Denkmaldatenbank

Städtisches Krankenhaus am Friedrichshain

Obj.-Dok.-Nr. 09085001
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Friedrichshain
Adressen Landsberger Allee 49

Virchowstraße
Denkmalart Ensemble
Sachbegriff Krankenhaus

Nach 1850 erfolgte mit dem Krankenhausbau der erste schwere Eingriff in den Park Friedrichshain. Bis zu dieser Zeit - Berlin hatte fast 1 Million Einwohner - lag die Krankenfürsorge der preußischen Hauptstadt ausschließlich bei militärischen, konfessionellen oder privaten Einrichtungen. Staatliche Anstalten wie die Charité wurden mitgenutzt. (1) Durch private, zweckgebundene Geldgeschenke geriet der Magistrat in Zugzwang; am 28. Dezember 1867 beschloß die Stadtverordnetenversammlung den Bau des ersten städtischen Krankenhauses und die Beauftragung der Architektenfirma Gropius & Schmieden. (2) Sowohl an der Beschlußfassung als auch an der funktionellen Planung des erstmals in Deutschland zur Anwendung kommenden Pavillonsystems hatte der Arzt und Abgeordnete Rudolf Virchow großen Anteil. (3) Am 8. Oktober 1874 waren die ersten Bauabschnitte bezugsfertig. (4) Durch mehrere Erweiterungen stieg die Bettenkapazität von 600 im Jahre 1874 auf 1060 im Jahre 1939.

(S. 28)

Zu den wohl wichtigsten öffentlichen Bauaufgaben gehörten der Stadtpark Friedrichshain sowie das an seinem Rand errichtete Städtische Krankenhaus. Gustav Meyer, Mitarbeiter Peter Joseph Lennés und späterer Gartenbaudirektor Berlins, war der Urheber der Parkgestaltung und vermutlich auch der gärtnerischen Konzeption des Hospitals. Um der wachsenden Reputation der neuen Hauptstadt zu genügen, sollte das Krankenhaus, das erst mit Hilfe einer großzügigen Schenkung Wirklichkeit wurde, der Inbegriff modernen Gesundheitswesens werden. Unter dem maßgeblichen Einfluß des angesehenen Stadtverordneten und Mediziners Rudolf Virchow entwarfen die Architekten Gropius & Schmieden - trotz heftiger Widerstände - zum ersten Mal ein Pavillonkrankenhaus in Deutschland. (5) Entwickelt aus den Kriegs- und Barackenlazaretten bestanden die massiv erbauten Friedrichshainer Pavillons - ein erster wurde 1866 in der Berliner Charité als Prototyp errichtet - aus Sälen mit jeweils zwanzig Betten, seitlich anschließenden Wärterzimmern und Klosetts. Die Krankensäle waren von Galerien eingefaßt. Sie konnten, je nach Anzahl der Kranken, beliebig kombiniert werden. Neu war vor allem die Firstventilation im flachen Satteldach, eine wettergeschützte Öffnung, die die permanente Entlüftung ermöglichte. Cholera- und Pockenepidemien hatten nach hygienischen wie klimatischen Verbesserungen verlangt, die nur die Pavillons mit ihrer Dachentlüftung und der zusätzlichen Querlüftung boten. Außerdem wurde die Hygiene durch den Verzicht auf Holz für Böden und Wandverkleidungen verbessert. Auch baukünstlerisch war das Krankenhaus ein ehrgeiziges Unterfangen. Um sich von dem zeitgenössischen Krankenhausbau abzuheben, der noch stark am Sakralbau orientiert war und das Selbstverständnis der kirchlichen Bauträger widerspiegelte, griffen Gropius und Schmieden für ihren städtischen Auftraggeber auf die Architektur der griechischen Antike zurück. "Salus intrantibus" - das Heil sei den Eintretenden - ist der Haupteingang, wie das Tor zu einem heiligen Bezirk, überschrieben. Man erkennt das Propyläenmotiv, das dem antiken Torbau vor einem Tempelbezirk entlehnt ist. Die Verwaltungsgebäude am Haupteingang und an der westlichen Parkseite erhielten eine repräsentaive Gestaltung. Einfacher ausgebildet folgten nach Osten ein- und zweigeschossige, parallel angeordnete Pavillons. Hinter dem Haupteingang öffnete sich ein in der Sichtachse angelegter, langgestreckter Gartenplatz, der östlich von einem großen Wirtschaftsgebäude begrenzt wurde. Über die den Platz flankierenden Wege erreichte man über ein rechtwinklig abzweigendes Wegesystem die Pavillons. Magistratsbaurat Meurer ergänzte 1926-27 die Pavillon-Reihe im Norden durch einen großen, über einem H-förmigen Grundriß aufgerichteten Neubau, der auf das Korridorsystem zurückgriff und dadurch die Wege zwischen Kranken und medizinischem Personal, zwischen Bettenstationen und Behandlungsräumen verkürzte. Ausreichendes Licht und frische Luft gab es vor allem in Wandelhallen und Loggien. Mit dem Röntgenhaus entstand 1932 ein eigener Bau für die medizinische Technik.

