Denkmaldatenbank
Verbandshaus der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten
09075362 | |
Bezirk | Steglitz-Zehlendorf |
Ortsteil | Dahlem |
Adressen | Kaiserswerther Straße 16, 18 Rudeloffweg 30 Thielallee 64 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Bürogebäude |
Datierung | 1926-1927 |
Entwurf | Straumer, Heinrich (Architekt) |
Bauherr | Verband der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten |
Das 1926-27 errichtete Verbandshaus der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten in Deutschland, Kaiserswerther Straße 16/18 u.a., steht in Konkurrenz zu dem gegenüberliegenden Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie von 1912. (1) Dessen von Ernst Eberhard von Ihne geschaffene aufwändige Schauseite dominierte bis dahin den Straßenraum. Heinrich Straumer, der Architekt des neuen Verbandshauses, musste zudem mit einem ungünstig schmal geschnittenen Grundstück auskommen. Straumer, der als Sieger aus einem engeren Wettbewerb hervorgegangen war, löste die schwierige Bauaufgabe, indem er den Haupttrakt mit monumentalem Werksteinportal zur Kaiserswerther Straße legte und kurze Seitenflügel zur Thielallee und zum Rudeloffweg anschloss. (2) Eine umlaufende Klinkerbänderung fasst alle Fronten zusammen und lenkt so den Blick auf das markante Eingangsportal.
Das Bedürfnis des Bauherrn nach Repräsentation erfüllte Straumer mittels einer kraftvollen plastischen Gliederung der Fassaden sowie einer luxuriösen Materialvielfalt, die auch das Innere kennzeichnet. In der ihm eigenen Architektursprache kombinierte er Elemente von Expressionismus, Art déco und Neuem Bauen. Mit sich überschneidenden zwei- und dreigeschossigen Baukuben, einem blockhaften zweigeschossigen Portal mit eingestellten scharfkantigen Muschelkalkpfeilern und der roten Klinkerbänderung der Obergeschosse präsentiert sich der Bau statisch und dynamisch fließend zugleich. Das expressive Motiv der umlaufenden Klinkerbänder erinnert an zeitgleiche Bauten von Erich Mendelsohn. Jedoch war wohl das eigentliche Vorbild die Klinkereinfassung des Kunstmuseums der Gesolei in Düsseldorf, das der mit Straumer bekannte Wilhelm Kreis 1925-26 am Rheinufer erbaute. (3) Dieses Motiv verleiht dem Verbandshaus eine eigentümliche architektonische Dramatik, zu der das stilisierte Flammenornament an den Pfeilern, eine Erinnerung an die Aufgaben des Hausherren, und auch die steinernen Lampen am Eingang beitragen - beides geschaffen vom Wiener Designer Viktor Lurje. (4)
Das Innere überrascht mit einer überbordenden Art déco-Ausstattung, für die Straumer die Detaillierungen ausarbeitete. Wände, Boden, Türen und Treppen mit römischen Travertin oder Marmor verkleidet, kunstgeschmiedete eiserne Gitter (5), schwere Holztüren mit bronzenen Beschlägen sowie eine große Soffittenlampe in Bronze lassen Vestibül und Treppenhaus eher als elegantes Entree einer gewichtigen Konzernzentrale der Großindustrie erscheinen. (6) So verdeutlichten die künstlerischen Raumfassungen das Repräsentationsbedürfnis des an Bedeutung gewachsenen Verbandes der Versicherungswirtschaft. Auch die Möblierung des zentral zum Hauptportal gelegenen Sitzungssaales der Verbandsführung gehörte zu Straumers Gestaltungskonzept. Dieser Saal in der ersten Etage, der sich nahezu unverändert in seiner Art déco-Fassung erhalten hat, erinnert zugleich an die Nutzung des Hauses nach dem Zweiten Weltkrieg. Von 1945 bis 1990 befand sich hier der Sitz der Alliierten Kommandantur, der gemeinsamen obersten Verwaltungsbehörde der Siegermächte für Berlin. An dem acht Meter langen Tisch aus Rotholz mit Silberleisten und Intarsien verziert, der zur bauzeitlichen Raumausstattung gehört, kamen die Stadtkommandanten der Alliierten zu ihren regelmäßigen Konferenzen zusammen. Nach dem Abzug der Siegermächte aus Berlin übernahm 1991 wieder der Verband der öffentlichen Feuerversicherer sein Gebäude, das er detailgenau wiederherstellen ließ. Dabei konnte dem Haus sein kriegszerstörtes flaches Walmdach zurückgegeben werden. Anschließend bezogen das Präsidialamt, der Kanzler sowie zentrale Verwaltungsabteilungen der Freien Universität die Räumlichkeiten.
