Denkmaldatenbank
Villa Guthmann
09075517,T | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Wannsee |
Adressen | Am Sandwerder 5 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Villa & Nebengebäude & Terrasse & Pavillon |
Ausführung & Bauherr | Guthmann, Robert (Baumeister) |
Entwurf | Kayser und von Großheim (Architektensozietät) |
Unmittelbar an die Brandwand der Nebengebäude schließt Am Sandwerder 5 das Haus Guthmann an, heute Sitz des Literarischen Colloquium Berlin. (1) Das Grundstück war seit den 1870er Jahren Treffpunkt der Seglergruppe "Lustige Sieben". (2) 1883 wurde es von Robert Guthmann erworben. Der Bauherr und Baumeister gehörte zu den führenden Unternehmern der Berliner Bauindustrie, hatte die Portlandzementfabrik Rüdersdorf gegründet und war Eigentümer der Berliner Kalksandsteinwerke Robert Guthmann in Niederlehme. 1884-85 führte seine Firma den Bau seiner Villa aus - vermutlich nach einem Entwurf des Architekturbüros Kayser & von Grozsheim. 1898 wurde die Villa an der Südseite links durch einen Anbau mit Innenhof sowie Gartenhalle und Pavillon erheblich erweitert. Der Entwurf stammte wiederum von Kayser & von Grozsheim, was dem einheitlichen Erscheinungsbild des Baukörpers zugute kam. (3) Auch das Wirtschaftsgebäude an der linken Grundstücksgrenze wurde stilistisch dem Hauptgebäude angepasst. Die Villa Guthmann gehört zu den wenigen erhaltenen Villen der renommierten, überregional tätigen Architektengemeinschaft. Sie bildet ein hervorragendes Beispiel für den ab 1880 in Mode gekommenen flämisch-niederländisch beeinflussten Renaissancestil, den Hans Grisebach in Berlin eingeführt und den das Büro Kayser & von Grozsheim gewissermaßen zu einem Markenzeichen erhoben hatte. (4)
An der Straßenseite tritt der braunrote Backsteinbau mit hellen Sandsteinapplikationen an Sockel, Gesimsen und Fenstergewänden, in grauem Schiefer gedecktem Berliner Dach und gestuften Segmentbogengiebeln eher zurückhaltend in Erscheinung. Das Giebelmotiv des links vorspringenden Risalits wird rechts kleiner wiederholt und betont so gemeinsam mit dem darunterliegenden, von einer Sandsteinmuschel bekrönten Obergeschossfenster und dem im Erdgeschoss vorspringenden Säulenbaldachin den Hauseingang. Die hoch über dem Wannsee gelegene Gartenfront mit Turm, prächtigem Giebelrisalit und dreiachsiger Arkadenhalle ist anhand von Eckbossierungen und differenziert gearbeiteten Sandsteindekorationen wesentlich reicher ausgebildet. Einzigartig in seiner Gestaltung ist der quadratische Turm mit einer Aussichtsterrasse, über der sich eine luftige polygonale Säulenloggia mit Glockendach und bekrönender Laterne erhebt. Hier wurden zwei Motive - das für die Architekten typische polygonale Turmgeschoss mit Glockendach und Laterne sowie das in Potsdam übliche offene Turmgeschoss - formvollendet vereinigt. Innen vermitteln eine zweigeschossige, holzgetäfelte Halle mit umlaufender Treppe, vier ehemalige Wohnräume und eine zur Veranda umgestaltete Arkadenloggia einen guten Eindruck von der ursprünglichen Situation. Die Kunstgewerblerin Marie Luise Schlieder fertigte nach Entwürfen von Marie Guthmann Innendekorationen mit floralen Ornamenten wie Ofen- und Fenstervorsätze, Kacheln, Wand- und Deckenschmuck für das Haus. In Eingangsbereich, Veranda und Turmzimmer sind Fragmente davon sichtbar. Nach dem Tod Robert Guthmanns war das Anwesen in den Besitz seines Enkels Hans Georg von Morgen übergegangen, der es teilweise vermietete (5) und dann 1934 an Paul Rosin verkaufte. Nach dessen Emigration gelangte es um 1940 in die Verfügungsgewalt des Oberkommandos der Kriegsmarine, das die Villa zu Forschungszwecken nutzte. Büroräume, Laboratorien und Personalunterkünfte wurden eingerichtet. 1942 wurde das Grundstück Eigentum des Reichsfiskus, im Vorgarten errichtete man ein Flachbau für Labore. In der Nachkriegszeit unter anderem als Vertragshotel für die US-Militärregierung mit dem Namen "Casino-Hotel am Wannsee" genutzt, kam das Gebäude 1960 in Landesbesitz. 1963 bezog das eben gegründete Literarische Colloquium Berlin die ehemalige Villa Guthmann. 1987-88 und zuletzt 2010-11 erfolgten Umbau und Restaurierung.
