Denkmaldatenbank

Villa Mendel

Obj.-Dok.-Nr. 09075518
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Am Sandwerder 37
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1892
Umbau 1921
Entwurf Brandt, Albert (Architekt)
Entwurf Gropius, Walter
Bauherr Grove, David (Heizungsfabrikant)
Bauherr Mendel, Albert (Kaufmann)

Auf dem Grundstück Am Sandwerder 37 ersetzen zwei sachliche Wohnhäuser der 1980er Jahre die sonst auf der Seeseite übliche Straßenrandbebauung von Remise und Gärtnerhaus. Weit dahinter zurück steht am Rande der Haveldüne die 1892 errichtete Villa Grove, die in den 1920er Jahren zum Haus Mendel umgebaut wurde. Die breit gelagerte, zweigeschossige Villa wurde von Baumeister Albert Brandt als Sommerwohnsitz für den Heizungsfabrikanten David Grove errichtet. Mit ihren hell geputzten Fassaden, dem hohen, ursprünglich in Schiefer gedeckten Giebeldach, dem Mittelgiebel mit Schopfwalm, den seitlichen Türmchen, Erkern, Loggien, Sandsteinapplikationen und dem Blendfachwerk lehnt sie sich stilistisch an die Deutsche Renaissance an. Diese für die Bauzeit übliche historisierende Gestaltung lässt nicht erahnen, dass sich im Gebäude das einzige erhaltene Beispiel für eine expressionistische Innenarchitektur des Bauhausarchitekten Walter Gropius befindet. Dieser war 1921 vom Erwerber der Villa, dem Kaufmann Albert Mendel, beauftragt worden, die dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprechenden Innenräume grundlegend umzugestalten. (1) Bald nach der Fertigstellung starb Albert Mendel. Gropius entwarf 1922 auch sein Grabmal auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee - bei der Gestaltung des Sarkophags verwandte er ähnliche prismatische Formen wie im Haus Am Sandwerder. Der Umbau des Wohnhauses erstreckte sich im Wesentlichen auf das Erdgeschoss, wobei das ursprüngliche Raumkonzept unter Umwidmung einiger Räume erhalten blieb. Zusätzlich wurde die seeseitige Terrasse zur Veranda geschlossen und die straßenseitige Loggia zum Frühstückszimmer umgebaut. Veränderungen im Obergeschoss betrafen zwei Schlafzimmer. Die Eingriffe von Gropius waren durchaus radikal: Alle Wände, Decken und Türen erhielten eine komplett neue, dekorative Fassung, wobei in der zentralen zweigeschossigen Treppenhalle der größte Aufwand betrieben wurde. Das Ergebnis zeugt von beeindruckender künstlerischer Gestaltungskraft. Deckenspiegel, hölzerne Wandverkleidungen und Wandstuck sowie die Flügeltüren wurden mit expressionistischen Zickzack-, Dreiecks- und kristallinen Prismenformen überzogen. In der Halle entfaltete Gropius "ein wahres Feuerwerk expressionistischer Zickzackformen, das von der Wanddekoration aus waagerecht angeordneten, widerhakenähnlichen, gekehlten Profilen über die ausgezackten Treppenwangen, die kristalline Form des Kamins, die Umformung des Hallenfensters mit spitzem Mittelsturz, die Zeltdach-ähnliche Decke unter der Galerie bis in die abstrakt-zackigen Lilienformen des Deckenspiegels der Halle reicht". (2) Unverkennbar sind die engen gestalterischen Parallelen zum zeitgleich ebenfalls von Walter Gropius errichteten Haus Sommerfeld, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. (3) Haus Mendel, in den Kriegsjahren zeitweilig von der Organisation Todt genutzt, diente in der Nachkriegszeit als Kinder- und Asylbewerberheim. Als in den 1980er Jahren das Schullandheim Neukölln aus der Villa Marlier vom Großen Wannsee 56/58 hierher übersiedelte, wurde seeseitig ein großer Anbau aus Beton in den Hang gesetzt. Heute ist das Gebäude wieder in Privatbesitz.


1) Albert Mendel ließ die Räume für sich und für Dr. Bruno Mendel herrichten. Vgl. Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bauaufsichtsamt, Bauakte. Bruno Mendel baute 1929 ein eigenes Haus Am Sandwerder 39.

2) Schnedler, Henrik: Unbekannte Innenräume von Walter Gropius - Geschichte einer Entdeckung. In: Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Ausstellungskat. Berlin 1989, S. 292 ff.

3) Haus Sommerfeld, Limonenstraße 30, Berlin-Lichterfelde.

Literatur:

  • Behne, Adolf: Entwürfe und Bauten von Walter Gropius, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 42 (1922) 103 / Seite 637 (nur Erwähnung)
  • Schnedler, Henrik: Unbekannte Innenräume von Walter Gropius, in: Huse, Norbert (Hg.): Verloren-gefährdet-geschützt, 1989 / Seite 292-303
  • Pohl, Rainer: Haus Mendell, Am Sandwerder 37, Wannsee, in: Reparieren, Renovieren, Restaurieren. Vorbildliche Denkmalpflege in Berlin, Berlin 1998 / Seite 52ff.
  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 139f

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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