(1) Neuere Bauten von Heinrich Straumer, Berlin. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 12 (1928), S. 462, 469; Dienstgebäude des Verbandes der öffentlichen Feuerversicherungsanstalten Deutschlands, Berlin Dahlem. In: Deutsche Bauzeitung 63 (1929), S. 273-278; Moderner Berliner Zweckbau, hrsg. v. Hermann Werner, Berlin-Leipzig 1932, S. 19 u. Taf., Teil Technik S. 12; BusB IX, S. 198; Curth, Roland: Die Alliierte Kommandantur, Kaiserswerther Straße 16-18. In: Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, hrsg. v. Helmut Engel u.a., Bd. 4 Zehlendorf, Berlin 1992, S. 241-261; Kaiserswerther Straße 16-18, Zum Einzug der Freien Universität in die frühere Alliierte Kommandantur (= Dokumentationsreihe der Freien Universität Berlin, H. 22), Berlin 1994 (darin: Stubert, Angelika: Baugeschichte und Baubeschreibung, S. 11-17); Stubert 1995, Bd. 1, S. 94 f., 141, 145 f., Abb. 18, 19; Bd. 2/3, Obj. 99.
(2) Für das Verbandshaus existieren in den Bauakten zwei Vorentwürfe vom Ende des Jahres 1925 bzw. von Anfang 1926, wobei ein Entwurf von Heinrich Straumer signiert wurde. Dieser ging auf den Wettbewerbsbeitrag zurück. Er zeigt eine neobarocke, schlossartige Fassadengestaltung, die wohl mehr Bezug zum gegenüberliegenden Institutsgebäude für Chemie von Ernst von Ihne nimmt. Vgl. Stubert 1995, Bd. 2/3, Obj. 99.
(3) Wilhelm Kreis, Die Dauerbauten am Rhein, Ein Ausdruck neuzeitlicher Baukunst. In: Ge-so-lei, Große Ausstellung Düsseldorf, Düsseldorf 1926, hrsg. v. A. Schlossmann, Bd. 1, Düsseldorf 1927; Hegemann, Werner: Neuere Bauten von Heinrich Straumer, Berlin. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 12 (1928), S. 469.
(4) Viktor Lurje (geb. 1883), Maler, Bildhauer und Architekt, wirkte ebenfalls in Düsseldorf an den Gesolei-Bauten mit.
(5) Kunstschmied war Julius Schramm.
(6) Nicht mehr vorhanden sind die Treppenhausfenster des Malers Paul Rösler aus Dresden. Die kriegszerstörte Kunstverglasung zeigte einst die Wappen der dem Verband angehörenden Anstalten.
Literatur:
- BusB IX 1971 / Seite 198
- Topographie Dahlem, 2011 / Seite 146
- Deutsche Bauzeitung 63 (1929) / Seite 273-278
- Hellwag/ Moderne Berliner Zweckbauten, 1932 / Seite 19
- Weber/ Kleine Baugeschichte Zehlendorfs, 1970 / Seite 50
- Curth, Roland/ Die Alliierte Kommandantur in
Geschichtslandschaft, Zehlendorf, 1992 / Seite 241-261
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