Denkmaldatenbank

Bakteriologische Abteilung und Veterinär-Abteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, Bundesgesundheitsamt, Max-v.-Pettenkofer-Institut

Obj.-Dok.-Nr. 09075439
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Unter den Eichen 82, 83, 84

Boetticherstraße 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16

Thielallee 74, 76, 78, 80, 82, 84, 86, 88, 90, 92
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Forschungseinrichtung
Datierung 1903-1908, vor 1927
Entwurf Hückels, Johann (Regierungsbaumeister)
Entwurf Gaedicke

Die einzelne rote Ziegelgebäude, die mit Fachwerk und Dacheinschnitten an ländliche Architekturmuster erinnern, sind Teil der ursprünglichen Anlage der Bakteriologischen Abteilung und Veterinär-Abteilung des kaiserlichen Gesundheitsamtes, Unter den Eichen 82/84 u.a., die die Preußische Bau- und Finanzdirektion ab 1903 auf dem vier Hektar großen, dreieckigen Gelände erbauen ließ. (1) Die entwurfliche Bearbeitung lag in den Händen von Johann Hückels, während die Bauausführung wohl der Königliche Baurat Ehrhardt inne hatte. (2)

Die bakteriologischen Abteilungen (3) des 1876 gegründeten Kaiserlichen Gesundheitsamtes konnten hier an der Grenze nach Lichterfelde auf einem von dichter Umbauung freien Areal erstmalig zusammengefasst werden. Die rasche Entwicklung der Bakteriologie und neue toxikologisch-pharmakologische sowie physiologisch-chemische Forschungsfelder führten zum Aufbau einer selbstständigen Bakteriologischen Abteilung des kaiserlichen Gesundheitsamtes und zur Zentralisierung ihrer Bereiche. Auf dem Gelände fanden richtungsweisende wissenschaftliche Erprobungen und Erforschungen von Behandlungsverfahren statt, die zur Entwicklung pharmakologischer Mittel zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Syphilis und Diphtherie führten. Vor allem die Tuberkuloseforschung, die unter Robert Koch - 1880 an das Gesundheitsamt berufen - auch in den Dahlemer Einrichtungen stattfand, führte zu bahnbrechenden Entdeckungen. Unter der nationalsozialistischen Diktatur wurden die Einrichtungen für menschenverachtende, rassenideologische Forschungszwecke vereinnahmt. Die hier gelegene "Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle" betrieb die vollständige Erfassung der Sinti und Roma in Deutschland und führte an ihnen anthropologische Untersuchungen durch, um ihre rassische Minderwertigkeit zu belegen für die spätere Zwangssterilisation und Vernichtung. (4)

Die Mehrzahl der benötigten Laboreinrichtungen und Tierställe konnte 1903-08 erbaut werden. Es entstand eine Bautengruppe aus 18 Gebäuden: dem großen Laboratoriumsgebäude an der Straße Unter den Eichen, zwölf, zum Teil mit kleineren Laboratorien ausgestatteten Tierställen und fünf Wohnhäusern für Beamte und Bedienstete. Von dieser Erstbebauung haben sich, teils nach dem Krieg wiederaufgebaut oder durch Erweiterungen verändert, fast alle Gebäude bewahrt, wodurch die ursprüngliche Gruppierung ablesbar blieb. (5) Diese folgte ganz dem Bestreben, eine Verbreitung von Infektionsstoffen zu erschweren, was zu einer räumlich getrennten Anordnung von Ställen, Laborgebäuden und Wohnhäusern führte. So liegen diejenigen Versuchstierstallungen separiert in der Mitte des Grundstücks, die für kranke und gesunde Tiere vorgesehen waren, außerdem die Beamtenwohnhäuser am Rande des Geländes an der Boetticher Straße. Man musste daher auf eine regelmäßige, achsenbetonte Anordnung der verschiedenen Gebäude verzichten, wie sie zur gleichen Zeit Stadtbaurat Ludwig Hoffmann bei seinen großen Krankenhaus- und Fürsorgeprojekten praktizierte - übernommen wurde jedoch das moderne Pavillonsystem. Auch zum Schutz vor der Ausbreitung von Infektionen waren die Bauten von gärtnerischen Anlagen umgeben, wie sie zum Teil noch heute im nördlichen Grundstücksbereich anzutreffen sind. Abgesehen vom mehrgeschossigen Laboratoriums- und Verwaltungsgebäude - ein Repräsentationsbau in Renaissanceformen, der mit hohen Schweifgiebeln und noch höherem Zwiebeltürmchen weithin auf sich aufmerksam macht - zeigen die übrigen Bauten bescheidenere, ländlich-märkische Formen. Weiße Putzflächen und rotes Ziegeldekor bei den niedrigen Stallgebäuden, Krüppelwalmdächer, Fachwerk, Holzlauben und weiße Sprossenfenster bei den Wohnhäusern sind die prägenden historisierenden Motive.

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(1) Das Reichsgesundheitsamt 1876-1926, Festschrift zum Anlass seines 50jährigen Bestehens, Berlin 1926, S. 10 f.; Nagel 1929, S. 37; Engel 1984, S. 84-88; Curth, Roland: Das Reichs-/Bundesgesundheitsamt Thielallee 88. In: Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, hrsg. v. Helmut Engel u.a., Bd. 4 Zehlendorf, Berlin 1992, S. 262-280 (dort weitere Literaturangaben); BusB V B, S. 200, 314.

(2) Johann Hückels war bauleitend beteiligt am 1897 eingeweihten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kaiserlichen Gesundheitsamt in der Klopstockstraße im Berliner Hansaviertel. Von ihm stammt auch der Entwurf für die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Königin-Luise-Straße 17-19, 1904-06 erbaut.

(3) 1898 hatte das Gesundheitsamt vor allem zur Verbesserung des Pflanzenschutzes eine Biologische Abteilung bekommen, der neben den erforderlichen botanischen, zoologischen, agrikulturchemischen und bakteriologischen Laboratorien auch ein eigenes Versuchsfeld zugewiesen wurde. Hierzu wählte man ein etwa 10 Hektar großes Areal der Domäne Dahlem an der Königin-Luise-Straße, das bis 1901 mit den notwendigen Gewächs- und Vegetationshäusern ausgestattet wurde (siehe Königin-Luise-Straße 17/19). Die eigentliche Biologische Abteilung mit Tierställen und Laboratorien befand sich in der Innenstadt im vornehmen Tiergarten-Viertel. Der dortige Standort war nicht nur wegen der Tierstallgerüche unzumutbar geworden, auch hatte die rasche Entwicklung der Bakteriologie und neue toxikologisch-pharmakologische sowie physiologisch-chemische Forschungsfelder den Mangel an geeigneten Laboreinrichtungen und größeren Tierställen offenbart.

(4) Dahlemer Erinnerungsorte 2007, S. 267-278.

(5) 1965 Abbruch eines Pförtnerhauses und eines Dienstbotenwohnhauses aufgrund der Verbreiterung der Straße Unter den Eichen.

Literatur:

  • Curth, Roland: Das Reichs-/Bundesgesundheitsamt, in: Geschichtslandschaft, Zehlendorf, 1992 / Seite 262-280
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 148

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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