Denkmaldatenbank

Kirche St. Michael

Obj.-Dok.-Nr. 09075552
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Königstraße 43
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche kath.
Entwurf 1926
Datierung 1927
Entwurf Fahlbusch, Wilhelm (Architekt)
Ausführung Baugewerkschaft eGmbH Berlin
Bauherr Kathol. Gemeinde Nowawes

Ebenfalls in Backstein, aber mit einem ganz anderen expressiven Ausdruck, entwarf Kirchenbaumeister Wilhelm Fahlbusch (1) die (...) katholische St. Michael-Kirche, Königstraße 43. (2) Gleichwohl erinnert der kantige Turm mit seinen schießschartenähnlichen Öffnungen an märkische Wehrkirchen in Tangermünde oder Havelberg. Der 1927 geweihte erste Kirchenbau der katholischen Gemeinde Wannsee (3) ist mit seiner wuchtigen Turmausrichtung zur Königstraße neben dem Rathaus das wichtigste Wahrzeichen Wannsees. Überdies war St. Michael die erste katholische Kirche Berlins, die sich stilistisch an modernen Bauformen der 1920er Jahre orientierte. Wilhelm Fahlbusch knüpfte dabei an moderne Tendenzen in Süd- und Westdeutschland an, wo die neuen Kirchen von Dominikus Böhm für Aufsehen sorgten, und fand zugleich auch einen Bezug zum regionalen mittelalterlichen Kirchenbau. Er gilt seitdem als einer der Wegbereiter der modernen katholischen Kirchenbaukunst. Der kubische Sakralbau in "Sichtziegelbauweise mit Querriegel als Turm fand eine große Zahl von Nachahmungen". (4)

Das Bauwerk zeigt expressionistische Ausdruckskraft im Äußeren wie im Inneren; die aus der Gotik abgeleiteten zackigen Formen sind wesentliche Gestaltungsmittel. Keine Anbauten oder Bauornamentik verunklaren den blockhaften Quaderbau der Einraumkirche mit dem vorgestellten Portalturm als Querriegel - ohne Übergang gehen Turm und Langhaus mit Sakristei ineinander über. Die kargen, mit rotbunten Backsteinen verkleideten Turmfronten sind nur durch steinbreite Verankerungen der Turmkanten und schießschartenähnliche Öffnungen gegliedert, während das Glockengeschoss von Fahlbusch durch ein kräftiges Gesimsband und kreuzförmige, ornamental vergitterte Schallfenster dekorativ hervorgehoben wird. Bekrönt wird der Turm von drei spitzen Turmhelmen, die sich aus dem ursprünglich vorgesehenen Dreifaltigkeits-Patrozinium ableiten. Später wurde es allerdings auf Wunsch eines Stifters der Kirche in das des Heiligen Michael geändert. (5)

Spitzbogig zeigt sich auch das mit Gewänden eingeschnittene Portal mit schwerer Holztür, deren Flügel kunstvoll geschnitzte Reliefs von Otto Hitzberger, St. Michael dem Drachen wehrend, darstellen. Hinter dem Portal öffnet sich nach einer Vorhalle das Kirchenschiff über fünf Joche mit himmelwärts strebenden Betonwandpfeilern, die an Stelle von Mauern Last und Schub übernehmen. Hier nutzte Fahlbusch die moderne Eisenbetonskelettkonstruktion der Kirche zur Formbildung und Sichtbarmachung des Stützsystems. So setzen die Spitzbögen bereits in der Kämpferzone an und verstärken mit ihren vergoldeten Ansichtsflächen das expressive Raumerlebnis. In seiner Dramatik erinnert der Kirchenraum an mittelalterliche Kathedralen der Gotik. Auch in der Zurschaustellung des Tragwerks - ursprünglich zeichneten sich die Betonbinder ungestrichen noch deutlicher ab - folgte Fahlbusch den Prinzipien des Neuen Bauens. Der bis auf wenige Ausstattungsstücke weitgehend schmucklose Kirchenraum endet vor einem Altarraum, der nur durch eine flache Rückwand und höher gezogene Seitenwände gebildet wird. Dort hat der Maler Heinrich Schelhasse die Altarwand mit dem "Abendmahl" nach Leonardo da Vinci ausgestaltet; den Fußboden des Altarraumes schmücken Mosaike aus den Treptower Werkstätten Puhl & Wagner-Heinersdorff. Vom Holzbildhauer Otto Hitzberger stammen Reliefarbeiten im Chor und am Eingang, Stationen des Kreuzweges und eine Madonna. (6)

