Denkmaldatenbank
Dorfkirche Stolpe
09075570 | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Wannsee |
Adressen | Wilhelmplatz 2 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Kirche |
Datierung | 1858-1859 |
Entwurf | Stüler, Friedrich August (Architekt) |
Wie von König Friedrich Wilhelm IV. gewollt, dominiert die Dorfkirche Stolpe, Wilhelmplatz 2,den Ort. (1) Idyllisch auf einem Hügel über dem Seeufer stehend, mit einem mächtigen Vierungsturm auf Fernsicht ausgelegt, ist die 1859 geweihte Kirche am Stölpchensee der bestimmende Mittelpunkt des alten Dorfkerns. Sie dominiert nicht nur, gleichsam einem Münster, über alle Alt- und Neubauten, sondern auch die Uferzone des Stölpchensees wird weithin von ihr beherrscht. Allerdings wirkt der imposante Kirchenbau, der an die Stelle einer baufälligen mittelalterlichen Fachwerkkirche trat, inmitten der bescheidenen dörflichen Häuser am Wilhelmplatz etwas fremdartig. Friedrich Wilhelm IV. hatte zur Verschönerung der Umgebung seiner Residenz in Potsdam einen aufwendigen und künstlerisch wertvollen Neubau gewünscht. Für ihn waren "Kirchenbauten (...) Stätten romantischer Frömmigkeit, die die Natur überhöhen" sollten. (2) Stolpe lag zudem im Weichbild Potsdams und nicht weit entfernt von den Schlössern Glienicke und Babelsberg. Bereits 1856 hatte daher Bauinspektor J. Gärtner von der Regierung Potsdam einen Bauplan vorgelegt, den der König jedoch verwarf. Er beauftragte stattdessen den Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler, seit 1842 Architekt des Königs, mit einem Gegenentwurf, dem er auch eigene Skizzen beigab und den er anschließend 1858-59 ausführen ließ. (3)
Mit den umgebenden Natursteinmauern, Toren und Treppen entstand ein kleiner, landschaftsbezogener Pfarrbezirk, von dem ein eigener romantischer Reiz ausgeht. Aber nicht nur Lage und Dimension der Stolper Kirche sind außergewöhnlich, auch in ihrer Tektonik stellt sie eine Besonderheit unter den Berliner Dorfkirchen dar. (4) So sind der hellgelbe Backstein, verziert mit roten Ziegelbändern, die schmalen Lisenen und die schlanken Rundbogenfenster, die romanische kreuzförmige Anlage mit einem Langhaus wie auch die drei polygonalen Apsiden noch dem für Stüler typischen italienischen Rundbogenstil der Schinkelschule verpflichtet. Für die damalige Zeit neue Zutaten sind dagegen einige gotische Motive wie die baldachinartigen Spitztürmchen auf den vier Turmecken und auch der Vierungsturm selbst. Sie weisen nach England zu den malerischen Landkirchen und sind wohl ein Beleg für die Einflussnahme von Friedrich Wilhelm IV.
Den klaren Innenraum prägen mit einer kaum geneigten Holzdecke, gekreuzten Schiffen und vier Rundbögen der Vierung stärker italienisch-romanisierende Stilelemente. Er ist weitgehend im Original bewahrt, selbst die Rautenverglasung der Rundbogenfenster - beim Fenster der Apsis mit dem Emblem der Stolper Gemeinde, einem auf dem Meer segelnden Schiff - ist noch vorhanden. Bemerkenswerte Ausstattungsstücke sind die in hellem Kunststein gehaltenen Prinzipalstücke: Altar, Taufstein und die auf hohen Arkaden stehende, achteckige Kanzel. Ihr filigraner Korb trägt stehende Apostel- und Evangelistenfiguren, Kopien von Werken Peter Vischers aus der St. Sebaldus-Kirche zu Nürnberg. (5) Auch die große Orgel ist als königliche Stiftung bauzeitlich. Vom Vorgängerbau übernahm man ein prunkvolles Sandsteinepitaph für die Familie des Königlichen Hof- und Obergärtners Joachim Ludwig Heydert, der Gärtner und Planteur in Klein-Glienicke war. (6) Das vermutlich von Wilhelm Christian Meyer 1777 geschaffene Grabmal schmückt die Nordwand des Langhauses und zeigt, die Inschriftentafeln flankierend, die geflügelte Gestalt des Chronos als Symbolfigur für das Lebensalter sowie rechts eine weibliche Figur der Trauer. Eine spätgotische Triumphkreuzgruppe hinter dem Altar stammt aus der Berliner Franziskaner-Klosterkirche. Das heute "Kirche am Stölpchensee" genannte Gotteshaus bekam im Rahmen einer Restaurierung seit 1990 auch seinen ursprünglichen, von Stüler beabsichtigten, hellen Raumeindruck wieder zurück. (7)
