Denkmaldatenbank
Haus Huldschinsky
09075486,T | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Wannsee |
Adressen | Am Sandwerder 33, 35 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Wohnhaus & Nebengebäude & Wirtschaftsgebäude |
Datierung | 1890-1908, 1907-1908 |
Bauherr | Huldschinsky, Oskar (Industrieller) |
Entwurf | Kayser und v. Großheim (Architektensozietät) |
Auf den nördlich angrenzenden Grundstücken Am Sandwerder 33/35 befindet sich das Haus Huldschinsky mit Nebengebäuden. Die heute getrennten Liegenschaften bildeten einst eine Einheit; mit einer Gesamtfläche von 17.032 Quadratmetern gehörte das Anwesen zu den größten Seegrundstücken am Wannsee. Die weite Aussicht wurde 1891 von der Deutschen Bauzeitung als "die großartigste und schönste, welche am Wannsee überhaupt vorhanden ist" beschrieben. (1) Das Grundstück Nr. 33 ist mit einer am Steilhang stehenden, sehr großen Neorenaissancevilla und einem stattlichen Wirtschaftsgebäude links an der Grundstückseinfahrt bebaut. Auf dem kleineren Grundstück Nr. 35 steht eine neobarocke Villa dicht an der Straße; die alte Einfriedung ist komplett erhalten. Den Ursprungsbau des Anwesens bildet die heute als Botschafterresidenz des Königreiches Saudi-Arabien genutzte Villa Huldschinsky, Am Sandwerder 33. Sie wurde 1890-91 nach Plänen der Berliner Architektensozietät Kayser & von Groszheim errichtet, die damals zu den führenden Berlins gehörten und mit ihren Villen und Geschäftshäusern das Baugeschehen der Reichshauptstadt maßgeblich beeinflusste. (2) Die Ausführung lag in Händen der Baufirma Robert Guthmann. (3) Bauherr des großzügigen Anwesens war der aus Breslau stammende, im Berliner Tiergartenviertel ansässige Kaufmann und Kunstsammler Oskar Huldschinsky, ein wichtiger Vertreter der schlesischen Schwerindustrie und bis zum Ersten Weltkrieg einer der vermögendsten Männer in Berlin. (4) Die mit einer Grundfläche von 21 x 23 Meter nahezu quadratische Villa entsprach in Größe und Ausstattung den gehobenen Verhältnissen und gesellschaftlichen Verpflichtungen des Bauherrn. Der zweigeschossige Baukörper mit hohem Sockelgeschoss und Mezzaningeschoss unter dem flach geneigten, von einer kräftigen Balustrade bekrönten Walmdach zeigt sich in den Formen italienischer Renaissancepalästen. Mit dem hellen Glattputz kontrastierende Eckbänderungen, Stockwerkgesimse, ein Konsolgebälk und kräftige Fenstereinfassungen aus grauem Naturstein verstärken diesen Eindruck. Neben der - von den Panoramafenstern eines später zugefügten, eingeschossigen Vorbaus geprägten - Wannseeseite ist die Nordostseite des Gebäudes anhand einer vorgelagerten Terrasse mit Kolonnade zu einer reizvollen Schaufassade ausgebildet. Die Mittelachse der symmetrischen Front wird von Säulen und Pilastern gegliedert und steht damit in spannungsvollem Bezug zur Kolonnade. Zentrum des Gebäudeinneren bildet eine 70 Quadratmeter große, zweigeschossige Treppenhalle mit Oberlicht, um die sich die ebenfalls sehr geräumigen Gesellschaftsräume gruppieren. (5)
