Denkmaldatenbank

Haus Hamspohn

Obj.-Dok.-Nr. 09080161
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Am Großen Wannsee 40
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus & Landhaus & Chauffeurshaus
Datierung 1906-1907
Entwurf Baumgarten d. Ä., Paul (Architekt)
Entwurf Nicolas, Friedrich (Bildhauer)
Bauherr Hamspohn, Johann (Direktor)

Am Großen Wannsee 40 befindet sich das ehemalige Haus Hamspohn mit Chauffeurshaus. Das durch einen Flechtschuppenzaun und den Eingang flankierende hohe Natursteinpfeiler von der Öffentlichkeit abgeschirmte neoklassizistische Landhaus liegt weit hinter dem Vorgarten zurück. An der Straße links des Eingangs befindet sich das ehemalige Chauffeurshaus. Beide Gebäude entstanden 1906-07 nach einem Entwurf von Paul O. A. Baumgarten für den Direktor der AEG und Reichstagsabgeordneten Johann Hamspohn. (1) Das zweigeschossige Landhaus ist formal eine Dreiflügelanlage mit steilen Mansarddächern, deren Innenhof durch eine zweigeschossige, flach gedeckte Halle mit Oberlicht geschlossen ist. Die dreiachsige Hallenfront mit mittigem Portal tritt leicht hinter den einachsigen Flügeln zurück, sodass sich eine einladende Geste ergibt. Der helle Putzbau besitzt eine kontrastierende naturrote Biberdeckung und Fledermausgauben. An der Seeseite ist der siebenachsigen Fassade ein Schattenspendender Säulenaltan mit Freitreppe zum Garten vorgesetzt. Das Dach wird dort mittig durch eine Zwerchhausloggia mit eingestellten Säulen und darüberliegendem Tympanon akzentuiert. Stilistisch orientiert sich das Gebäude an Bauten der Zeit um 1800, es zeigt aber auch deutlich zeitgenössische Merkmale. Die Fassaden sind in klassischer Manier durch haushohe Lisenen gegliedert, zwischen denen mit Klappläden versehene kleinteilige, hochrechteckige Fenster angeordnet sind. Der weitgehend symmetrische Gesamtaufbau des Hauses wird an der Straßenseite durchbrochen, indem der rechte Seitenflügel zum Risalit verkürzt und einseitig davor eine Terrasse mit Säulenpergola gestellt ist. Dadurch erhält der ansonsten sehr strenge Bau eine auflockernde Komponente. Eine ähnliche Außenwirkung haben die in ihrer Größe dem Treppenverlauf folgenden Hallenfenster. Baudekor ist nur sehr sparsam einsetzt, so am Eingangsportal, das durch schräg gestellte Lisenen gerahmt wird, die ein gebrochenes Gebälk tragen. Darunter findet sich ein Relief mit Obstkorb, Vögeln und Blumengirlanden. Das Gebäudeinnere wird von einer zweigeschossigen Treppenhalle mit zweiläufiger Winkeltreppe, Galerie und Oberlicht als Zentrum dominiert. Die Halle ist in stilistischer Anlehnung an die italienische Renaissance reich ausgestaltet. Dazu gehören ein hölzernes kassettiertes Wandpaneel, eine Kassettendecke mit gedoppelten Stegen, ein aufwendig gearbeitetes Treppengeländer mit doppeltem Endlosschleifenband sowie farbige Jugendstil-Bleiglasfenster. Zu den bemerkenswerten Ausstattungsstücken - vermutlich Spolien - gehören eine Marmorsäule, ein Kamin aus italienischem Kalkstein, ein floral dekoriertes Flurfenster aus Kalkstein mit Mittelpfosten und ein halbrunder Brunnen, ebenfalls aus Kalkstein, mit weiblicher Marmorskulptur von N. Friedrich aus dem Jahre 1907. Die zur Seeseite gelegenen ehemaligen Wohnräume sind nicht minder aufwendig und gediegen gehalten als das Speisezimmer mit Rautenstuckdecke und wandhoher Holztäfelung. Insbesondere die äußere Gestaltung des Hauses lässt den Einfluss von Baumgartens 1909 verstorbenen Lehrer Alfred Messel spüren, der für die Berliner Architektur am Beginn des 20. Jahrhunderts stilbildend gewirkt hat. Der Architekturkritiker Walter Curt Behrendt führte das Haus Hamspohn bereits in Messels Todesjahr in einem Aufsatz neben anderen Beispielen an für die "erstaunlich früh zur Reife gelangte Begabung (Paul Baumgartens, d. V.), die geeignet sein könnte, den Verlust Messels zu ersetzen." (2) Das Haus Hamspohn gehört somit zu den frühen Beispielen der von Messel begründeten und von seinen Schülern fortentwickelten "Neuen Berliner Bauschule", der es darum ging, eine lebendige, neue Großstadtarchitektur zu entwickeln und mit dieser den Historismus zu überwinden. Das Anwesen Hamspohns blieb bis 1940 in Familienbesitz. Anschließend wurde es von der Deutschen Reichspost erworben und als Schule für Postinspektoranwärterinnen genutzt. 1944 diente es als Militär- Lazarett, 1945-69 gehörte es zum Krankenhaus Wannsee und erhielt einen Verbindungsgang zur Villa Liebermann. Während der Nutzung durch den Postruderverein ab 1971 wurde an der Seeseite ein lang gestrecktes Bootshaus mit begehbarer Terrasse angebaut, das man im Zuge der umfassenden Instandsetzung des Hauses 2004-05 zu Bibliothek und Archiv umbaute. (3)


1) Zu Paul Otto August Baumgarten (1873-1946) siehe: Leyser, Erich: Tradition und Stil - zum Schaffen Paul Baumgartens. In: Die Bauwelt 2 (1911), S. 3368-3375; Ribbe/Schäche 1987, S. 599. Zu Johann Hamspohn (1840-1926), Reichstagsabgeordneter und Gründer der Union Elektrizitätswerke (mit Ludwig Loewe), siehe: Villenkolonien 2000, S. 28-30.

2) Walter Curt Behrendt, Messel-Schüler II. In: Neudeutsche Bauzeitung (1909), S. 477 f.

3) Die ursprünglich von Körner & Brodersen stammende Gartenanlage wurde nicht rekonstruiert. Vgl. Heinisch/Schumacher 1988, S. 157.

Literatur:

  • Behrendt, Walter Curt, Alfred Messel, Berlin 1911 / Seite S.132f.
  • Topographie Steglitz-Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 97
  • Behrendt, Walter Curt: Messelschüler II, in: Neudeutsche Bauzeitung 5 (1909) / Seite 477 f.
  • Leyser, Erich: Tradition und Stil. Zum Schaffen Paul Baumgartens, in: Bauwelt 2 (1911) / Seite 3368

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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