Denkmaldatenbank

St.-Andreas-Kirche

Obj.-Dok.-Nr. 09075558,T
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Lindenstraße 2
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche ev.
Bauherr Conrad, Wilhelm

Jenseits des Don-Bosco-Steigs steht in der Lindenstraße 2, umgeben vom städtischen Friedhof Wannsee, die Andreaskirche mit Aussegnungshalle. Mitte der 1880er Jahre hatte Wilhelm Conrad die Anlage eines Friedhofs und einer Kapelle in die Wege geleitet und einen vom Potsdamer Forstfiskus erworbenen Bauplatz zur Verfügung gestellt. Die Beauftragung von Johannes Otzen mit dem Entwurf von Bauten und Friedhofsanlage war eine Hommage an den Kirchenbaumeister, dessen Wohnsitz Am Sandwerder 9 in Sichtweite zu Conrads Villa Alsen lag und der ebenso wie dieser zur gesellschaftlichen Elite in Wannsee gehörte. Während die von Otzen geplante Aussegnungshalle 1888 realisiert wurde, kam der von ihm projektierte Kirchenbau nicht zur Ausführung. (1) Stattdessen wurde 1895-96 ein neuer Entwurf von Otzens Meisterschüler Otto Stahn verwirklicht. Auch diesen Bau finanzierte Conrad, der die Kirche "Zur Ehre Gottes und im Hinblick auf die kirchlichen Bedürfnisse der Villenkolonie Alsen, sowie aus Dankbarkeit für die uns und unseren Kindern während unserer fast vollendeten 50jährigen Ehe so reichlich zu theil gewordenen göttlichen Gnade (...)" errichten ließ, und kurz nach ihrer Fertigstellung im Juni 1896 der Kirchengemeinde Stolpe stiftete. (2) Die Kirchweihe der Wannsee-Kirche fand am 15. August 1896 statt. Bezeichnet wurde sie stets als Neue Kirche - im Unterschied zur alten Dorfkirche in Stolpe. Erst Ende 1964 wurde sie in Andreaskirche umbenannt. Mit der Übernahme des Kirchenbauprojektes durch Otto Stahn erfolgte eine Trennung der Funktionen "Gemeindekirche" und "Friedhofskapelle". Diese wirkte sich auf das Erscheinungsbild aus. Da Stahn die von Otzen projektierte Ost-West-Ausrichtung der Kirche zugunsten einer Nord-Süd-Ausrichtung aufgab, wurde die als Vorhalle der Kirche gedachte Aussegnungshalle zum Nebeneingang.

Der Haupteingang der Gemeindekirche liegt in der Lindenstraße. Dort entfaltet der neugotische Backsteinbau mit mächtigem Turm, Querhaus und grauen Schieferdächern - von Rasenflächen und Bäumen gerahmt - in seiner Schlichtheit einen ganz besonderen Reiz. Durch den seitlich gestellten Turm, die Giebelfassade und Details wie die Fensterrose am Querhaus erinnert er formal an die gleichzeitig entstandene, aber wesentlich größere Georgenkirche von Stahns Lehrmeister Otzen in Berlin-Mitte. (3) Das stilistische Vorbild der märkischen Backsteingotik ist hier im Sinne des Historismus frei weiterentwickelt. Dies wird besonders an der Eingangsseite deutlich, deren hoher Giebel mit einem Zieraufsatz abschließt und mit Blendwerk in Form von auf- und absteigenden Bögen, Lanzettfenstern und Zwerggalerie geschmückt ist. Das mit Glasursteinen besonders reich gestaltete Portal vereint ebenfalls verschiedene gotische Formen, hier einen vor die Fassade geblendeten Staffelgiebel mit Dreipassfenster und gedrücktem Spitzbogen. Die zweiflügelige Segmentbogentür und das mit einem Kleeblattbogen sowie Mosaiken verzierte Tympanon liegen darin leicht zurück. (4) Der dreigeschossige Turm besitzt einen Kupfer gedeckten spitzen Helm mit Wetterhahn; sein oberstes Geschoss ist mittels eines Kaffgesimses abgesetzt und anhand von vier Giebeln mit Kreuzaufsatz und Uhr sowie gekuppelten Klangarkaden, Ecksäulen und Wasserspeiern besonders hervorgehoben. Die Seitenfassaden und die schräg angesetzten Chorkapellen zeigen ein typisches Fenstermotiv der Gotik.