Die Villa wurde trotz ihrer enormen Größe nochmals erweitert und umgestaltet, als sie 1929 in Besitz des Industriellen und Bankiers Georg Schicht überging. (6) Die seeseitige Fassade wurde damals um einen Anbau vorgezogen und damit die Vergrößerung des Speisezimmers von 55 Quadratmeter auf einen 95 Quadratmeter großen Speisesaal vollzogen, dem seitlich zwei Veranden mit großformatigen Panorama-Hebefenstern angefügt waren. (7) Weitere Umgestaltungen betrafen die Nordloggia, die zum Musikzimmer geschlossen wurde, sowie die dekorative Neu-Ausstattung aller Gesellschaftsräume im Stil des Neorokoko. (8) Der Architekt dieser Baumaßnahmen ist nicht überliefert, die dekorativen Details lassen aber die Vermutung zu, dass der auf dem Nachbargrundstück ansässige Innenarchitekt Paul Huldschinsky den Entwurf geliefert haben könnte. (9)
Das gleichzeitig mit der Villa erbaute Wirtschaftsgebäude bestand ursprünglich aus Stall und Remise. Der verputzte Mauerwerksbau mit Fachwerkverblendung im Obergeschoss wurde im Laufe der Jahre zu einem malerischen Wirtschaftshof mit Stall, Remise, Garage, Chauffeurs- und Hauswartswohnung ausgebaut. Georg Schicht, seit Ende der 1930er Jahre im englischen Exil lebend, war 1942 gezwungen, das Grundstück an das Deutsche Reich zu verkaufen; dieses überließ es der Reichsforstverwaltung zur Nutzung. Nach dem Krieg vorübergehend von der Italienischen Botschaft und von der Gesellschaft der Freunde der Natur- und Geisteswissenschaften genutzt, wurde es 1954 zum Hospital Wannsee und war bis 1995 Altenpflegeheim. (10)
Das kleinere Wohnhaus Am Sandwerder 35 (Abb. 97) ließ Oskar Huldschinsky 1907-08 in angemessener Entfernung von Haupthaus und Wirtschaftsgebäuden nahe der nördlichen Grundstücksgrenze für seine Kinder errichten. Der Entwurf stammte wiederum von Kayser & von Groszheim, die nunmehr aber im Stil des Neobarock arbeiteten und hier ein reizvolles, an ein fürstliches Gartenpalais erinnerndes Wohnhaus schufen. Es entstand ein heller Putzbau, eingeschossig mit abgesetztem Souterrain und ausgebautem Mansarddach. Markantes Merkmal sind die stets in rechteckige Putzfelder eingebetteten, im Rund- oder Segmentbogen geschlossenen sowie mit Rocailles und Festons bekrönten Sprossenfenster und Fenstertüren. Eine Besonderheit sind ihre zum Oberlicht geteilten Klappläden. Die dreiachsige symmetrische Straßenfassade wird mittig durch den oval vortretenden Windfang mit Freitreppe, Haustür, Oberlicht und Kupferdach sowie ein Dachhaus mit Dreiecksgiebel und Athena-Medaillon betont. Die geschwungenen Formen und Dekorationen rezipieren spätbarocke Vorbilder. Auch die von einem polygonalen Risalit mit üppig geschmücktem Ovalfenster betonte und von einer breiten, konvex geschwungenen Terrasse gesäumte Südfassade ist symmetrisch aufgebaut. Einen Blickfang bietet die ehemals offene Arkadenloggia an der Westseite mit gekuppelten Säulen, Steinbalustrade und geschwungener Freitreppe. 1915 ließ Huldschinskys Sohn Paul das Gebäude dort um einen kleinen Anbau nach Plänen von Alfred Breslauer erweitern. Vom Designer Paul Huldschinsky selbst stammte die in großen Teilen leider verloren gegangene Innenausstattung des sonst aber mit allen wandfesten Details erhaltenen Gebäudes.
1) Deutsche Bauzeitung 25 (1891), S. 391.
2) Kieling 1987, S. 234. In der Kolonie Wannsee bauten sie die Villen Parey, Conradstr. 12 (verändert erhalten), Von der Heydt, Kaiserstr. 2-3 und Kretzschmar, Straße zum Löwen 8 (beide verloren).
3) Robert Guthmann bewohnte die Villa Am Sandwerder 5.
