Denkmaldatenbank
Haus Oppenheim
09075572 | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Wannsee |
Adressen | Zum Heckeshorn 38 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Wohnhaus |
Datierung | 1908 |
Entwurf | Messel, Alfred & Baumgarten, Paul & Kolb, Paul & Egermont, W. & Walther, Wilhelm (Architekt) |
Bauherr | Oppenheim, Franz |
Gegenüber der Aussichtsterrasse mit dem Flensburger Löwen zweigt nach Südwesten die Straße Zum Heckeshorn ab. Am Waldrand entlang führend, wird sie von den Bauten der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn und des Behring-Krankenhauses geprägt. Das dicht an der Straße stehende kleine Gärtnerhaus Zum Heckeshorn 40 gehört derzeitig zur Wannseeschule e.V. Nur über deren Parkplatz ist das hinter dem großen Schulgebäude versteckt gelegene Haus Oppenheim, Zum Heckeshorn 38, zu erreichen. Das Anwesen war mit seiner Hauptschauseite ursprünglich zur Straße Am Großen Wannsee ausgerichtet. Sein 14.150 Quadratmeter großes, parkartiges Grundstück umfasste die heutigen Hausnummern Am Großen Wannsee 41-47A sowie das Seegrundstück Nr. 46-46A; dort stehen heute Geschosswohnbauten; das Landhaus war über eine gegenüber der Colomierstraße gelegene, lang gestreckte Zufahrt erschlossen. Zum Besitz des Chemikers und Generaldirektors der Agfa, Dr. Franz Oppenheim - Mitbegründer der IG Farbenindustrie AG 1925 - und seiner Frau Margarete, einer bedeutenden Kunstsammlerin, gehörten ferner ein Gärtner- und Pförtnerhaus, ein Stall- und Garagengebäude sowie ein Treibhaus. Die Entwürfe für das 1907-08 erbaute Landhaus sowie alle Nebengebäude und die herausragende, mit zahlreichen Tierplastiken August Gauls geschmückte Gartenanlage stammten von Alfred Messel. (1) Die Oppenheims bewohnten ihren Sommersitz rund 20 Jahre lang. Franz Oppenheim starb 1929 und wurde auf dem Neuen Friedhof in der Lindenstraße beigesetzt. Nach dem Tod Margaretes 1934 und Emigration der Erben 1938 bemächtigte sich der "Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS" des Anwesens; dessen "Wannsee-Institut" gehörte bis Kriegsende zu den Schwerpunkten geheimdienstlicher Präsenz in Wannsee. (2) Nach 1945 verfügte das Krankenhaus Wannsee über das Gebäude. In den 1980er Jahren wurde das Grundstück unter Aufgabe der ursprünglichen Struktur geteilt und neu bebaut. Das nach Leerstand und Verfall 1982 rekonstruierte Landhaus Oppenheim war bis 2009 Drogentherapie-Zentrum, seitdem blieb es ohne Nutzung.
Obwohl häufig "Villa" genannt, handelt es sich typologisch um ein Landhaus im besten Sinne. Als solches wird das Gebäude auch in den Entwürfen Alfred Messels bezeichnet. So ist der lang gestreckte, neunachsige Baukörper ebenerdig ohne Sockel in den Garten gesetzt. Er wird von einem gewaltigen Mansarddach überfangen. Die nahezu symmetrische Gartenseite ist im Mittelteil eingeschossig mit Mansarden und seitlich mit zweigeschossigen Risaliten ausgebildet, wodurch sie eine repräsentative Note besitzt. Dagegen zeigt die asymmetrische Hof- und Eingangsseite eine malerische Gruppierung: links vorspringender Wirtschaftsflügel, Rücklage mit Terrasse, vorkragender Turm mit Kupferhaube und Eingangsrisalit mit Pergola. Die Fassaden sind - typisch für Messel - sandfarben verputzt und mit Eckbänderungen sowie Fenstergewänden aus hellem Muschelkalkstein versehen. Die hochrechteckigen, weiß gerahmten Fenster besitzen eine feingliederige Sprossenteilung. Das Dach ist mit roten Biberschwanzziegeln eingedeckt, wobei die Mansarden Doppel- und die Walme Kronendeckung zeigen. Die äußere Erscheinung erinnert an Gutshäuser