Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Institut für für Chemie, Otto-Hahn-Bau der Freien Universität

Obj.-Dok.-Nr. 09075438
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Thielallee 63
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Forschungseinrichtung & Institutsgebäude
Datierung 1911-1912
Entwurf Ihne, Ernst Eberhard von (Architekt)
Entwurf Guth, Max
Ausführung Clemens, Gustav
Bauherr Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Auf dem großen Eckgrundstück Thielallee 63 liegt das 1911-12 errichtete frühere Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, heute der weltbekannte Otto-Hahn-Bau, an dem Otto Hahn zusammen mit Fritz Straßmann und Lise Meitner 1938 die Kernspaltung entdeckt hat. (1) Entworfen hat das Institut Ernst von Ihne, für die Labor und die technische Ausstattung zeichnete Max Guth verantwortlich, der königlicher Baurat bei der Preußischen Bau- und Finanzdirektion war. Das Institut für Chemie war die erste nach dem so genannten "Harnack-Prinzip" organisierte Forschungseinrichtung der KWG in Dahlem, wonach die Institute - nach Harnacks Worten - "um den bedeutenden Forscher herum" gebildet werden sollten. (2)

Das von Ernst Beckmann geführte Institut eröffnete mit drei selbstständigen Abteilungen, die jeweils ein Geschoss einnahmen. Im Erdgeschoss lag die Einrichtung für Radioaktivität, die sich unterteilte in eine chemische Abteilung, geleitet von Otto Hahn, und in eine physikalische, die Lise Meitner führte. In der darüberliegenden Etage hatte Richard Willstätter seine Abteilung Organische Chemie, während im zweiten Obergeschoss die anorganische und physikalische Chemie, geleitet von Ernst Beckmann, untergebracht war. Allerdings lassen sich die drei Forschungsabteilungen des Instituts nicht an der Gliederung des Hauses ablesen. Würden nicht Gedenktafeln am Eckturm auf die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Gebäudes hinweisen, so sähe man dem vornehmen Palais diese spezielle Nutzung kaum an. Ihne hatte einen U-förmigen Institutsbau mit der Schaufront zur Thielallee und zwei kurzen Flügeln konzipiert, wobei der schmalere Trakt am Faradayweg zu einem nicht realisierten Bau für die technische Abteilung überleiten sollte. Das Gebäude kennzeichnet der typische nüchterne Eklektizismus der Hof- und Staatsbauten Ihnes, die fast alle in den Formen des Übergangsstiles der italienischen Spätrenaissance zum Barock gestaltet sind. Mit einem an französische Wasserschlösser erinnernden Eckturm, spitz bekrönt von einer Welschen Haube, einem Eingangsrisalit mit Kolossalordnung in der Manier Palladios war der staatstragenden Bedeutung der neu gegründeten Forschungsstätte Genüge getan.Das Innere zeigte sich dagegen als moderner, nach den Bedürfnissen der Direktoren und Wissenschaftler konzipierter Institutsbau. Ihre komplexen Nutzungsanforderungen führten - wie auch bei den folgenden Instituten - zu einer uneinheitlichen, jedoch funktionellen Grundrissstruktur. So legte man größere Laborräume "gestapelt" in den Geschossen übereinander und gefährliche oder Erschütterung verursachende Räume meist in den Keller. (3) Eine besondere Lösung erforderte die Abführung der bei den Experimenten entstehenden übelriechenden oder giftigen Gase. Erstmalig wurde ein neuartiges Ventilationssystem erprobt mit Exhaustoren im Dachbereich, wohin die Abluft über Sammelkanäle geführt wurde. Das hohe und steile Dach eignete sich gut dafür. Für die Zuluft der Laborräume gab es im Kellergeschoss separate Heizkammern. (4)