4) Die Grabstätte Oskar Huldschinskys (1846-1931) befindet sich auf dem Friedhof Wannsee in der Lindenstraße. Zu Huldschinsky siehe: Villenkolonien 2000, S. 25 ff.
5) Die Raumhöhe beträgt hier 4,70 Meter. Selbst die im Obergeschoss gelegenen Privatzimmer besitzen mit 4,30 Metern noch eine stattliche Höhe.
6) Generaldirektor Georg Schicht (1884-1961) war Vizepräsident der Georg-Schicht-AG in Aussig /Elbe (Böhmen). Der Seifen verarbeitende Konzern ging 1929 in Unilever Österreich über, Georg Schicht und sein Vetter Franz wurden in die Zentrale nach London berufen. http://www.deutsche-biographie.de/sfz111873.html und http://www.heimatfreunde-aussig.de/hilfsverein/persoenl.htm (zuletzt geprüft am 01.03.2013).
7) Fenster bei der letzten Instandsetzung erneuert.
8) Bemerkenswert ist die in das Musikzimmer übergehende Halle mit ihren gewundenen Mahagoni-Säulen und dem hohen Marmorkamin; weiter das in Mahagoni gefasste Herrenzimmer mit Metallapplikationen in Form von Rocailles und Stuckgesimsen mit floralen Motiven sowie das daran anschließende helle Damenzimmer mit seinen feinen Holz- und Stuckarbeiten. Eine besondere Ausstattung besaß das vereinfacht wiederhergestellte expressionistisch-orientalische "Mokkazimmer", dessen außergewöhnliche, dreifach nach oben abgestufte achteckige Stuckdecke erhalten ist.
9) Zum Frühwerk des 1938 in die USA emigrierten Innenarchitekten siehe: Großmann, Stefan: Paul Huldschinsky, Berlin-Leipzig-Wien 1930. Die örtliche Bauleitung lag in des Händen des unbekannten Regierungsbaumeisters Ließheim.
10) Am 19.06.1948 fand dort ein Treffen von ca. 50 Prominenten, darunter Ernst Reuter und Edwin Redslob, statt mit dem Ziel erste Schritte zur Gründung der FU zu besprechen. Vgl. Villenkolonien 2000, S. 26-27.
Literatur:
- Deutsche Bauzeitung 25 (1891) 64 / Seite 391
- Ahrends, Bruno in
Barsch, Georg (Hrsg.): Das Wannseebuch, (1926), 2010 / Seite 94 - Grossmann, Stefan/ Paul Huldschinsky, Berlin/Leipzig/Wien 1930 Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 137f
- Kieling, Uwe: Baumeister und Bauten, Berlin 1987 / Seite 234
Teilobjekt Wohnhaus & Villa Am Sandwerder 33
Teil-Nr. | 09075486,T,001 |
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Sachbegriff | Wohnhaus & Villa |
Datierung | 1890-1891 |
Umbau | 1929 |
Ausführung | Guthmann, Robert (Baumeister) |
Entwurf | Liesheim, Joachim |
Entwurf | Kayser und von Großheim |
Adressen | Am Sandwerder 33 |
Teilobjekt Wohnhaus & Villa Am Sandwerder 35
Teil-Nr. | 09075486,T,002 |
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Sachbegriff | Wohnhaus & Villa |
Datierung | 1907-1908 |
Umbau | 1915 |
Entwurf | Breslauer, Franz Friedrich Alfred (Architekt) |
Entwurf | Kayser und von Großheim (Architekt) |
Ausführung | Hermann Raebel (Baugeschäft) |
Ausführung | Koeppen und Co. (Bau GmbH) |
Adressen | Am Sandwerder 35 |
Teilobjekt Chauffeurshaus & Stall & Remise Am Sandwerder 33
Teil-Nr. | 09075486,T,003 |
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Sachbegriff | Chauffeurshaus & Stall & Remise |
Datierung | 1890 |
Umbau | 1908 |
Ausführung | Guthmann, Robert (Baumeister) |
Entwurf | Kayser und von Großheim |
Adressen | Am Sandwerder 33 |
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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