Im Inneren des Hauptgebäudes wird schon beim Eintritt in das Haus das Konzept einer reinen Forschungsstätte vermittelt, die ohne repräsentative Räume und Hörsäle für die Lehre auskommt. Nach Durchschreiten eines schmalen und niedrigen Vestibüls gelangt man zu einer elegant geschwungenen Treppe. Einzig zwei eingestellte dorische Säulen vor dem Treppenhaus geben dem kargen Inneren etwas Festlichkeit.Nach 1945, als die KWG das Gebäude aufgab, nutzte es die im Westteil Berlins gegründete Freie Universität als Hauptgebäude. Zunächst waren hier die Philosophische und, im ausgebauten Dachgeschoss, die Mathematische Fakultät untergebracht. Am 15. November 1948 fanden hier die ersten Vorlesungen der neuen Universität statt. 1953 führte die veränderte Nutzung zu entscheidenden Umbauten, wobei die Loggien geschlossen wurden und an deren Stelle ein weiteres Treppenhaus gebaut wurde. An die botanischen Versuchsfelder und Freilandaquarien erinnert heute nichts mehr. Hier erstreckt sich der Universitätscampus mit den Neubauten für die Fachbereiche Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Letzterer nutzt auch neben dem Institut für Deutsche und Niederländische Philologie den früheren Institutsbau der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. (2)

Direkt benachbart, an der Boltzmannstraße 1, liegt die Direktorenvilla für Carl Erich Correns (Abb. 103 Nr. 24), die von ihm noch vor der Institutseröffnung 1914 bezogen werden konnte. (3) Auch hier war Ernst von Ihne für die künstlerische Bearbeitung verantwortlich. Im Vergleich zur Villa Haber ist der Dienstwohnsitz für Correns wesentlich bescheidener ausgefallen. Vermutlich war dieses auch dem Kriegsjahr 1914 geschuldet. So trumpft das Haus nicht mit klassizistischem oder barockem Gepräge auf, sondern Ihne reagierte mit malerischer Verspieltheit eher auf das damals noch sehr ländliche Umfeld. Sprossenfenster, Altan, Zwerchhäuser, Gauben, Terrassen und Krüppelwalm- sowie Haubendach sind die bewährten Stilmittel hierfür. Auch das Innere zeigte sich wenig herrschaftlich. Um einen L-förmigen Flur- und Treppenhausbereich zwischen den beiden Hauseingängen gruppierten sich Küche und Wohnräume mit einem großen Speisezimmer vor der Gartenterrasse im Erdgeschoss; im Obergeschoss lagen mehrere Schlafräume, das Bad und die Zimmer für das Personal. Correns wohnte in dem Haus bis zu seinem Tode im Jahr 1933. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren hier zunächst Teile der Bibliothek des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht untergebracht. Seit 1957 gehört das Haus zum Bestand der Freien Universität, die im Inneren Umbauten vornehmen ließ. (4) Heute wird die Villa Correns von einem juristischen Fachbereich - dem Institut für Deutsche Rechtsgeschichte - mitbenutzt.

Schräg gegenüber steht an der Boltzmannstraße 4 ein kleines Haus, das, zweigeschossig mit Walmdach, Klappläden und gleichmäßiger Fenstergliederung, wie ein Wohnhaus aussieht. (5) Die Betonverdachung auf der rechten Hausseite weist jedoch auch auf eine andere Nutzung hin. Das 1928 erbaute, diente ehemals vor allem als Baubüro und Planarchiv der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Architekt des Hauses war der Chefarchitekt der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Carl Sattler. Die rege Bautätigkeit der Gesellschaft führte damals zu dem Wunsch nach einem eigenen größeren Baubüro. Auf dem Gelände des zur gleichen Zeit errichteten Harnack-Hauses, hinter den Tennisplätzen, wurde ein geeigneter Bauplatz gefunden. Im Obergeschoss waren das Baubüro und das Archiv, im Dachgeschoss eine Plan- und Modellkammer sowie Sattlers Berliner Wohnung untergebracht. Die untere Etage beherbergte neben einer weiteren Wohnung drei Garagen, die sich nach einem Umbau nur noch durch die Betonverdachung an der Fassade abzeichnen. Jetzt werden die Räumlichkeiten vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität genutzt.

Hinter dem früheren Baubüro beginnt die parkähnliche Gartenanlage des Harnack-Hauses. Hier liegen auch die Tennisplätze, die man zeitgleich Ende der 1920er Jahre mit dem Gästehaus der KWG anlegte. Die drei Plätze standen den Gästen und den Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung. Zur Platzanlage gehört ein kleiner oktogonaler Pavillon mit Zeltdach und Firsthaube, der, wohl von Carl Sattler entworfen, in der Nähe des Zuganges an der Harnackstraße zur Ausführung kam. Dort erinnert ein Gedenkstein an den Bankier und Industriellen Leopold Koppel, der die Plätze finanzierte und dessen "Leopold-Koppel-Stiftung" mit Fördergeldern wesentlich zum Aufbau der KWG und zur Gründung des ersten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie beitrug.

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(1) Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 36 (1916), S. 674-676, 681 f.; Braun 1987, S. 58, 63, 78; Gill/Klenke 1993, S. 36-39; Henning/Kazemi 1993, S. 23-35; Henning/Kazemi 2002, S. 40-61; Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 24 f.; Sander 1998, S. 125 f.; Uebele 1998, S. 36-39; BusB V B, S. 205 f., 309; Sucker, Ulrich: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie: seine Gründungsgeschichte, seine problemgeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen (1911 - 1916), Stuttgart 2002.

(2) Ein von Carl Sattler 1926-30 geplanter großer Erweiterungsbau, u.a. auch mit einem Laboratorium der physiologischen-chemischen Abteilung von Otto Warburg, kam nicht zur Ausführung. Warburg bekam 1930-31 ein eigenes von Sattler entworfenes Institutsgebäude für Zellphysiologie in der Boltzmannstraße 14. Vgl. Scherer 2007, Bd. 2, Obj. 215, S. 304-310.

(3) Henning/Kazemi 2002, S. 59-61.

(4) Der Garagenbau mit Satteldach auf der Nordseite stammt aus dem Jahr 1939.

(5) Henning/Kazemi 2002, S. 41 f.; Scherer 2007, Bd. 2, Obj. 214, S. 303 f.

Literatur:

  • Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem in
    Zentralblatt der Bauverwaltung 36(1916) / Seite S. 674-676, 681 f.
  • BusB V B 2004 / Seite S. 205 f., 309
  • Sucker, Ulrich/ Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie: seine Gründungsgeschichte, seine problemgeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen (1911-1916). Stuttgart 2002 / Seite .
  • Braun 1987, S. 58, 63, 78; Gill/Klenke 1993, S. 36-39; Henning/Kazemi 1993, S. 23-35; Henning/Kazemi 2002, S. 40-61; Rost- und Silberlauben 1993, S. 24 f.; Sander 1998, S. 125 f.; Uebele 1998, S. 36-39Topographie Dahlem, 2011 / Seite 175

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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