Gegenüber dem Rathaus Wannsee steht, etwas versteckt am Waldesrand, einer der beiden Zehlendorfer Meilensteine, die um 1848 entlang der Chaussee Berlin-Potsdam aufgestellt wurden. Bis zum Ausbau der Königstraße in den 1930er Jahren stand die Postsäule auf der anderen Straßenseite an der Einmündung zur Chausseestraße. Da sie dem Straßenumbau im Wege stand, wurde sie an die heutige Stelle versetzt. Allerdings zerbrach die aus gebranntem Chausseeschlick hergestellte Säule beim Transport, sodass man 1938 eine Replik in Sandstein herstellen musste. Die für den Post- und Reiseverkehr eingerichteten Meilensteine - die Wannseer Säule trägt die Inschrift "III Meilen von Berlin" - wurden nach antikem römischem Vorbild ausgeführt, wobei Hofarchitekt August Stüler den Entwurf lieferte. (7) Die auf ein Postament gestellte Säule wird von einer Kugel bekrönt, die einstmals bronzefarben gestrichen war.


1) Wilhelm Fahlbusch (1877-1962) hat mehrere katholische Kirchen in Berlin entworfen und war nach 1945 Mitglied der Bischöflichen Kunstkommission. Vgl. Denkmaltopographie Dahlem 2011, S. 128 ff.

2) Die christliche Kunst 23 (1926/27), S. 377; Meunier, Ernst: Katholische Kunst in Berlin. In: Die christliche Kunst 27 (1930/31), S. 66, 70, 72, 74-75, 79, 83-85, 88 f.; Streicher/Drave 1980, S. 32, 94-96, 153, 164, 302-303; Dehio Berlin 2006, S. 596; Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, S. 446, Obj. 703; BusB VI, S. 170 f., 400, Abb. 391 f. (dort weitere Literaturangaben).

3) St. Michael gehörte bis 1945 zur Pfarrei von St. Antonius in Novawes, einem Ortsteil von Babelsberg. Für diese Gemeinde schuf Fahlbusch 1934 eine Kirche in einer spröden, sachlichen Architektursprache.

4) BusB VI, S. 171; Herrmann, Hilde: Kirchenbau im Bistum Berlin. In: Aufbau und Ausbau im Bistum Berlin, Berlin 1968.

5) Ernst Paulus und Günter Paulus griffen bei der 1929 geweihten Schmargendorfer Kreuzkirche am Hohenzollerndamm das Motiv der drei Dachhelme auf. Für den Bau der Kirche in Wannsee hatten wohlhabende Katholiken das Grundstück und Geld zur Verfügung gestellt.

6) Bei der Umgestaltung des Altarraumes 1972 entfernte man die Seitenaltäre und der bisherige Hochaltar wurde vorgezogen. 2001/02 Restaurierung des Innenraumes. Zeitgleich mit dem Kirchenbau entstand rückwärtig, heute Hohenzollernstraße 28A, ein ebenfalls von Wilhelm Fahlbusch entworfenes Pfarrhaus. Das kleine eingeschossige Haus mit ausladendem Walmdach zeichnet ein ruhige Gliederung mit Sprossenfenstern und Klappläden aus.

7) Die Entfernung wurde vom Berliner Dönhoffplatz ausgehend gemessen. Vgl. Liman, Herbert: Preußischer Chausseebau, Meilensteine in Berlin (= Berliner Hefte 5), Berlin 1993; Wolff 1983, S. 48 f.

Literatur:

  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 68f
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 128ff
  • Meunier, Ernst: Katholische Kunst in Berlin in
    Die christliche Kunst 27 (1930/31) / Seite 66, 70, 72, 74-75, 79, 83-85, 88f
  • Dehio Berlin, 2006 / Seite 596
  • Streicher/Drave 1980 / Seite 32, 94-96, 153, 164, 302-303
  • Wörner/Mollenschott/Hüter: Architekturführer Berlin, Berlin 1997 / Seite 446
  • BusB VI 1997 / Seite 170 f, 400
  • Herrmann, Hilde: Kirchenbau im Bistum Berlin in
    Aufbau und Ausbau im Bistum Berlin, Berlin 1968 Liman, Herbert: Preußischer Chausseebau, Meilensteine in Berlin in
    Berliner Hefte, 5(1993) Wolff, Karl: Wannsee und Umgebung, Berlin 1983 / Seite 48 f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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