1) Zeitschrift für praktische Baukunst 20 (1860), S. 69; Pett, Ernst: Stolpe und sein Gotteshaus im Wandel der Jahrhunderte, Berlin 1959; Nagel, Carl: Stolpe und seine Stüler Kirche. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 61 (1965), S. 26-29; Weber 1970, S. 19 f.; Reclams Kunstführer 1977, S. 541; Kühne/Stephani 1978, S. 324 f.; Pomplun, Kurt: Berlins alte Dorfkirchen (= Berliner Kaleidoskop Bd. 3), Berlin 1984, S. 96 f.; Hoffmann-Tauschwitz, Matthias: Alte Kirchen in Berlin, 2. Aufl. Berlin 1991, S. 282-289; Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, S. 446, Obj. 704; BusB VI, S. 68, 365, Abb. 150; Börsch-Supan, Eva/Müller-Stüler, Dietrich: Friedrich August Stüler 1800-1965, hrsg. v. Landesdenkmalamt Berlin, München-Berlin 1997, S. 150, 540, Abb. 204 (dort weitere Literaturangaben).
2) Börsch-Supan, Eva/Müller-Stüler, Dietrich: Friedrich August Stüler 1800-1965, hrsg. v. Landesdenkmalamt Berlin, München-Berlin 1997, S. 146.
3) Der Grundstein wurde am 18. Juni 1859 gelegt, die Kirche am 25. November 1859 geweiht. An der Ausführung waren Bauinspektor J. Gärtner und Baumeister F. Gerndt beteiligt. Die Baukosten in Höhe von 15.577 Talern überstiegen die finanziellen Mittel der kleinen Gemeinde von Stolpe, sodass der König 6.000 Taler beisteuerte und die Regierung Potsdam den Restbetrag übernahm. Seit 1901 bilden die Kirchen "Am Stölpchensee", ehemals Dorfkirche Stolpe, und die Andreas-Kirche in der Lindenstraße eine eigene, von Neubabelsberg/Klein-Glienicke abgezweigte Gemeinde.
4) Hoffmann-Tauschwitz, Matthias: Wege zu Berliner Kirchen, Berlin 1987, S. 16 f.
5) Peter Vischer der Ältere (1455-1529).
6) Der Hofgärtner Joachim Ludwig Heydert (1716-1794) stiftete der Gemeinde 800 Taler zum Ausbau der Kirche, wofür er das Recht erwarb seinen Vater (gest. 1728), seine erste Ehefrau Maria Margarete (geb. Krook, gest. 1777) und sich selbst in der Kirche beizusetzen. Hierfür ließ er 1777 zum Tode seiner Ehefrau das Grabmal anfertigen.
7) 1953 Abschluss der Behebung der Kriegsschäden, 1958 Einbau eines Glockenspiels anstelle des 1942 eingeschmolzenen Spiels. Seit 1965 "Kirche am Stölpchensee" genannt.
Literatur:
- Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 59
- Zeitschrift für praktische Baukunst 20 (1860) / Seite 69
- Pett, Ernst: Stolpe und sein Gotteshaus im Wandel der Jahrhunderte, Berlin 1959Nagel, Carl: Stolpe und seine Stüler Kirche in
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 61 (1965) / Seite 26-29 - Klaus-Konrad, Weber: Kleine Baugeschichte Zehlendorfs, Berlin 1970 / Seite 19f.
- Reclams Kunstführer 1977 / Seite 541
- Kühne, Günther; Stephani, Elisabeth: Evangelische Kirchen in Berlin, Berlin 1978 / Seite 324f.
- Pomplun, Kurt: Berlins alte Dorfkirchen in
Berliner Kaleidoskop 3 (1984) / Seite 96f - Hoffmann-Tauschwitz, Matthias: Alte Kirchen in Berlin, Berlin 1991 / Seite 282-289
- Wörner, Martin; Mollenschott, Doris; Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, Berlin 1997 / Seite 446
- BusB VI 1997 / Seite 68, 365
- Börsch-Supan, Eva; Müller-Stüler, Dietrich: Friedrich August Stüler 1800-1965, München-Berlin 1997 / Seite 150, 540
- Hoffmann-Tauschwitz, Matthias: Wege zu Berliner Kirchen, Berlin 1987 / Seite 16f.
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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