(S. 49)

Den entscheidenden Anstoß zum Bau des ersten Städtischen Krankenhauses am Friedrichshain an der Landsberger Allee 49 gab 1864 die Schenkung des Berliners Jean Jacques Fasquel in Höhe von 50.000 Talern. (6) Mit der Planung eines Krankenhauses für 600 Betten auf dem ungefähr 10 ha großen vom Volkspark Friedrichshain abgetrennten Areal wurden die assoziierten Architekten Martin Gropius und Heino Schmieden beauftragt. Gemeinsam mit dem Stadtverordneten und Arzt Rudolf Virchow entwickelten sie ein Krankenhaus im Pavillonsystem. In den damaligen Krankenhäusern waren Infektionen unter den Patienten das Hauptproblem, dem durch kleinere, gut belüftbare Gebäude mit weniger Patienten entgegengetreten werden sollte. In Deutschland gab es hierfür noch keine Vorbilder. (7) Entscheidend war auch die Lage außerhalb der Stadt auf einer Anhöhe. Gustav Meyer hat die Gestaltung des Krankenhausgartens in seinem "Entwurf für die Erweiterung des Friedrichshains" dargestellt. Seine Mitwirkung an der Gestaltung des Gartens ist naheliegend. War das Krankenhaus auch vom Friedrichshain umgeben und somit in einen Park eingebettet, so wurde doch der Kernbereich des Krankenhausgartens in Entsprechung zu den Bauten sowie unter funktionalen Aspekten regelmäßig-symmetrisch gestaltet. Nur in den Randzonen befanden sich geschwungene Wegeführungen sowie nach landschaftlichen Prinzipien angeordneten Gehölzpflanzungen, die zwischen Krankenhausgarten und Park vermittelten.

(S. 102-105)


(1) Berliner Krankenhäuser bis 1874: Charité (1727), Städtisches Irrenhaus (1726), Jüdisches Krankenhaus (1756), Universitätskliniken (1810), Elisabeth-Krankenhaus und Kinderkrankenhaus (1837), St.-Hedwigs-Krankenhaus (1844), Diakonissenanstalt Bethanien (1847), Garnisonslazarett I (1853), Irrenanstalt Schweizerhof (1853), Maison de Santé, Brecht- und Caspersche Augenklinik, Augusta-Hospital (1869), Lazarus-Krankenhaus (1870), Barackenlazarett Moabit (1871) und einige kleinere Anstalten. Im Jahre 1874 lag die Sterblichkeitsrate in Preußens Städten 7,6 % höher als auf dem Lande, in den Proletariervierteln Berlins war sie 1869 zweieinhalbmal so hoch wie in den bürgerlichen Wohnvierteln.

(2) Martin Gropius (1824-1880), Großonkel des Bauhausgründers Walter Gropius (1883-1969), war seit 1866 mit Heino Schmieden (1835-1913) assoziiert; aus dem umfänglichen Werk ist das Kunstgewerbemuseum Prinz-Albrecht-Straße (1877-81), heute Martin Gropius-Bau, am bekanntesten.

(3) Der Arzt Rudolf Virchow (1821-1902) wurde bekannt u.a. durch seine theoretischen Arbeiten über Zusammenhänge zwischen sozialen Zuständen, hygienischen Bedingungen und Krankheitshäufigkeiten. Seine Mitgliedschaft im preußischen Landtag (ab 1861) und im Reichstag (1880-93) beförderte wesentlich den Baubeschluß für die Kanalisation.

(4) Obwohl die Schenkungsbedingungen keine Geistes- und Geschlechtskranken, Pocken- und Cholerakranken sowie Wöchnerinnen zuließen und auf einen - 1881 ergänzten - Operationssaal verzichtet worden war, galt diese Anstalt lange wegen der hygienischen Bedingungen, der Lage im Grünen und der 1876 hinzugefügten Pflegerinnenschule als vorbildlich. 1897 wurde das Leichenhaus an der Virchowstraße errichtet, das 1902 zum Pathologischen Institut umgebaut wurde. Der Kinderstation (Pavillons am nördlichen Haupteingang), erbaut 1910-12, folgten 1913-19 zwei Ärztewohnhäuser und das Kasino nach Entwürfen von Ludwig Hoffmann; 1927 Bau der Frauenklinik.

(5) Das System kam schon in den Lazaretten der amerikanischen Befreiungskriege und während der französischen Revolutionskriege in mediterranen Regionen zum Einsatz. - Bei ihrem nächsten Krankenhausprojekt, der Chirurgischen, Augen- und Ohrenklink in der Ziegelstraße 5-11, wichen die Architekten bereits vom reinen Pavillonprinzip ab, die Stationen sollten ökonomischer und zentraler durch Flügel erschlossen werden, vgl. Engel, S. 25; Lommel; Schiffczyk, S. 43.

(6) Das Legat bestimmte erstens den Ausschluß von Pocken-und Cholerakranken, Syphilitikern, Geisteskranken und Wöchnerinnen und zweitens den Baubeginn bis spätestens zum Jahresende 1868. Vgl. den Magistratsbeschluß, in: Communalblatt der Haupt- und Residenz-Stadt Berlin, 9/1868, Nr. 1; und auch Gensch/Liesigk/Michaelis, S. 143, Anm. 77.

(7) Schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts waren in Frankreich und England Konzepte für Pavillonkrankenhäuser erarbeitet worden. Gropius & Schmieden selbst hatten bei der Planung der Eberswalder Provinzial-Irren-Anstalt von 1862 schon in Ansätzen ein Pavillonsystem mit Park entwickelt; vgl. Klinkott, S. 244.

Literatur:

  • Topographie Friedrichshain, 1996 / Seite 28, 49, 102-106

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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