In diesem Institut fand eine weltweit bedeutende folgenreiche Forschungstätigkeit statt. Otto Hahn, seit 1926 Direktor des Instituts, Lise Meitner und Fritz Straßmann konnten in Versuchsreihen nachweisen, dass sich Uran beim Beschuss mit Neutronen in andere Elemente - Barium und Radium - zerspalten lässt. Die darauf einsetzenden weltweiten Forschungen führten zur Nutzbarmachung der bei der Kernspaltung frei werdenden Energie - so letztlich auch zur Entwicklung der Atombombe. Im Jahre 1944 bekam Otto Hahn, nach dem das Haus heute genannt wird, den Nobelpreis zugesprochen, der ihm 1946 nachträglich verliehen wurde. Bereits 1915 hatte Richard Willstätter, ebenfalls leitendes Mitglied des Instituts, für die Aufklärung der Chlorophyllstruktur als erster Wissenschaftler der KWG den Nobelpreis erhalten. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Institut, das sich vor allem der Kernforschung widmete, vom NS-Staat für die Kriegsrüstung in Anspruch genommen. Es war eingebunden in das so genannte "Uranprojekt" - ein Forschungsprogramm der Wehrmacht zur Nutzung der Kernspaltung als Energiequelle und Waffe. (5)

Seit 1949 gehört das Gebäude zur Freien Universität, die den Wiederaufbau des kriegszerstörten Südflügels Anfang der 1950er Jahre veranlasste und das Hausinnere für die Erfordernisse des Fachbereichs für Biochemie grundlegend umbauen ließ. Die ebenfalls von Ernst von Ihne entworfenen Nebengebäude, Pförtnerhaus und Direktorenvilla, die 1911 neben dem Institutsbau zur Van´t-Hoff-Straße hin entstanden waren, wurden, da kriegszerstört, 1950 abgebrochen. Ebenfalls nicht mehr vorhanden ist der so genannte "Minerva-Bau", der, 1942-43 für das "Uranprojekt" der Wehrmacht erbaut, einen Teilchenbeschleuniger aufnahm. An die kernphysikalischen Forschungen von Otto Hahn und Lise Meitner erinnert das erhaltene Radiumhaus - ein kleiner Flachbau, der an der Rückseite des Hauptgebäudes 1927-28 errichtet worden war, um den Institutsbau nicht mit radioaktiven Substanzen zu kontaminieren.

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(1) Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, Kaiser-Wilhelm-Institut für pysikalische Chemie und Elektrochemie. Zur Einweihung der Institute durch Seine Majestät den Kaiser und König am 23.10.1913, Berlin 1913; Ernst von Ihne, Max Guth, Die Neubauten der beiden ersten Kaiser-Wilhelm-Institute in Berlin-Dahlem. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 33 (1913), S. 385-389; Beckmann, Ernst/ Fischer, Emil: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, Braunschweig 1913; Johnson, Jeffrey Allan: The Kaiser´s Chemists Chapel Hill 1990, S. 140-144; Henning/Kazemi 1993, S. 86-94; Henning/Kazemi 2002, S. 153-167; Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 21-23; Braun 1987, S. 48 ff.; Sander 1998, S. 119-123; Gill/Klenke 1993, S. 48 f.; BusB V B, S. 201-203, 308.

(2) Laitko, Hubert: Persönlichkeitszentrierte Forschungsorganisation als Leitgedanke der KWG, Reichweite und Grenzen, Ideal und Wirklichkeit. In: Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute, Studien zu ihrer Geschichte, Das Harnack-Prinzip, hrsg. v. Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko, Berlin-New York 1996, S. 583-632.

(3) Braun 1987, S. 68.

(4) Braun 1987, S. 68.

(5) Dahlemer Erinnerungsorte 2007, S. 152-169.

Literatur:

  • Henning, Eckart und Marion Kazemi/ Dahlem-Domäne der Wissenschaft in
    Max-Planck-Gesellschaft. Berichte und Mitteilungen (1993) 3 / Seite 86-94
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 159

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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