Denkmaldatenbank
S-Bahnhof Schlachtensee mit Empfangsgebäude, Bahnsteig und Bahnsteigüberdachung
09075999 | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Schlachtensee |
Adressen | Altvaterstraße 1 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Bahnhof (S) |
Datierung | 1878 |
Umbau | 1891 |
Unweit des Seeufers liegt zwischen Altvaterstraße und der Straße Am Schlachtensee der S-Bahnhof Schlachtensee, eine der ersten Haltestellen der Wannseebahn. Der Bahnhof trug wesentlich zur raschen baulichen Entwicklung der Villenkolonien Schlachtensee und Nikolassee bei. (1) Seit der Eingemeindung nach Groß-Berlin 1920 verläuft die Ortsteilgrenze zwischen Zehlendorf und Nikolassee mitten durch den auf einem Damm errichteten Bahnsteig, wobei sich die Hauptteile des Bahnhofs mit Eingängen, Bahnsteigtreppe, Stellwerk und dem alten Bahnhofsgebäude auf dem Gebiet von Nikolassee befinden. Sie dokumentieren bis heute anschaulich die unterschiedlichen Betriebsverhältnisse der "alten" und der "neuen" Wannseebahn. Während der jetzige Dammbahnhof beim viergleisigen Ausbau der neuen Wannseebahn 1889-91 entstand, gehört der frei stehende orangegelbe Ziegelbau an der Altvaterstraße noch zu den ersten Betriebsgebäuden der 1874 eröffneten alten Wannseebahn.(2)
Auf der Südseite des Dammes vermittelt das 1873-74 erbaute Empfangsgebäude, Altvaterstraße 1, das mit der Höherlegung der Gleise für die Neue Wannseebahn funktionslos wurde, eine Vorstellung von den Anfängen des Berliner Vorortverkehrs. Neben dem zeitgleichen Stationsgebäude in Lichterfelde-West an der Potsdamer Bahn ist der Schlachtenseer Bau der letzte erhaltene Bahnhofsbau im ländlichen Villenstil der Nachschinkelzeit. Allerdings fehlt seit den 1960er Jahren der dazugehörige italienisch anmutende Belvedereturm mit Aussichtslaube; ein ähnlicher Aufbau wurde in jüngerer Vergangenheit wiederhergestellt. Das einst ebenerdig neben einem Seitenbahnsteig gelegene Gebäude, das seit langem als Wohnhaus und Gaststätte genutzt wird, zeigt dennoch die charakteristischen Merkmale dieses frühen Bahnhoftyps, der das Bauschema der Villa zitierte: ein zweigeschossiger Hauptteil (mit Turm) für den Warteraum I. Klasse, die Fahrkartenausgabe und die darüberliegenden Beamtenwohnungen, ein niedrigerer Hallenanbau für die Warteräume III. und IV. Klasse sowie Räume für Gepäck und Stückgut. Beide Bauteile waren mit flach geneigten auskragenden Dächern und hohen Rundbögen im Erdgeschoss gestaltet. (3) Die giebelbetonte Front mit reichem Schnitzwerk im Schweizer Stil war zur Schienenseite ausgerichtet. (4)
Die erste Station am Schlachtensee diente anfangs vor allem dem Ausflugsverkehr, lag sie doch in der Nähe des beliebten Seelokals "Neue Fischerhütte". Der folgende Bahnhofsumbau sollte den Verkauf in den von der HAG gegründeten Villenkolonien fördern. 1891 eröffnet, verkörpert die neue Station bereits den modernen Bahnhofstypus des Berliner Vorortverkehrs. Er hatte, auf der Neuen Wannseebahn erstmals erprobt, den stark gewachsenen Verkehrsverhältnissen zu genügen. Dazu gehörte ein schienenfreier Zugang zum Mittelbahnsteig auf einem Damm, der hier einen Durchlass für die Breisgauer Straße lässt, beidseitige Zugänge mit Fahrkartenverkaufs- und Betriebsräumen, eine geradlinige Bahnhofstreppe mit einem Glasüberbau aus filigranem Eisenfachwerk sowie eine Bahnsteigüberdachung. Bei dieser Modernisierung der Vorortlinie konnte die Königliche Eisenbahndirektion Neuerungen einsetzen, die