Denkmaldatenbank

Hochbunker

Obj.-Dok.-Nr. 09085008
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Schöneberg
Adressen Pallasstraße 30
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Bunker & Zivilschutzanlage
Datierung 1943-1945
Umbau 1986-1989
Entwurf & Ausführung Philipp Holzmann AG
Bauherr Deutsche Reichspost
Bauherr Oberfinanzdirektion Berlin, Bauamt Nord

Auf dem Grundstück Pallasstraße 30, das zunächst für einen Erweiterungsbau der "Deutschen Arbeitsfront" vorgesehen war (1), wurde 1943-45 ein Hochbunker durch die sowjetischen Zwangsarbeiter errichtet, die in der benachbarten Augusta-Schule interniert waren. Die Bauüberwachung oblag der Philipp Holzmann AG. Bauherr war die Deutsche Reichspost, denn der so genannte Bunker F wurde für das Fernmeldeamt in der Winterfeldtstraße gebaut und sollte auf fünf Geschossen dessen Angestellte und technische Einrichtungen aufnehmen. (2) Bei Kriegsende und der Befreiung des Lagers im April 1945 waren die unter schwierigsten Bedingungen durchgeführten Bauarbeiten nicht abgeschlossen. Der Bunker war nur im Rohbau fertig gestellt, die Abschlussdecke zu zwei Dritteln betoniert und Inneneinrichtungen fehlten. Nach einem vergeblichen Versuch der Sprengung 1948 und jahrelangem Leerstand wurde der so genannte Pallas-Bunker 1986-89 trotz massiver Proteste der Bevölkerung auf Anordnung der Alliierten Kommandantur zum Zivilschutzraum für knapp 5.000 Personen ausgebaut.

Der fünfgeschossige quaderförmige Baukörper verfügte ursprünglich über fünf Eingänge und zwei Treppenhäuser an den Schmalseiten sowie drei lang gestreckte Räume auf jeder Etage, in denen die technischen Einrichtungen des Fernmeldeamtes aufgebaut werden sollten. Dafür war ein Lastenaufzug an der Südseite vorgesehen, der nicht mehr zur Ausführung kam; die vermauerten Öffnungen sind von außen noch erkennbar. Eine Kabelverbindung zwischen Fernmeldeamt und Bunker wurde unterirdisch entlang der Grundstücksgrenze des Hauses Pallasstraße 8-9 verlegt. Beim Ausbau zur Zivilschutzanlage wurden die bei den Sprengversuchen 1948 zerstörten Geschossdecken neu eingezogen, in den Treppenhäusern Stufen und Brüstungen eingebaut. (3) Die gesamte Inneneinrichtung wurde im so genannten "behelfsmäßigen Ausbau" ausgeführt; das bedeutete, dass die Schutzräume einen kurzzeitigen Aufenthalt von 10-48 Stunden ermöglichen sollten. Für die Stromversorgung war eine Notstromanlage mit Dieselaggregat geplant, wurde aber nicht ausgeführt. Stattdessen wurde eine Lüftungs- und Lichtanlage mit zehn Pumpen eingebaut, die bei Stromausfall per Hand betrieben und mit einer ABC-Filteranlage verbunden werden konnten.

Der Bunker stellt ein bedeutendes historisches Zeugnis dar sowohl für NS-Zeit und Zweiten Weltkrieg als auch für Nachkriegszeit und Kalten Krieg in Berlin. Durch seinen Standort im unmittelbaren Umfeld des vom Volksgerichtshof genutzten Kammergerichts am Kleistpark und dem von der NS-Propaganda missbrauchten Sportpalast ebenso wie durch seinen direkten Bezug zum Zwangsarbeiterlager in der Augusta-Schule lassen sich am Beispiel des Bunkers die Geschehnisse in Berlin am Ende des Zweiten Weltkriegs wie durch ein Brennglas betrachten. Die weitere Nutzungsgeschichte und der Umbau zur Zivilschutzanlage spiegeln zudem den wechselvollen Umgang mit den baulichen Zeugnissen der NS-Zeit und die Widersprüche in der Diskussion um den Zivilschutz in der Nachkriegszeit wider. (4) Eine Gestaltung als "Ort der Erinnerung" durch das Quartiersmanagement Schöneberg Nord in Zusammenarbeit mit Schülern der Sophie-Scholl-Oberschule dokumentiert seit 2002 die Geschichte des Bunkers und der Zwangsarbeiter. (5)


(1) 1933 zog die "Deutsche Arbeitsfront" (DAF) in das 1911-12 errichtete und gerade umgebaute Geschäftshaus Potsdamer Straße 184. Für die NS-Organisation wurden in der Nachbarschaft umfangreiche Erweiterungsbauten geplant, neben den Gebäuden Potsdamer Straße 180 und 182 erwarb man die Grundstücke Pallasstraße 28-34. Hier sollte in einer monumentalen Eckbebauung die Zentrale Vermögensverwaltung der DAF untergebracht werden. Die Planung sah vor, die vorhandenen Gebäude komplett umzubauen und mit einer einheitlichen Fassade zu versehen. Ein Erweiterungsbau an der Pallasstraße sollte sich dreiflügelig und ehrenhofartig mit großem Vorplatz direkt an die vorhandene Eckbebauung anschließen. Ausgeführt wurde 1938-39 lediglich der Umbau des Hauses Potsdamer Straße 182 (siehe dort). Vgl. Schäche 1991, S. 241 ff.

