Denkmaldatenbank

Haus Bejach

Obj.-Dok.-Nr. 09075524
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Bernhard-Beyer-Straße 12
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1927-1928
Entwurf Mendelsohn, Erich (Architekt)
Bauherr Bejach, Kurt (Stadtarzt)

Das weiter südlich gelegene Grundstück Bernhard-Beyer-Straße 12 fällt durch eine außergewöhnlich gestaltete Einfriedung auf. Der tiefe Vorgarten des Hauses wird von einer Ziegelmauer mit abwechselnd vorgezogenen Läuferschichten und zurückgesetzten, weiß gestrichenen Feldern eingezäunt. Im rechten Winkel zur Einfriedung verläuft eine endlos erscheinende Pergola, deren Pfeiler das gleiche Streifenmuster wie die Mauer an der Straße zeigen, auf das Einfahrtstor zu. Beide Elemente sind charakteristisch für die gesamtkünstlerischen Hausentwürfe von Erich Mendelsohn, der zu den wichtigsten und beeindruckendsten Architekten des Neuen Bauens der 1920er und 1930er Jahre zählt.

Mit seinem klaren kubischen Baukörper gehört das 1927-28 erbaute Haus Bejach, das Erich Mendelsohn für den Sozialreformer und Berliner Stadtarzt Dr. Curt Bejach schuf, nicht nur der Ära der Neuen Sachlichkeit an - es zeigt auch die für Mendelsohns Bauten typische expressive Dynamik. (1) Von der Einfriedungsmauer, der über 40 Meter langen Pergola des Vorgartens, die unmittelbar vor dem Hauseingang endet, über die waagerechte Lagerung des Hauses hinweg, bis zur seitlichen rückwärtigen Pergola, die mit einer Stützmauer bis zum Grundstücksende am Bahndamm läuft - alles ist in einem fließenden linearen Duktus zueinander in Beziehung gesetzt. Dieses bewirkt vor allem die Schraffur aus vorspringenden Klinkerlagen und weißen tiefen Putzschichten, wodurch eine horizontale Bänderung entsteht, die sämtliche Bauteile des Hauses und die des Gartens überzieht. Auch die weit ausgreifende Dachplatte des für eine Sonnenterrasse zurückgesetzten Obergeschosses ist Teil des linienförmigen Bewegungsflusses, der in Spannung tritt zur Flächigkeit der Hauswände und des Gartens. Formensprache und Dramatik der Gestaltung weisen auf holländische Einflüsse. Medelssohn pflegte enge Kontakte sowohl zu den Architekten der De Stijl-Gruppe, als auch zur sogenannten Amsterdamer Schule, deren gegensätzliche Architektur er in einem "Versöhnungsprogramm" zu vereinigen suchte. (2) Mendelsohn hatte das Haus Bejach im hinteren Grundstücksteil bauen lassen, um ausreichend Platz zur "Bindung und Erweiterung des kleinen Hauses durch Pergolen" mit einer "Spielwiese vor (und einem) stillen Garten hinter dem Hause" zu erhalten, wie er selbst 1930 erläuterte. (3) Haus und Garten mit ihren raumgreifenden und sich gegenseitig durchdringenden Pergolen und Hecken stellen gewissermaßen ein geometrisches Ornament dar. Form und Material erinnern auch an die Landhäuser des von Mendelsohn hoch geschätzten amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright. (4)

Der rechteckige Grundriss ist in beiden Geschossen streng auf die Nord-Süd-Achse des Hauses bezogen. Er nimmt dadurch den dynamischen Linienfluss der Außenanlagen auf. Der Besucher wird von der Pergola zum Hauseingang auf der Schmalseite geleitet, weiter im Inneren über eine Enfilade mit Diele, Wohnraum und Halle zur rückwärtigen Gartenterrasse geführt, um entlang einer weiteren Pergola in den abgeschirmten Garten zu gelangen - eine repräsentative großzügige Geste, die, wie die Pergolen, herrschaftlich weit in den Raum greift und die den eigentlich beschränkten Umfang des Hauses zu kaschieren hilft. Das Obergeschoss zeichnet sich durch eine besondere funktionelle Gliederung aus. Hier gelang es Mendelsohn, durch geschickte Aufteilung und etliche Wandeinbauten auf nur rund 90 Quadratmetern eine Vielzahl von Räumen unterzubringen. Neben Treppe, Bad und Ankleideraum sind Schlafzimmer für Eltern, Kinder, Gast und Mädchen vorhanden, wobei die große, für die neuzeitliche Architekturauffassung obligatorische Sonnenterrasse über die Zimmer der beiden Töchter und der Eltern jeweils getrennt betreten werden kann. Die jüdische Familie Bejach verbrachte nur wenige Jahre in ihrem Haus in Steinstücken; 1936 war Curt Bejach, der die kommunale Gesundheitsversorgung in Berlin-Kreuzberg maßgeblich aufgebaut hatte, gezwungen, sein Haus zu verkaufen. (5) Seit 2009 ist das denkmalgerecht sanierte Haus Bejach Sitz der Erich-Mendelsohn-Stiftung.


1) Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten, Berlin 1930, S. 146-149; Rave/Knöfel 1968, Obj. 170; Zevi, Bruno: Erich Mendelsohn, Opera Completa, Milano 1970, S. 130, Abb. 169-175; BusB IV C, S. 244 f. Obj. 1944; Reclams Kunstführer 1977, S. 564; Wörner/Mollenschott/Hüter 1997, S. 447, Obj. 705.

2) Erich Mendelsohn, Briefe eines Architekten, Basel,Berlin, Boston 1991, S. 53-54.3) Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten, Berlin 1930, S. 146.4) Zum Beispiel das Robie House in Chicago, ausgeführt 1907-09. Vgl. Frank Lloyd Wright, Ausgeführte Bauten, Berlin 1911, S. 113 f. 5) Der jüdische Arzt Curt Bejach (1890-1944) wirkte als Stadtarzt in Kreuzberg und war Mitbegründer des früheren Gesundheitshauses am Urban. Bejach wurde 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Vgl. Peters, Dietlinde: Curt Bejach (1890-1944): Berliner Stadtarzt und Sozialmediziner, Berlin 2010.

Literatur:

  • BusB IV C 1975 / Seite 244 f.
  • Reclams Kunstführer 1977 / Seite 564
  • Wörner/Mollenschott/Hüter 1997 / Seite 447
  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 161f
  • Mendelsohn, Erich: Das Gesamtschaffen des Architekten, Berlin 1930 / Seite 146-149
  • Zevi, Bruno: Erich Mendelsohn, Opera Completa, Milano 1970 / Seite 130
  • Peters, Dietlinde: Curt Bejach (1890-1944): Berliner Stadtarzt und Sozialmediziner, Berlin 2010

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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