Denkmaldatenbank

Haus Endell

Obj.-Dok.-Nr. 09075515
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Am Kleinen Wannsee 30B
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1939-1940
Entwurf Scharoun, Hans (Architekt)
Bauherr Endell, Fritz

(...). Das Haus Endell, Am Kleinen Wannsee 30B, entstand 1939-40 nach einem Entwurf von Hans Scharoun. (1) Es gehört zu einer Gruppe von individuellen, nach außen durch konventionelle Formen "getarnten" Einfamilienhäusern, die der Architekt in der Zeit des Nationalsozialismus - als "Kulturbolschewist" vom offiziellen Baugeschehen nahezu ausgeschlossen - für Bekannte oder Verwandte in und um Berlin realisieren konnte. Scharoun entwarf das Haus für den befreundeten Professor an der Technischen Universität Dr. Kurt Endell, einen Sohn des 1925 verstorbenen Jugendstilarchitekten August Endell. Die Gartenanlage, die noch Bäume des ehemaligen Tiemannschen Gartens (Petzower Straße 7) aufweist, soll von Hermann Mattern stammen, dessen Haus in Potsdam-Bornim ebenfalls von Scharoun entworfen wurde. (2) Unter Scharouns Wohnhäusern ist es wohl das am wenigsten als Werk des avantgardistischen Architekten zu erkennende Haus, denn der Baukörper entspricht formal weitgehend der damaligen Baukonvention - nur durch diese Anpassung war seinerzeit eine Baugenehmigung zu bekommen. (3) An die hintere Grundstücksgrenze gesetzt und breit gelagert, besteht es aus drei Bauteilen: mittig ein zweigeschossiger Kubus, links eine eingeschossige Garage, rechts ein eingeschossiger "Anbau" mit vorspringendem Freisitz am Ende; dazu helle Putzfassaden mit schwarzroten Klinkerflächen abgesetzt, rote Walmdächer mit Biberschwanzdeckung, braun gestrichene Fensterläden und Türen. Genauer betrachtet, fallen indes einige Besonderheiten auf, zum Beispiel die technische Ausführung der Fensterläden zum Schieben, das schmale keilartige Blumenfenster, das sich im Dach fortsetzt, oder die Wand aus Glasbausteinen mit Fensterbild von Alexander Camaro an der Rückseite des Hauses. (4) Dazu gehört auch der neben dem Garagentor platzierte Eingang mit seiner dreigeteilten, mit senkrechten Holzlatten verkleideten Fenstertür. Innen erfolgt unerwartet die Auflösung der äußeren Form durch die Bildung neuer, von außen nicht erkennbarer großzügiger Raumzusammenhänge. Das Erdgeschoss wird geprägt durch drei offene Wohnräume, die ineinander übergehen und nach den Prinzipien Scharouns eine individuelle Wohnlandschaft bilden. Jeder Raum für sich besitzt eine eigene charakteristische Form, ordnet sich gleichzeitig aber anhand von Sichtbezügen dem künstlerischen Ganzen unter. So hat das ovale Esszimmer eine flache Kuppeldecke und ist zum Wohnzimmer mit einer "Kanzel" geöffnet, während das rechteckige Arbeitszimmer ein breites "Fenster" zum Wohnraum besitzt. Das tiefer liegende Wohnzimmer ist durch zweifachen Splitt-Level, das weit in den Raum und die Tonnendecke einschneidende Blumenfenster und eine kaum spürbar die Form eines Flügels nachzeichnende Nische geschickt in mehrere Bereiche für Kaminecke, Sitzgruppe und Flügel unterteilt. Nach dem Verständnis Scharouns dient es als "Raum der Mitte", denn Ess- und Arbeitszimmer können durch Vorhänge und Klappläden abgetrennt werden. Haus Endell gehört mit seiner traditionsbetonten Außenarchitektur und seinen offenen Raumfolgen im Inneren zu einer kleinen Gruppe von Wohnhäusern, deren Grundrisse aufgrund von Auflagen für die Fassadengestaltung "unter erschwerten Bedingungen" entstanden, wie Scharoun selbst rückblickend anmerkte. (5)


1) Ribbe/Schäche 1987, S. 541; Geist, Johann Friedrich/Kürvers, Klaus/Rausch, Dieter: Hans Scharoun, Chronik zu Leben und Werk, Berlin 1993, S. 78-79, WV 156 mit Abb. Wohnraum.

2) Geist, Johann Friedrich/Kürvers, Klaus/Rausch, Dieter: Hans Scharoun, Chronik zu Leben und Werk, Berlin 1993, S. 153, WV 156.

3) Neben dem Haus Mohrmann in Lichtenrade, Falkensteinstraße 10, ebenfalls von 1939-40.

4) Das Original befindet sich heute in Besitz der Familie Endell. Es wurde durch eine Replik ersetzt (Information der Eigentümer).

5) Haus Baensch, 1934-35, Haus Moll, 1936-37, Haus Möller, 1937 und Haus Mohrmann, 1939. Vgl. Syring, Eberhard/Kirschenmann, Jörg C.: Scharoun, 1893-1972, Außenseiter der Moderne, Köln 2007, S. 14 f.

Literatur:

  • Hans Scharoun, 1974 / Seite S. 379
  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 81f
  • Ribbe/Schäche:Baumeister, Architekten, Stadtplaner, Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins, Berlin 1987 / Seite 541
  • Geist, Johann Friedrich; Kürvers, Klaus; Rausch, Dieter: Hans Scharoun, Chronik zu Leben und Werk, Berlin 1993 / Seite 78-79
  • Syring, Eberhard; Kirschenmann, Jörg C.: Scharoun, 1893-1972, Außenseiter der Moderne, Köln 2007 / Seite 14 f

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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