sie bereits auf der Berliner Stadtbahn-Strecke erprobt hatten. So wurden die Mittelbahnsteige der Neuen Wannseebahn einheitlich mit standardisierten Bauelementen, den so genannten "Normalien" ausgestattet. Dazu gehörten eine Überdachung auf zwei Reihen gusseiserner Säulen mit Kragarmen und Zugbändern, Sitzbänke sowie Warteraum- und Dienstbuden in Holzfachwerk. Letztere wurde nach der Jahrhundertwende durch Bahnsteighäuschen in Eisenfachwerk mit Fliesenausfachungen ersetzt. Von der ursprünglichen Ausstattung sind nach Modernisierungen nur die gusseisernen Stützenreihen mit ihren gotisierenden Knospenkapitellen bewahrt. (5) Die Bahnhofsanlage belegt den damaligen technischen Standard der Berliner Vorortbahnen und dokumentiert auf anschauliche Weise ein Stück Berliner Verkehrsgeschichte. (6)
1) Berlin und seine Eisenbahnen 1896, Bd. I, S. 352; BusB X B (1), S. 64 f.,134 f.,148, 153 (dort weitere Literatur zur Wannseebahn); Bley, Peter: 150 Jahre Eisenbahn Berlin-Potsdam, Düsseldorf 1988, S. 86, 133; Handke, Stefan: Die Eisenbahn Berlin-Potsdam, Die Wannseebahn, Berlin 1988, S. 87 ff.
2) Der Bau der 10,75 Kilometer langen zweigleisigen Wannseebahn geht auf die Initiative von Wilhelm Conrad zurück, der für die von ihm 1863/64 gegründete Villenkolonie Alsen am Wannsee eine bessere Verkehrsanbindung suchte. Von der Potsdamer Stammbahn bei Zehlendorf abzweigend, führte die Bahn anfangs durch unbebautes Wald- und Wiesengelände über die neuen Bahnhöfe Schlachtensee und Wannsee zur Station Kohlhasenbrück (später Neubabelsberg, heute Griebnitzsee), wo sie wieder in die Stammbahn einmündete. Betriebsbeginn der alten Wannseebahn Zehlendorf-Kohlhasenbrück war am 1. Juni 1874. Die viergleisige neue Wannseebahn, am 1. Oktober 1891 eröffnet, brachte die Trennung des Lokal- und Fernverkehrs sowie die Höherlegung der Gleise. Vgl. Denkmaltopographie Zehlendorf 1992, S. 132.
3) Peschken, Goerd: Villenvorort und S-Bahn. In: Die Berliner S-Bahn, Ausstellungskat., Berlin 1982, S. 114 ff. und Börsch-Supan, Eva: Berliner Baukunst nach Schinkel 1840-1870 (= Studien zur Kunst des neunzehnten Jahrhunderts, Bd. 25), München 1977, S. 122.
4) Die Errichtung eines derartig repräsentativen Empfangsgebäudes inmitten damals noch unberührter Natur war wohl angeregt durch ein nicht realisiertes Eisenbahnprojekt der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft. Sie plante Anfang der 1870er Jahre im Rahmen des Stadteisenbahnprojektes eine Lokalbahn von Schlachtensee nach Charlottenburg. Vgl. Bley, Peter: 100 Jahre Wetzlarer Bahn. In: Berliner Verkehrsblätter 26 (1979), H. 3/4, S. 52-108.
5) Entwurf der Bahnsteigüberdachung: Baubüro der Königlichen Eisenbahndirektion, Regierungsbaumeister Oertel und Krause. 1984/85 wurde bei der Wiederherstellung der Wannseebahn - Wiederinbetriebnahme 1. Februar 1985 - auch der Bahnhof Schlachtensee modernisiert. Eine erneute grundlegende Sanierung des Gleisbettes, der technischen Einrichtungen und zum Teil der Bahnhöfe fand in den Jahren 2001-02 statt. Hierbei wurde auch ein Aufzug am alten Stellwerk eingebaut.
6) Zum Bahnhof gehört das am Ostende des Bahnsteiges 1891 erbaute Stellwerk, ein gelber Rohziegelbau mit roten Ziegelbändern, das heute außer Betrieb ist.
Literatur:
- BusB X B 1984 / Seite 64, 148, 153
- Peschken, Goerd: Villenvorort und die S-Bahn, in: Die Berliner S-Bahn, Ausstellungskatalog 1982 / Seite 113-120
Kontakt
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