Denkmaldatenbank

Haus Otzen, Villa Otzen

Obj.-Dok.-Nr. 09075482
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Am Sandwerder 9
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Wohnhaus & Nebengebäude
Datierung 1882-1883
Entwurf & Bauherr Otzen, Johannes (Architekt)
Ausführung Petzholtz, Ernst

Das Haus Otzen auf dem Grundstück Am Sandwerder 9 nimmt als Gesamtkunstwerk eine herausragende Stellung unter den Villenbauten Berlins ein. Es ist der ehemalige Wohnsitz des bedeutenden Architekten, Hochschullehrers, Akademiepräsidenten und maßgeblichen Theoretikers des protestantischen Kirchenbaus Johannes Otzen. (1) Die Villa ist inklusive der Einfriedung und der torartig rechts und links an der Straße gruppierten Nebengebäude erhalten und bildet damit ein eindrucksvolles historisches Ensemble. Alle Backsteingebäude wurden 1882-83 nach eigenem Entwurf des Königlichen Baurats Professor Johannes Otzen vom Potsdamer Hofmaurermeister Ernst Petzholtz ausgeführt. Die imposante Turmvilla erlangte bereits kurz nach ihrer Fertigstellung eine Würdigung in der Publikation "Berlin und seine Bauten" sowie in einschlägigen Fachzeitschriften. (2)

Ihr kompakter zweigeschossiger Baukörper zeichnet sich durch eine wohl proportionierte Gestaltung und eine gute handwerkliche Durchbildung der einzelnen Bauteile aus. Das prächtige Satteldach ist mit farbig glasierten Biberschwanzziegeln gedeckt, seine Giebel zeigen reich geschnitztes Holzzierwerk. Der die Straßenseite mittig dominierende quadratische Turm wird von einem überkragenden steilen Satteldach mit Schwebegiebel und Fachwerk dominiert. Er ist gleich einer Landmarke weithin über den Wannsee zu sehen. An seinem Fuß steht auf einer Konsole die Statue eines Wächters mit Lanze im Renaissancegewand. Rechts daneben erstreckt sich asymmetrisch vorkragend eine großzügige Loggia mit dem Hauseingang. Die Fassaden des roten Backsteinbaus zeigen geometrische Dekorationen in Form von einfachen, aber wirkungsvollen gelben Backsteinornamenten, Ziegelfriesen und Keramik. An verschiedenen Stellen sind sie mit Zirkel und Winkeleisen - dem Zeichen der Freimaurer - geschmückt. Die nahezu symmetrische Seeseite wird mittig durch einen polygonalen Altan mit überdachtem Sitzplatz im Obergeschoss akzentuiert. Im Dachgeschoss bildet ein großes Dachhaus mit prächtigem Dreiecksgiebel, Holzzierwerk und Balkon einen weithin sichtbaren Blickpunkt. An einem Erker an der Nordwestseite, dem Kabinett des Herrenzimmers, weist eine von einem Baldachin überfangene Statue des heiligen Thomas mit Winkeleisen und Kirche auf den Schutzheiligen der Architekten und die baukünstlerische Berufung des Bauherrn hin. Sie stammt wie die Wächterstatue am Eingang aus der Tonwarenfabrik von Ernst March. Im Inneren des Gebäudes bildet eine zweigeschossige Treppenhalle den Mittelpunkt; darüber erschließt der Treppenturm das "Lehrerzimmer" und das "Turmzimmer" mit weitem Ausblick über den Wannsee. Die überwiegend seeseitig ausgerichteten Gesellschaftsräume bilden mit ihrer originalen Ausstattung ein einzigartiges Zeugnis großbürgerlicher Wohnkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Im Eck-Kabinett des Herrenzimmers ließ der Architekt neben zahlreichen Freimaurerzeichen Glasfenster mit der Darstellung von Schutzheiligen und Portraits seiner Kinder malen.

Johannes Otzen war einer der bedeutendsten Vertreter der Hannoverschen Bauschule, die ab 1860 die Neugotik auch in den Wohnhausbau einführte. (3) Im Gegensatz zu den malerischen Villen dieser Stilrichtung entwarf er sein eigenes Wohnhaus in vergleichsweise schlichten, monumentalen Formen und betonte damit den Burgcharakter - das Haus als Rückzugsort und Bastion für die Familie. Dies spiegelt sich auch im Bildprogramm des Hauses wieder - unter anderem am Wächter neben dem Eingang und an einem Spruchband im Herrenzimmer "Bleibt draußen ihr Sorgen. Hier bin ich geborgen." (4) In der Nachfolge der Familie Otzen war das Grundstück kurze Zeit in Besitz des Kommerzienrats Benno Orenstein, einem Teilhaber der Eisenbahnfabrik Orenstein &Koppel. (5) Nach mehrmaligem Besitzerwechsel blieb es ab 1956 in einer Hand und wurde kaum mehr verändert. (6) Seit einigen Jahren erfolgen umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen, die den authentischen Erhalt des einzigartigen Künstlerhauses weiterhin sicherstellen sollen. In den beiden stilistisch dem Hauptgebäude angepassten Nebengebäuden an der Straße waren ursprünglich ein Stall mit drei Pferdeboxen und eine Kutscherwohnung sowie eine Remise für zwei Wagen und eine Kleinwohnung untergebracht. Sie wurden 1956 zu Garagen umgebaut.


1) Bahns 1971, S. 99 f.

2) BusB 1896, Bd. III, S. 171, 174; Angaben zu den zahlreichen zeitgenössischen Aufsätzen in: Bahns 1971, S. 99 f.

3) Brönner 2009, S. 185 f.

4) Brönner 2009, S. 367 f.

5) Kommerzienrat Benno Orenstein (1851-1926).

6) Eigentümer 1927-46 war der Direktor Fritz Blüthgen, damalige Umgestaltungspläne von Bielenberg & Moser wurden nicht durchgeführt. 1946-56 wurde das Grundstück von einer Bank gehalten. Vgl. Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bauaufsicht, Bauakten.

Literatur:

  • BusB II/III 1896 / Seite 171, 174
  • Bahns/Johannes Otzen, 1971 / Seite 24 f., 99
  • Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 5 (1892) 1 / Seite 1
  • Deutsche Bauzeitung 27 (1893) 78 / Seite 477 f.
  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013Bahns, Jörn: Johannes Otzen 1839-1911, München 1971 / Seite 99 f
  • Brönner, Wolfgang: Die bürgerliche Villa in Deutschland 1830-1890, Worms 2009 / Seite 185 f, 367f

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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