Ein schlichter Nebeneingang - mit einem Mosaik des Christusmonogramms im Tympanon - führt zur Gemeindeempore. Das Innere der einschiffigen Kirche mit Querhaus bietet Platz für 250 Besucher. Von einer kleinen gewölbten Vorhalle aus führt rechts eine Treppe zur Orgelempore und zum Turm hinauf; zur Linken ist eine Ehrenbüste des Stifters Wilhelm Conrad von 1902 aufgestellt. Das Kirchschiff wird durch seinen offenen Dachstuhl, ein so genanntes "Hammerbeam roof" (Hammerbalkendach) mit eisernen Spannriegeln geprägt, dessen Vorbilder im englischen Pfarrkirchenbau des 15. Jahrhunderts zu suchen sind. In Verbindung mit der originalen Eichenholz-Ausstattung, bestehend aus Kirchenbänken, Emporen, Kanzel und Taufbecken, entfaltet sich eine eindrucksvolle Raumwirkung. Das ursprüngliche Erscheinungsbild muss allerdings dunkler gewesen sein, denn die hell getünchten Wände waren einst mit floraler Ornamentmalerei in bräunlichen Tönen versehen. Überreste sind auf der Empore hinter der Orgel vorhanden. (5) Bemerkenswert sind ferner die im Original erhaltenen farbenfrohen Glasfenster, insbesondere die Altarfenster mit Szenen aus dem Leben Christi - Geburt, Kreuzigung und Auferstehung - und die Fensterrose mit der Darstellung Christi als Weltenherrscher unterhalb der Gemeindeempore.

Ältestes Gebäude auf dem Kirchhof ist die 1888 nach Entwurf von Johannes Otzen errichtete, an der östlichen Kirchenwand anschließende Aussegnungshalle. Die sich mit drei weiten Arkaden zum Friedhof öffnende Backsteinhalle mit Bauschmuck aus glasierten Ziegeln und Sandstein stand ursprünglich frei an der Breitseite des dreieckigen Begräbnisplatzes. Vom Friedhofstor im Osten, ebenfalls von Otzen 1888 entworfen, läuft die zentrale Allee auf ihre Mittelachse zu. Nach der ursprünglichen Planung sollte der um fünf Stufen über dem Friedhofsniveau erhobene und mit einer Leichenhalle unterkellerte Bau die Vorhalle zu der geplanten "Neuen Kirche" von Wannsee bilden. Mit seinen von Spitzbögen und Giebeln überfangenen drei Jochen erinnert er daher formal an die Vorhallen gotischer Kathedralen. Den seitlichen Abschluss bilden in Anlehnung an gotische Fialen gestaltete Türmchen mit angeböschtem Sockel, Tabernakel und Kegeldach. Während die äußeren Bogenstellungen der Halle durch Brüstungen mit Kreuzpass begrenzt sind, führt die über eine Treppe erschlossene Mittelarkade auf ein Säulenstufenportal zu. Das Mosaik über der Tür zeigt Christus als Weltenherrscher in der Mandorla, umgeben von den Worten "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Innerhalb der Aussegnungshalle sind die einzelnen Joche mit kapellenartigen Wandnischen versehen und von Kreuzrippengewölben überspannt.


1) Wannsee-Bote, Sonderausgabe: 100 Jahre Andreaskirche 1896-1996, Berlin-Wannsee 1996, S. 6 ff.

2) Wannsee-Bote, Sonderausgabe: 100 Jahre Andreaskirche 1896-1996, Berlin-Wannsee 1996, S. 7.

3) Ehem. Georgenkirchplatz, 1950 abgebrochen. Abb. in: Gottschalk, Wolfgang: Altberliner Kirchen in historischen Ansichten, Leipzig 1986, Abb. 51, 52.

4) Im Mittelpunkt der Darstellung steht das Lamm Gottes in einer sternförmigen Aureole mit Kreuzfahne als Symbol des Heilsbringers, neben den Anfang und Ende symbolisierenden griechischen Buchstaben Alpha und Omega. Die Mosaikarbeiten wurden von Puhl & Wagner, Treptow, ausgeführt. Vgl. Wannsee-Bote, Sonderausgabe: 100 Jahre Andreaskirche 1896-1996, Berlin-Wannsee 1996, S. 9.

5) Die 1903 eingebaute pneumatische Orgel wurde 1980 durch eine dänische Christensen-Orgel ersetzt.

Literatur:

  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 117
  • Wannsee-Bote, Sonderausgabe: 100 Jahre Andreaskirche 1896-1996 (1996) / Seite 6-7ff, 9
  • Gottschalk, Wolfgang: Altberliner Kirchen in historischen Ansichten, Leipzig 1986

Teilobjekt Trauerhalle

Teil-Nr. 09075558,T,001
Sachbegriff Trauerhalle
Datierung 1888
Entwurf Otzen, Johannes

Teilobjekt Kirche

Teil-Nr. 09075558,T,002
Sachbegriff Kirche
Entwurf 1894
Datierung 1895-1896
Entwurf Stahn, Otto (Architekt)

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

Verkehrsanbindungen