1) Kobek, Barbara: Die Villa am Sandwerder 5 - Literarisches Kolloquium Berlin. In: Jahrbuch Zehlendorf 3 (1999), S. 134 f.; Literarisches Colloquium Berlin Am Sandwerder 5. In: Geschichtslandschaft Berlin 1992, S. 528 f.
2) Wannseebuch 1926, S. 56; Guthmann, Johannes: Goldene Frucht, Begegnung mit Menschen, Gärten und Häusern, Tübingen 1955.
3) Kayser & von Grozsheim sind erst für den Erweiterungsbau nachgewiesen, jedoch lassen stilistische Vergleiche eine Autorschaft auch für den ersten Bau wahrscheinlich erscheinen. Vgl. Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bauaufsicht, Bauakten.
4) Brönner 2009, S. 292-294; dort sind ähnliche Bauten der Architekten abgebildet: Palais Reichenheim, Berlin 1879-80; Villa Müller-Grote, Berlin 1882; Palais Pringsheim, München 1889 u.a.; Parallelen weist auch das deutsche Buchhändlerhaus in Leipzig auf, 1886-88 von Kayser & von Grozsheim errichtet.
5) 1925 soll Carl Zuckmayer das Stück "Der fröhliche Weinberg" in der Villa geschrieben haben. Vgl. Villenkolonien 2000, S. 20.
Literatur:
- Bilang, Karla: Literarisches Colloquium Berlin, in: Geschichtslandschaft, Zehlendorf, 1992 / Seite 528-543
- Architektur der Neuzeit. Eine ausgewählte moderner Fassaden und Details. Berlin 1889 / Seite Serie I, Nr. 94
- Cremer, Wilhelm; Wolffenstein, Richard: Der Innere Ausbau. Sammlung ausgeführter Arbeiten aus allen Zweigen des Baugewerbes, Band II 1892-1894 / Seite 126f
- Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 134 f
- Kobek, Barbara: Die Villa am Sandwerder 5 - Literarisches Kolloquium Berlin, in: Jahrbuch Zehlendorf 3 (1999) / Seite 528 f
- Geschichtslandschaft Berlin 1992 / Seite 292-294
- Brönner, Wolfgang: Die bürgerlichen Villen im Deutschland 1830-1890, Worms 2009 / Seite 20
- Kampe, Norbert: Villenkolonien in Wannsee 1870-1945, Berlin 2000
Teilobjekt Villa
Teil-Nr. | 09075517,T,001 |
---|---|
Sachbegriff | Villa |
Datierung | 1884-1885 |
Teilobjekt Nebengebäude
Teil-Nr. | 09075517,T,002 |
---|---|
Sachbegriff | Nebengebäude |
Datierung | 1898 |
Teilobjekt Terrasse & Pavillon
Teil-Nr. | 09075517,T,003 |
---|---|
Sachbegriff | Terrasse & Pavillon |
Datierung | 1898 |
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.