Denkmaldatenbank

Wohnhaus, Villa, Gärtnerhaus, Gästehaus Am Sandwerder 21, 23

Obj.-Dok.-Nr. 09075484,T
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Am Sandwerder 21, 23
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnhaus & Villa & Gärtnerhaus & Gästehaus
Datierung 1906-1907
Umbau 1928
Entwurf Kristeller, Friedrich (Architekt)
Bauherr Schwabacher, Adolph (Rentier)
Entwurf Breslauer und Salinger (Architektensozietät)

Eine völlig andere und damals innovative Architektursprache zeigt das nur 15 Jahre später entstandene Haus Schwabacher mit Gästehaus und Gärtnerhaus, Am Sandwerder 21/23. Bauherr war der Bankier und Direktor der Berliner Börse Adolph Schwabacher, der zuvor eine im "altdeutschen Stil" erbaute Villa Am Sandwerder 11 bewohnt hatte. (1) Nach Entwürfen des Architekten Friedrich Kristeller ließ er 1906-07 auf dem weiträumigen Seegrundstück drei Gebäude im Landhausstil errichten: ein Hauptwohnhaus am Rande der Haveldüne mit großartigem Fernblick über die Havel, ein geräumiges "Logierhaus" für Gäste links und ein Gärtnerhaus mit Garage rechts nahe der Straße. (2) Die ohne Sockelgeschoss ebenerdig im Garten stehenden Gebäude zeigten damals neue Tendenzen innerhalb der Bebauung von Wannsee auf. Mit ihrem asymmetrischen, malerischen Baugefüge, ihren Fenstererkern, Söllern, Krüppelwalmgiebeln und Sprossenfenstern sowie dem - bis auf wenige Säulenstellungen - weitgehenden Verzicht auf dekorativen Schmuck entsprachen sie ganz dem Vorbild englischer Landsitze des 19. Jahrhunderts. Ein auffallendes, charakteristisches Merkmal bildet der hellbraune und sehr glatte, im Kreuzverband gemauerte Fassadenklinker. Er steht in mildem Kontrast zu weiß gestrichenen Holzteilen, hellen Putzflächen und naturfarbenen Kalksteinelementen. Diese außergewöhnliche Fassadenfassung ist jedoch nur noch am Gäste- und Gärtnerhaus erhalten; das Hauptwohnhaus wurde bei der letzten Restaurierung zum weiß gestrichenen Putzbau umgestaltet. Die Familie Schwabacher verkaufte das Anwesen 1920 an den Unternehmer und Mitgründer des Flughafens Johannisthal Arthur Müller. (3) Er vermietete die beiden Nebengebäude (4) und ließ das Haupthaus unter Wahrung des Landhausstils 1928 repräsentativ umgestalten. Dabei wurde die ehemalige Eingangsfassade vorgezogen sowie durch einen Frontispiz und einen Säulenaltan ergänzt. An der Seeseite entstanden eine Blumenhalle und ein Speisesaal. Dieser Umbau, bei dem ferner die Walmdächer zu Satteldächern umgeformt wurden, bestimmt heute neben der veränderten Farbgebung im Wesentlichen den Charakter des Hauses. Die Architekten Breslauer & Salinger bewältigten die komplizierte Bauaufgabe einer Umgestaltung im Sinne frühklassizistischer Vorbilder auf hervorragende Weise. Die stimmige Integration von neuen Bauteilen in den Altbau mit einem ausgeglichenen Verhältnis der Baumassen zeugt vom großen architektonischen Geschick seiner Urheber. Bereits kurz nach der Fertigstellung erwarb der Seifenproduzent Franz Schicht das Grundstück. (5) Er führte die Baumaßnahmen 1930 weiter, indem er das Gärtnerhaus unter Zufügung des runden Turmes durch den Architekten Joachim Liesheim umgestalten ließ. 1938 nach England emigriert, musste Schicht einen Teil des Anwesens 1941 an den nationalsozialistischen Funktionär und Rasseideologen Arno Schickedanz veräußern. (6) In den 1950er Jahren erwarb die Innere Mission die Grundstücke und richtete im Logierhaus ein Schulungsheim für Kindergärtnerinnen ein. Das Haupthaus diente bis 1982 als Hospiz. Nach drohendem Abriss und zeitweiliger Hotelnutzung befindet sich das zuletzt 2008-09 instand gesetzte Gebäudeensemble wieder in Privatbesitz.


1) Zu Adolph Schwabacher (1849-1912), seine Familie und seine Häuser in Wannsee siehe: http://relativelyrelatives.wordpress.com (zuletzt geprüft am 01.03.2013)

2) Landsitz A. Schwabacher in Wannsee. In: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 21 (1908), S. 9 f., Taf. 21-25; BusB IV C, S. 148.

3) Arthur Müller (1871-1935) war Alleininhaber der Arthur Müller, Landhäuser und Industriebauten GmbH und der Bauten und Industriewerke (AMBI-Werke) mit den Bereichen Maschinenbau, Waggonbau, Ballonhallenbau. Sein Hauptwohnsitz war die Villa Tannenbergallee 15 in Charlottenburg. Vgl. Tatzkow, Monika/Henicke, Hartmut: Arthur Müller, Leben, Werk, Vermächtnis, Ein jüdisches Familienschicksal, Berlin 2000. Das Anwesen in Wannsee wird dort nicht erwähnt.

4) Im Logierhaus fanden 1927 kleinere Umgestaltungen für August Kuhnen ("Kuhnenmoden Berlin") statt. Vgl. Bauakte Am Sandwerder 21, Band I, Bl. 117f. im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bauaufsicht.

5) Franz Schicht (1891-1972) war Generaldirektor im Seifen produzierenden Schicht-Konzern (ab 1929 Unilever). Sein Vetter Georg erwarb etwa zur gleichen Zeit das Grundstück Am Sandwerder 33/35. Zur Geschichte der Großindustriellenfamilie Schicht aus Aussig/Böhmen vgl. http://www.deutsche-biographie.de/sfz111873.html (zuletzt geprüft am 01.03.2013).

6) Franz Schicht konnte für das Haupthaus (Nr. 23) ein Nießbrauchrecht für die zum Konzern gehörende Limmat-Industrie und Handels AG Zürich erwirken. Schickedanz bewohnte bis zu seinem Selbstmord 1945 das Logierhaus (Nr. 21); dieses stand 1946 unter Verwaltung der Treuhand als ehem. NSDAF-Vermögen Schickedanz. Nach Restitution verkaufte Franz Schicht die Grundstücke 1953 an die Innere Mission. Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bauaufsicht, Grundstücksakten.

Literatur:

  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 132
  • Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 21 (1908) / Seite 9 f
  • BusB IV C 1975 / Seite 148

Teilobjekt Landhaus

Teil-Nr. 09075484,T,001
Sachbegriff Landhaus
Umbau 1928
Bauherr Müller, Arthur (Industrieller)
Entwurf Breslauer und Salinger (Architekt)

Teilobjekt Gästehaus

Teil-Nr. 09075484,T,002
Sachbegriff Gästehaus

Teilobjekt Gärtnerhaus

Teil-Nr. 09075484,T,003
Sachbegriff Gärtnerhaus

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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