(2) Unterlagen im Archiv der Deutschen Telekom (zit. n. Kopien in den Archiven von Bodo Förster, Sophie-Scholl-Oberschule, und Reiner Janick, Berliner Unterwelten).

(3) Darüber hinaus wurde an der Südostseite ein zusätzlicher, etwas größerer Wartungseingang ergänzt und im dritten Obergeschoss ein Notausstieg in die südliche Längswand eingeschnitten. Aufnahmen des Inneren vor dem Umbau sind im Film "Der Himmel über Berlin" (1988, Regie: Wim Wenders) zu sehen.

(4) Mit den wachsenden Spannungen zwischen West-Alliierten und Sowjetunion, nach Blockade und Mauerbau, ordnete die Alliierte Kommandantur am 14.10.1965 die "Errichtung von Schutzräumen als Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Zivilbevölkerung vor den Wirkungen bewaffneter Angriffe" (BK/O 6511) an. Sowohl erhaltene Luftschutzräume sollten umgebaut als auch neue Schutzanlagen errichtet werden. 1985 waren in West-Berlin für rund zwei Millionen Einwohner 12 Zivilschutzanlagen mit insgesamt etwa 19.000 öffentlichen Plätzen vorhanden. Politische Protestbewegungen entlarvten die Fehleinschätzung und forderten Friedens- statt Aufrüstungspolitik, Verhinderung von Krieg statt passiven Schutz. Nach dem Fall der Mauer und mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde 1990 der Bau von Zivilschutzanlagen in Berlin gestoppt. Vgl. Marszolek, Inge/Buggeln, Marc (Hg.): Bunker, Kriegsort, Zuflucht, Erinnerungsraum, Frankfurt/Main 2008; Rollmann, Niko/Elfert, Eberhard: Die Stadt unter der Stadt. Das unterirdische Berlin, Berlin 2010.

(5) Elektropolis Berlin 2014, Nr. 374, S. 415; Dokumentation zur Geschichte des Hochbunkers Pallasstraße, Hg. Frag doch! Verein für Begegnung und Erinnerung e.V./Bodo Förster/Quartiersmanagement Schöneberg Nord, Berlin 2009; Förster, Bodo: Die Sophie-Scholl-Oberschule, 175 Jahre Schulgeschichte, Berlin 2008.

Literatur:

  • Förster, Bodo / "Der Hochbunker an der Pallasstraße in Berlin-Schöneberg. Von der Augustaschule zum Augustalager - Zwangsarbeit in Berlin-Schöneberg 1943-1945" / Seite 72 ff., 94 ff.
  • "Früher ein Bunker, heute ein Ort der Erinnerung" (31.05.2008), auf der Webseite des Netzwerks Weiße Rose / Seite 185 f.
  • Förster, Bodo / Die Sophie-Scholl-Oberschule. 175 Jahre Schulgeschichte, Berlin 2008 / Seite 238-245
  • Arnold, Dietmar/ Janick, Reiner / Sirenen und gepackte Koffer. Bunkeralltag in Berlin, Berlin 2003 / Seite 75-87.
  • Schäche, Wolfgang / Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945. Planen und Bauen unter der Ägide der Stadtverwaltung. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler in Berlin (Hrsg. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Landeskonservato / Seite 245-260
  • Steneck, Nicholas J. / Eine verschüttete Nation? Zivilschutzbunker in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1965. In: Marszolek/Buggeln 2008 / Seite 106f.
  • Friedrichs, Jan-Henrik / Massenunterkunft, Atombunker, Kunstobjekt. Bunkernutzungen im Nachkriegsdeutschland. In: Marszolek/Buggeln 2008 / Seite .
  • Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg, Petersberg 2018 / Seite .
  • Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Weißbuch zur Zivilen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1972 / Seite .
  • Rollmann, Niko; Elfert, Eberhard: Die Stadt unter der Stadt. Das unterirdische Berlin, Berlin 2010 / Seite .
  • Marszolek, Inge; Buggeln, Marc (Hrsg.): Bunker. Kriegsort, Zuflucht, Erinnerungsraum, Frankfurt/Main 2008 / Seite .
  • Arnold, Dietmar und Ingmar; Salm, Frieder: Dunkle Welten. Bunker, Tunnel und Gewölbe unter Berlin, Berlin 1999
  • AG Kunst der Friedensinitiative Schöneberg (Hrsg.): Rette sich - wer kann. Dokumentation zum Zivilschutz, Berlin 1985

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen