Denkmaldatenbank

Siedlung Mariendorf-Ost, Siedlung "Nachbarschaft Mariendorf"

Obj.-Dok.-Nr. 09076014
Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Ortsteil Mariendorf
Adressen Rixdorfer Straße
89, 91, 93, 95, 97, 99, 101, 103, 105, 107, 109, 111, 113, 133, 135, 137, 139, 141, 143, 145, 147, 147A, 147B, 149, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 163, 165

Bosporusstraße
26, 26A, 26B, 26C, 27, 27A, 27B, 27C, 28, 29, 29A, 29B, 29C, 30, 31, 31A, 31B, 31C, 32, 33, 33A, 33B, 33C, 34, 35, 36, 37, 38

Britzer Straße
84, 84A 84B, 84C, 84D, 84E, 84F, 84G, 84H, 86, 86A, 86B, 86C, 86D, 86E, 86F, 86G, 86H, 88, 88A, 88B, 88C, 88D, 88E, 90, 90A, 90B, 90C, 92, 94

Dardanellenweg
1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 40, 42, 44, 46

Imbrosweg
41, 41A, 41B, 41C, 43, 43A, 43B, 43C, 45, 45A, 45B, 45C

Skutaristraße 2
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnanlage
Datierung 1955-1957
Entwurf Ebert, Wils (Architekt)
Bauherr Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft (GEHAG) (gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft)

Die 1955-57 erbaute Siedlung Mariendorf-Ost, Rixdorfer Straße 89/113, 133/165, Britzer Straße 84/94, Dardanellenweg 1/29, 40/46, Skutaristraße 2, Bosporusstraße 26-38 und Imbrosweg 41/45C, war das größte Wohnungsbauvorhaben in West-Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. (1) Das aus drei Siedlungsteilen bestehende Wohngebiet vermittelt beispielhaft die architektonischen und städtebaulichen Vorstellungen der frühen Nachkriegszeit. Bauherr war die Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft (GEHAG), die das landschaftlich reizvolle Gelände neben dem Volkspark Mariendorf bereits 1938 erworben hatte. Mit der Planung wurde Wils Ebert beauftragt, ein Bauhausschüler, der von 1945 bis 1949 das Hauptamt für Planung beim Magistrat der Stadt Berlin geleitet hatte und mit Hans Scharoun an der Gestaltung der "Wohnzelle Friedrichshain" beteiligt war. Das Projekt in Ost-Berlin konnte aus politischen Gründen nicht zu Ende geführt werden. Die in Ost-Berlin abgelehnten städtebaulichen Vorstellungen wurden in den 1950er Jahren in West-Berlin mit der Siedlung Mariendorf-Ost umgesetzt. Die Siedlung ist als "Nachbarschaft" oder "Wohnzelle" für etwa 7.000 Bewohner konzipiert. Mit den "Wohnzellen", die nach dem Scharoun-Plan von 1946 im kriegszerstörten Berlin entlang des Spree-Urstromtals angelegt werden sollten, wollte man überschaubare, in sich geschlossene Einheiten mit eigenen Versorgungseinrichtungen, Geschäften und Schulen schaffen. Nach dem Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt war beabsichtigt, den Durchgangsverkehr um die Siedlung herumzuführen und die Häuser, eingebettet in eine begrünte Landschaft, durch Hauptfußwege und kleinere Nebenwege zu verbinden. Durch unterschiedlichen Bautypen wurde eine soziale Mischung der Bewohner angestrebt. Wils Ebert übertrug diese Ideen auf den Bezirk Tempelhof, wo er ein durchgehendes "Wohnband" am Teltowkanal plante. Das städtebauliche Konzept der Siedlung Mariendorf-Ost richtet sich nach den landschaftlichen Gegebenheiten. Aus einer natürlichen Senke nördlich des Rothepfuhls wurde der Hauptgrünzug gestaltet, der den Mittelpunkt der "Wohnzelle" bildet. Der zentrale Bereich der Siedlung wird durch zwei Straßen erschlossen (Dardanellenweg, Imbrosweg), die als Schleife miteinander verbunden sind. Die Siedlung besteht aus dreigeschossigen Zeilenbauten, ausgerichtet nach Licht, Luft und Sonne, aus einem Appartementhochhaus und aus kleinen Einfamilienhäusern in Teppichbebauung. Mit vielfältigen Wohnungsgrundrissen wurde auf unterschiedliche Familiengrößen und Einkommensverhältnisse Rücksicht genommen. Die Grünanlagen gestaltete der Gartenarchitekt Walter Rossow. Die GEHAG betrachtete die Siedlung Mariendorf-Ost als ihren Beitrag zur Internationalen Bauausstellung 1957.