des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, ohne aber ein bestimmtes Vorbild zu zitieren. Der Eingang mit seinem in Stein gefassten Rundbogenportal und Wappen auf dem Schlussstein führt in einen quadratischen Vorraum mit Garderobe. Kernstück des Hauses ist die quer anschließende 24 Meter lange und 3,80 Meter breite Galerie, in der seinerzeit eine Auswahl von Werken aus der eindrucksvollen Kunstsammlung Margarete Oppenheims ausgestellt war. Die Galerie tritt hier an Stelle der die Gesellschaftsräume traditionell erschließenden Diele oder Halle. Sie ist mit Kamin und Treppe zum Obergeschoss ausgestattet und wird von Westen durch Fenstertüren beleuchtet. Eine flach gewölbte Stuckdecke, ein glänzender Marmorboden mit Schachbrettmuster und eine Einfassung durch vier rote Stuckmarmorsäulen an den beiden Schmalseiten verleihen ihr gemeinsam mit dem zarten figuralen Reliefdekor an den Fenstergewänden eine glanzvolle Note. Zur Wannseeseite sind die - einst mit hochkarätigen Gemälden ausgestatteten - Gesellschaftsräume gelegen. Das an der Schmalseite der Galerie gleichsam als deren Verlängerung anschließende Speisezimmer mit feiner Stuckdecke gibt mit einem Bogenfenster den Blick in den Garten frei. Daneben vermittelt an der Nordostecke des Gebäudes eine großzügige Loggia zwischen Haus und Garten. Unkonventionell war die Anordnung der beiden Schlafzimmer des Ehepaares im Erdgeschoss neben den Gesellschaftsräumen.
Unter den von Messel entworfenen Villen und Landhäusern kommt dem Haus Oppenheim in zweifacher Hinsicht besondere Bedeutung zu. Zum einen ist es das einzige erhaltene Landhaus, das konzeptionell mit einer Galerie zur Aufnahme einer Kunstsammlung ausgestattet war. Formal diente hier möglicherweise die Bildergalerie Friedrichs II. im Park Sanssouci als Anregung für eine Wiederholung im bürgerlichen Rahmen. Zum anderen gehört es zu den sehr wenigen Landhäusern in Berlin, die schon vor Erscheinen der theoretischen Schriften von Paul Mebes und Friedrich Ostendorf an der Herren- und Gutshausarchitektur der Zeit um 1800 orientiert waren. Dabei zeigt der Bau in seiner von zurückhaltender Gediegenheit und Eleganz geprägten Gestaltung aber keine vordergründige Repräsentation, sondern er war ganz individuell auf die Bedürfnisse seiner Bewohner zugeschnitten. Schließlich ist es das letzte Landhaus, das Alfred Messel vor seinem Tod 1909 in Berlin erbaute.
1) Später folgten ein Rosengarten nach Entwurf von Willy Lange sowie Umgestaltungen nach Ideen von Alfred Lichtwark und Paul Baumgarten. Vgl. Heinisch/Schumacher 1988, S. 157; Habel, Robert: Alfred Messels Wertheimbauten in Berlin, der Beginn der modernen Architektur in Deutschland (= Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin), Berlin 2009, S. 757-764; Alfred Messel, Ein Führer zu seinen Bauten, hrsg. v. Artur Gärtner, Robert Habel und Hans-Dieter Nägelke, Kiel 2010, S. 149-151.
2) Botsch, Gideon: Der SD in Berlin-Wannsee 1937-45. In: Villenkolonien 2000, S. 72-78.
Literatur:
- BusB IV C 1975 / Seite 148, Objekt 1713
- Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 110
- Habel, Robert: Alfred Messels Wertheimbauten in Berlin, der Beginn der modernen Architektur in Deutschland, in: Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Berlin 2009. / Seite 757-764
- Messel, Alfred: Ein Führer zu seinen Bauten, Kiel 2010. / Seite 149-151
- Botsch, Gideon: Der SD in Berlin-Wannsee 1937-45, in: Villenkolonien am Wannsee 1870-1945. Großbürgerliche Lebenswelt und Ort der Wannsee-Konferenz, Berlin 2000. / Seite 70-95
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