Denkmaldatenbank

Wohnhausgruppe Johannes-Niemeyer-Weg 12A, 16, 20

Obj.-Dok.-Nr. 09075470
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Wannsee
Adressen Johannes-Niemeyer-Weg 12A, 16, 20
Denkmalart Ensemble
Sachbegriff Wohnhausgruppe

Die erhaltenen Gebäude bilden auf den Grundstücken Johannes-Niemeyer-Weg 12A, 16, 20 ein Ensemble von Wohnhäusern und Wirtschaftsgebäuden, das - zum Teil in einer außergewöhnlichen Konstruktionsweise, der Lehm-Pisé-Bautechnik errichtet - an die erste Besiedlung Steinstückens erinnert. Auch die nahe gelegene Lehmscheune Malergarten 18 gehört zu diesen ersten ländlichen Bauten auf den einst zum Dorf Stolpe gehörenden Kossätenäckern. Das wenig fruchtbare Land konnte erst nach der 1819 einsetzenden Separation veräußert werden. Die Besiedlung der neu gebildeten schmalen Ackerstreifen begann daher 1833, als sich der Arbeiter Carl Christian Friedrich Baatz ein kleines Wohnhaus errichtete und so den Status eines Büdners erlangte. (1)

Während von dieser Erstbebauung nichts erhalten blieb, hat sich von der bald folgenden Siedlungstätigkeit von Carl Gottfried Schmidt mehr bewahrt. Schmidt, ebenfalls Landarbeiter und aus Drewitz stammend, erwarb 1834-35 gleich mehrere nebeneinanderliegende Parzellen (2), ließ sie mit kleinen Büdnerhäuschen und Ställen in Lehm-Pisé bebauen und veräußerte diese anschließend. Er ist der eigentliche Gründer der Kolonie Steinstücken, der im Kleinen praktizierte, was später in den Gründerjahren Berlins die Terraingesellschaften im großen Stil betrieben - die Terrain- und Bauspekulation. Seine kargen Wohnhäuschen mit kleinen Ställen und Scheunen, zu denen etwas Gartenland zur Selbstversorgung gehörte, waren in Steinstücken ausschließlich für minderbemittelte Arbeiterfamilien gedacht. Um die Baukosten möglichst niedrig zu halten, wählte Schmidt für Wohnhäuser und Stallungen eine billige Lehmbauweise, zumal sich die nächste Lehmgrube in unmittelbarer Nachbarschaft befand. Die dabei verwendete Lehm-Pisé-Technik ging auf eine in Frankreich im 18. Jahrhundert propagierte und verbesserte Herstellungsmethode der jahrhundertealten Technik zurück. (3) Hierbei wurde erdfeuchter Lehm in einer versetzbaren Schalung durch Stampfen verdichtet, ähnlich der Herstellung heutigen Stampfbetons. Die Lehmkaten waren kleine Stroh gedeckte, eingeschossige Stube-Küche-Häuser. Von noch geringerer Größe waren oft die Wirtschaftsgebäude, die meist Scheune und Stall unter einem Dach vereinigten. Schmidt selbst bezog ein kleines nicht mehr erhaltenes Arbeiterhaus auf dem heutigen Grundstück Johannes-Niemeyer-Weg 16. (4)


1) Ehemals Steinstraße 46F. Die Darstellung der Siedlungsanfänge Steinstückens folgt in Teilen: Talaska und Schade: Büdnerhaus Steinstraße 46, Historische Aufarbeitung, Pläne und Karten, Rekonstruktion, Photodokumentation, unveröff. Gutachten i.A. Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Landeskonservator, Berlin 1986.

2) Ehemals die sechs Parzellen Steinstraße 46, 46A bis 46E. Vermutlich gehörte auch anfangs das heutige Grundstück Malergarten 18, ehemals Steinstraße 40A zum Grundbesitz von Carl Gottfried Schmidt.

3) Aufgrund des Mangels an Bau- und Brennholz wurde die Lehmbauweise besonders im 18. und 19. Jahrhundert angewendet, bevor die maschinelle Ziegelsteinproduktion den Baustoff Lehm verdrängte. Die Förderung der jahrhundertealten Techniken des Lehmbaues in Deutschland gingen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von Frankreich, von den Schriften François Cointereux, aus. Cointereux propagierte vor allem die Lehm-Pisé-Technik, die Methode der Stampfbauweise vor Ort in einer versetzbaren Schalung. In Deutschland hatte Friedrich der Große bereits 1764 per Erlass die Einführung der Lehmbauweisen verordnet, um der allgemeinen Holzknappheit nach dem Siebenjährigen Krieg zu begegnen. Auch David Gilly schilderte in seinem Handbuch der Land-Bau-Kunst, zwischen 1797 und 1836 mehrfach aufgelegt, ausführlich die Stampfbaumethode nach Cointereux, und förderte so ihre Verbreitung. Sie setzte sich allerdings nur regional durch, da sie von dem Vorkommen größerer Lehmgruben abhing. Als nachteilig erwies sich außerdem die lange Entstehungszeit der Bauten, da sie etwa ein Jahr austrocknen mussten, bevor das Haus bezogen werden konnte. Endgültig verdrängten ab Mitte des 19. Jahrhunderts die verbesserten Ziegelproduktionstechniken, die durch die Erschließung der Kohlevorkommen möglich wurden, den Baustoff Lehm.

Vgl. Cointereux, François: Die Pisé, Baukunst, in ihrem ganzen Umfang, oder vollständige fassliche Beschreibung des Verfahrens .../aus dem französischen Original ....bearbeitet und mit Zusätzen versehen von Christian Ludwig Seebass, Reprint der Originalausgabe von 1803, Augsburg 1989;

Güntzel, Jochen Georg: Lehmbau um 1800. In: Vom Schönen und Nützlichen, David Gilly (1748-1808), hrsg. v. Fachhochschule Potsdam und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Stahnsdorf 1998, S. 38-41.

4) Vermutlich ehemals Steinstraße 46B.

Literatur:

  • Topographie Zehlendorf/Wannsee, 2013 / Seite 159
  • unveröff. Gutachten i.A. Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Landeskonservator, Berlin 1986 Cointereux, François: Die Pisé, Baukunst, in ihrem ganzen Umfang, oder vollständige fassliche Beschreibung des Verfahrens (1803), Augsburg 1989 Güntzel, / Seite 38-41

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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