An der Britzer Straße/Ecke Rixdorfer Straße weist ein neungeschossiges Appartementhochhaus mit Einzimmerwohnungen auf die Siedlung hin, während an der Rixdorfer Straße vier gestaffelte Wohnzeilen den Straßenraum begrenzen. Die dreigeschossigen Zeilenbauten mit weiß verputzten Wandflächen und gut besonnten Loggien vor den Wohnräumen besitzen ein überstehendes Flachdach. Für einen farbigen Akzent sorgen die Rückwände der Loggien, die abwechselnd gelb, rot und hellblau und hellgrün gestrichen sind. (2) Um eine heitere Stimmung zu erzeugen, wiederholte Wils Ebert die Farben in der ganzen Siedlung. Für die abgerundeten Brüstungen der Loggien wurden weiße Eternitplatten verwendet. Hinter den Zeilenbauten breitet sich eine eingeschossige Teppichbebauung mit vierundzwanzig Einfamilienhäusern aus. Da der Wohnungsbestand vermietet wird, handelt es sich eigentlich um Mietshäuser. Die gleichmäßig aufgereihten Gebäude wirken wie Atriumhäuser, denn durch Hecken und Gartenmauern wurden intime, von der Außenwelt abgeschirmte Wohngärten geschaffen. In die strahlend weißen Gartenmauern, die die Wohnwege begleiten, sind schräg gestellte Schlitze eingeschnitten, die abwechselnd rot, blau und gelb gefasst sind, sodass sich ein farbiges Muster ergibt. Nach amerikanischem Vorbild erhielten die Einfamilienhäuser ein flaches Dach mit einem auffälligen Dachüberstand, der Schatten spenden soll. Alle Zimmer sind nach Süden orientiert, zum Garten, der in den Wohnbereich integriert ist. Eine dreiteilige, raumhohe Terrassentür vermittelt zwischen dem Wohnraum und dem Grünbereich.

Der zweite Siedlungsteil besteht aus sechs Zeilenbauten, die am Dardanellenweg parallel nebeneinander aufgereiht sind, und aus drei weiteren Zeilen an der Rixdorfer Straße. Wils Ebert wiederholte das farbige Konzept mit den rot, gelb oder blau leuchtenden Rückwänden der Loggien und den weißen Balkonbrüstungen.Der Dardanellenweg führt zum zentralen Siedlungsbereich, durch den sich eine Senke zieht, die in einen Grünzug umgestaltet wurde. Das mit schattigen Bäumen bepflanzte, vom Durchgangsverkehr befreite Gelände wird über eine Stichstraße erschlossen. Zwischen den dreigeschossigen Zeilenbauten verlaufen schmale Fußwege. Es lassen sich zwei Bautypen unterscheiden. Einige Gebäude verfügen über eingetiefte Loggien mit farbigen Rückwänden und Balkonbrüstungen aus Drahtglas, andere Zeilenbauten besitzen keine Loggien, sondern nur raumhohe Fenstertüren mit einem schmalen Austritt. Am Dardanellenweg steht ein fünfgeschossiges Laubenganghaus, dessen Wohnungen zum begrünten Siedlungsgelände gerichtet sind. Die Wohnungstüren, die von den offenen Gängen abgehen, sind abwechselnd rot, blau und gelb gestrichen. In der Mitte des Siedlungsgeländes, östlich des Grünzugs, ordnete Wils Ebert die Schule, den Kindergarten und das Einkaufszentrum an. Die nördlich und östlich anschließenden Zeilenbauten, die nicht unter Denkmalschutz stehen, wurden in einem zweiten Bauabschnitt bis 1963 errichtet.


(1) Tempelhof - lebendige Werkstatt Berlins, anläßlich des 10jährigen Bestehens der wiederhergestellten demokratischen Selbstverwaltung hrsg. v. Bezirksamt Tempelhof von Berlin, Berlin 1956, S. 65-68 (Beitrag von Wils Ebert); GEHAG Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft 1924-1957. Entstehung und Entwicklung eines gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmens, Berlin 1957, S. 83-84; Siedlung der Gehag in Berlin-Mariendorf, in: Bauwelt 49 (1958), S. 420-425; Lancelle, Annemarie: Wohnsiedlung in Berlin-Mariendorf, in: Architektur und Wohnform 67 (1959), S. 101-107; Atriums-Mietshäuser im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus in Berlin-Mariendorf, in: Architektur und Wohnform 74 (1966), S. 256-257; BusB IV A, S. 429-430; 50 Jahre GEHAG. Ein Bericht, Berlin [1974], S. 24-25; Günther, Sonja: Wils Ebert. Ein Bauhausschüler 1909-1979. Die Arbeit eines Architekten und Städtebauers, Berlin 1993, S. 82-103; 75 Jahre GEHAG 1924-1999, hrsg. v. Wolfgang Schäche, Berlin 1999, S. 137-141; BusB IV D, S. 188-189.

(2) Wohnzeile Rixdorfer Straße 157/163 mit hellgrünen Rückwänden der Loggien, Wohnzeilen Britzer Straße 84/88 und Rixdorfer Straße 149/155 mit roten Rückwänden, Wohnzeile Rixdorfer Straße 141/147 mit gelben Rückwänden, Wohnzeilen Britzer Straße 90/94 und Rixdorfer Straße 133/139 mit hellblauen Rückwänden.

Literatur:

  • N.N./ Nachbarschaft in Mariendorf in
    Bauwelt 48 (1957) 24 / Seite 575
  • N.N./ Siedlung der Gehag in Berlin-Mariendorf in
    Bauwelt 49 (1958) 18 / Seite 420-25
  • Wohnsiedlung in Berlin-Mariendorf in
    Architektur und Wohnform 67 (1959) / Seite 101-107
  • GEHAG - Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft 1924-1957. Entstehung und Entwicklung eines gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmens, Berlin 1957 / Seite 83f., 130ff.
  • BusB IV A 1970 / Seite 429-30
  • 75 Jahre GEHAG, hrsg. v. Wolfgang Schäche, Berlin 1999 / Seite 137-141
  • Topographie Tempelhof, 2007 / Seite 185f.
  • Geist, Kürvers/ Mietshaus, 1989 &
    Günther, Sonja/ Wils Ebert. Ein Bauhausschüler 1909-1979. Die Arbeit eines Architekten und Städtebauers, Berlin 1993 &
    Bauhaus in Berlin. Bauten und Projekte, hrsg. v. Bauhaus-Archiv, Berlin 1995Geist, Kürve

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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