Denkmaldatenbank

Fritz-Haber-Institut für Elektronenmikroskopie, Ernst-Ruska-Bau

Obj.-Dok.-Nr. 09085038
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Van't-Hoff-Straße 17
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Laborgebäude
Datierung 1974
Umbau 2006-2007
Entwurf Hänska, Gerd (Architekt)
Entwurf Günther, Klaus (Architekt)
Ausführung Ingenieurgesellschaft mbH Stahlbetonbau
Bauherr Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

Der auffallend expressiv strukturierte Institutsbau, dessen bauliche Hülle selbst Teil einer Versuchseinrichtung ist, ist der 1974 fertig gestellte Ernst-Ruska-Bau an der Van´t-Hoff-Straße 17. (1) Der von Gerd Hänska entworfene Neubau für Elektronenmikroskopie stellt ein eindrucksvolles Beispiel für eine Institutsanlage dar, deren Architektur entscheidend von besonderen experimentellen Erfordernissen geprägt wird. Das Haus ist nach dem Pionier der Elektronenmikroskopie Ernst Ruska (1906-1988) benannt, dem langjährigen Direktor der Abteilung Elektronenmikroskopie am Fritz-Haber-Institut. Ruska hatte 1931 zusammen mit Max Knoll das erste Mikroskop dieser Art entwickelt, wofür er 1986 den Nobelpreis erhielt.

Die Errichtung eines autonomen Laboratoriums - abseits vom eigentlichen, 1959 erbauten Institut an der Van´t-Hoff-Straße 9 - war eine Folge der raschen technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie, die beim Fritz-Haber-Institut von Ernst Ruska 1949-74 geleitet wurde. Dort hatte man sich "Anfang der 1970er Jahre zur Aufgabe gemacht, Methoden zu untersuchen, mit denen es gelingt, auch nichtkristallisierte, also biologische Makromolekülstrukturen, mit Hilfe von Elektronenmikroskopen höchster Abbildungsgüte, d.h. atomarer oder subatomarer Auflösung, aufzuklären". (2) Der Einsatz der dafür notwendigen speziellen Mikroskope erforderte eine erschütterungsfreie Aufstellung, die innerhalb des bestehenden Institutsgebäudes nicht zu erreichen war. Man entschloss sich daher zum Bau eines neuartigen Laborgebäudes. Es entstand ein Prototyp, der nicht nur dem Betrieb sowie der Entwicklung und Erprobung von Elektronenmikroskopen dienen, sondern auch deren Aufstellungsarten experimentell erforschen sollte.

Aufbau und Gliederung des Neubaues war das Resultat der engen Zusammenarbeit von Ernst Ruska mit der Bauabteilung der Max-Planck-Gesellschaft. Auf Ruska geht die charakteristische, vom eigentlichen Labortrakt getrennte Anordnung der Stahlbeton-Zwillingstürme zurück, in denen Mikroskope wahlweise auf einem hängenden oder stehenden Pendelfundament fest installiert werden konnten. Dieser Versuchsaufbau war nötig, da aufgrund der ungünstigen geologischen Gegebenheiten keine herkömmliche Fundamentierung in Frage kam und man verschiedene erschütterungsfreie Aufstellungsmöglichkeiten in einem normalen städtischen Umfeld erproben wollte. In einem der Mikroskoptürme wurde daher ein Pfahlfundament in zehn Metern Tiefe fest eingespannt, im anderen gelenkig aufgestellt, wobei ein 20 Tonnen schwerer Stahlkäfig als dämpfende Fundamentmasse fungierte. In seinem Massenschwerpunkt befand sich der Objektträger des Mikroskops. So konnte abwechselnd die Wirksamkeit verschiedener Fundamentierungsarten erprobt werden. (3)

Durch die Verwendung besonders kontrastierender Materialen und Farben steigerte der Architekt Hänska die Bildhaftigkeit der getrennten Laborbereiche. Skulptural setzen sich die beiden glatten Beton-Zylinder, die fensterlosen Mikroskoptürme, vom grauen ruppigen Betonbewurf des dazwischen geschobenen, quaderförmigen Traktes für Labors und Arbeitsräume ab. Eine zeittypische grelle Farbgebung unterscheidet verschiedene Baukörper und Bauelemente: die Türme waren zitronengelb, die Fensterrahmen des Laborgebäudes blau und das vorgelegte Stahlgestänge der Fluchttreppen und -balkone dunkelgelb. Der architektonisch wie auch wissenschaftsgeschichtlich bedeutende Institutsbau zeigt heute nicht mehr diese originelle Farbgebung. Auch wurde nach der Emeritierung des letzten Direktors 1995 die Zielrichtung der Abteilung Elektronenmikroskopie geändert und diese der Abteilung für Anorganische Chemie neu zugeordnet. Sie nutzt neben dem Elektroniklabor das Haus, das 2007 einen von Klaus Günther gestalteten Erweiterungsbau bekam. Der vom Hauptgebäude abgesetzte flache Betonkubus mit Fensterband passt sich geschickt ein.Nördlich grenzt ein sechseckiger markanter Baukomplex mit blau gestrichenen Fenstern und ebenfalls rauer Betonfassade an. Es ist das 1987 eingeweihte Rechenzentrum für die Fritz-Haber- und Max-Planck-Institute, Van´t-Hoff-Straße 19. (4) Der Entwurf stammt von Klaus Günther, der mit der kräftigen Farbgebung und der Materialsichtigkeit der Fassaden an die Formensprache des Ernst-Ruska-Baues anknüpft.

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(1) Baumeister 75 (1978), S. 117-119; Uebele 1998, S. 103; Henning/Kazemi 1993, S. 62-64; Henning/Kazemi 2002, S. 110-114; Braun 1987, S. 289-293; Braun 1999, S. 28; BusB V B, S. 226 f., 311.

(2) Braun 1987, S. 289.

(3) Braun 1999, S. 28 und Braun 1987, S. 290.

(4) BusB V B, S. 227, 311.

Literatur:

  • Baumeister 75(1978)117-119Uebele 1998 / Seite 103
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 164
  • Henning/Kazemi 1993 / Seite 62-64
  • Henning/Kazemi 2002 / Seite 110-114
  • Braun 1987 / Seite 289-293
  • Braun 1999 / Seite 28
  • BusB V B 2004 / Seite 226 f., 311
  • Topographie Dahlem, 2011

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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